Bayern Länger arbeiten? Bayerns DGB-Chef kritisiert CSU-Beschluss
Eine "Agenda für die Fleißigen" fordert ein CSU-Beschluss: Eine Vier-Tage-Woche schade dem Wohlstand, die Tageshöchstarbeitszeit müsse länger werden. Für Bayerns DGB-Chef Stiedl ein "Affront" gegen Leistungsträger. Vielmehr müsse die Politik handeln.
Der bayerische DGB-Vorsitzende Bernhard Stiedl kritisiert mit deutlichen Worten den neuen Parteitagsbeschluss der CSU zur Arbeitszeit. Wenn die CSU verlange, dass die Menschen länger und härter arbeiten sollen, ärgere das nicht nur ihn, sondern auch die Beschäftigten, sagt Stiedl im BR24-Interview. "Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land sind fleißig!"
Mit insgesamt 55 Milliarden Stunden arbeiteten die Menschen in Deutschland so viel wie noch nie, argumentiert Stiedl. Es würden 1,4 Milliarden Überstunden geleistet.
Söder: Trend zu immer weniger Arbeit
In ihrem Papier zur Wirtschaftspolitik, das auf dem Parteitag am Wochenende beschlossen wurde, fordert die CSU eine "Agenda für die Fleißigen": "Mit einer Vier-Tage-Woche werden wir weder unseren Wohlstand erhalten noch im internationalen Wettbewerb bestehen können."
CSU-Chef Markus Söder beklagt seit Monaten einen Trend "zu immer weniger Arbeit, mehr Teilzeit und Work-Life-Balance". In Deutschland müsse wieder mehr gearbeitet werden. Im ARD-Interview betonte er am Wochenende, "nur mit Halbtagsjob, mit Vier-Tage-Woche" funktioniere es nicht.
DGB-Landeschef: Politik muss handeln
Stiedl hat kein Verständnis für solche "pauschalen Äußerungen". Wenn eine Pflegekraft nach einer Doppelschicht nach Hause komme und im Radio von einem Politiker höre, sie solle härter arbeiten, sei das "ein Affront" gegen Menschen, die Leistung bringen. Statt die Menschen zusätzlich zu belasten, brauche es eher Entlastung.
Zugleich könnten viele gar nicht in Vollzeit arbeiten, weil sie sich um Kinder kümmern oder Angehörige pflegen müssten. In Bayern fehlten 70.000 Betreuungsplätze für Unter-Dreijährige. Wenn die Politik wolle, dass die Menschen mehr arbeiten, müsse sie die Rahmenbedingungen gestalten, mahnt der Gewerkschafter. Die Politik müsse genügend Pflege- und Betreuungsplätze zur Verfügung zu stellen.
DGB: Nein zu längerer Höchstarbeitszeit
Zudem verlangt die CSU in ihrem Papier: "Die tägliche Höchstarbeitszeit muss auch zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit ersetzt werden." Das schaffe Flexibilität. Aktuell dürfen Arbeitnehmer in Deutschland acht Stunden pro Tag arbeiten, maximal zehn Stunden.
Der DGB-Landeschef lehnt die CSU-Forderung ab. "Wenn die Tageshöchstarbeitszeit verlängert werden soll, dann trifft es genau die Fleißigen, die sowieso schon sehr belastet sind, die sowieso schon eine sehr hohe tägliche Arbeitszeit haben. Und die soll dann noch mehr arbeiten." Bereits jetzt nähmen die psychischen Belastungen und die Krankheitstage zu, warnt Stiedl. Eine Verlängerung der täglichen Höchstarbeitszeit "würde genau in die verkehrte Richtung führen". Der DGB Bayern startete deswegen im September deine Kampagne mit dem Titel "Arbeitszeit neu gestalten".
SPD: "Sozial-Retro"
Der bayerische SPD-Fraktionsvorsitzende Holger Grießhammer bezeichnet die CSU-Vorschläge als "Mischung aus Schaumschlägerei und Sozial-Retro". Flexible Arbeitszeiten seien heute schon möglich, es müssten entsprechende Tarifverträge vereinbart werden.
Verkürzte Arbeitszeiten wie eine Vier-Tage-Woche seien im Interesse von Arbeitnehmern und deren Familien wünschenswert. Zugleich müsse man aufpassen, "dass dadurch vor allem kleinere und mittelständische Betriebe nicht in Schieflage geraten", betont Grießhammer. "Man muss berechtigte Bedürfnisse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und das wirtschaftliche Gesamtbild in Einklang bringen. Das ist für mich auch als aus Sicht eines Handwerksmeisters natürlich schon wichtig."
Bayerische Wirtschaft unterstützt CSU-Position
Unterstützung für die CSU-Positionen kommt dagegen vom Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw), Bertram Brossardt. Dauerhaft könne Deutschland nur mit Fleiß vorankommen, sagt er dem BR. "Fleiß bedeutet auch Zeit."
Den derzeitigen Rechtsrahmen für Arbeit bezeichnet Brossardt als "vollkommen veraltet" und ein "riesiges Hemmnis". Nötig sei Flexibilität, um auf mangelnde Auftragslage und den demografischen Wandel reagieren zu können, um andere Arbeitszeitmodelle umsetzen zu können.
Skeptisch zeigt sich Brossardt dagegen bei der CSU-Forderung nach steuerfreien Überstunden. "Das Ziel ist richtig, aber das sehen wir nicht ganz unkritisch", sagt er. "Beginnt die Überstunde bei einer Teilzeitkraft bei 26 Stunden?" In vielen Branchen betrage die normale Wochenarbeitszeit 40 Stunden. Da passe das CSU-Papier "noch nicht ganz zur Wirklichkeit".
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Quelle: BR24 im Radio 14.10.2024 - 05:00 Uhr