Bayern Taxi-Zoff in Nürnberg: Der Kampf um jeden Fahrgast
Jahrelang hatten Taxis ein Monopol auf Nürnbergs Straßen. Damit ist es vorbei. Moderne Fahrdienste wie BOLT mischen das Geschäft auf. Taxifahrer haben Angst um ihre Jobs. Es herrscht Zoff in der Branche – und ein Kampf um den zahlenden Fahrgast.
Norbert Spitzer fährt seit 30 Jahren in Nürnberg Taxi. Er ist 64 Jahre alt und erlebt, wie sich die Branche gerade verändert. Seit auch in Nürnberg Fahrten über Apps wie BOLT und Uber vermittelt werden, kämpfen Taxi-Unternehmen ums Überleben. Ihnen gehen Aufträge verloren – nach Schätzung des städtischen Ordnungsamtes rund 20 Prozent. Viele Taxifahrer haben Angst um ihren Job, sagt Norbert Spitzer. "Sie sind schon so lange im Taxigewerbe, dass sie nicht auf die Schnelle was anderes machen können".
Diese neuen Tech-Unternehmen werden von den Taxi-Zentralen und -Verbänden mit Argusaugen beobachtet. Im September dieses Jahres hatte Uber zum Beispiel den Betrieb in Regensburg aufgenommen und in der dortigen Taxi-Szene für Aufsehen gesorgt.
Taxifahrer reagieren mit Abmahnungen
Die Konkurrenz, die den Markt in Nürnberg aufmischt, das sind Fahrerinnen wie Rabia Arpa. Seit einem halben Jahr ist die 37-Jährige für den Fahrdienst BOLT in Nürnberg unterwegs. Längst hat sie mitbekommen, dass die Taxifahrer allergisch auf die Rivalen reagieren. "Das Erste, was ich gelernt habe, ist: Nie beim Taxi-Stand parken. Weil ich dann Ärger bekomme", sagt sie. Wird sie erwischt, gibt es eine Abmahnung. Kosten: 300 Euro.
Video: Taxis gegen BOLT - Der Kampf um jeden Fahrgast
App ermöglicht dynamische Fahrpreise
In ganz Deutschland protestieren Taxifahrer. Ihr Vorwurf: Dienste wie BOLT würden den Markt mit Dumpingpreisen kaputt machen. Das weist Miran Ali zurück. Seine Firma Mars Holding betreibt 80 Autos, die in Nürnberg für BOLT fahren. Er könne billigere Preise anbieten, weil die Autos effektiver unterwegs seien und nicht herumstünden. Im Unterschied zum klassischen Taxi seien seine Fahrzeuge "permanent unterwegs".
Die App verteilt die Aufträge, die von den Kunden per Smartphone eingespeist werden, so effektiv wie möglich an die Fahrzeuge. Auch der Preis bis zu einem gewissen Grad anpassbar: Günstig ist es, wenn sonst keiner fahren will. Im Umkehrschluss heißt das aber auch: Ist viel los, gehen die Fahrpreise rauf.
Preisvorteil hält sich in Grenzen
Ein Vergleich: eine Fahrt in der Rushhour am Abend vom Nürnberger Hauptmarkt zum Flughafen. Mit dem BOLT-Auto dauert sie 25 Minuten und kostet zu diesem Zeitpunkt 21,60 Euro. Die Taxifahrt dauert nur gut 20 Minuten. Der Grund: Die Taxifahrer dürfen abkürzen, weil sie eine Durchfahrtsgenehmigung für eine Anliegerstraße haben. Die Kosten berechnen sich je nach Fahrtdauer zwischen 22 und 24 Euro.
Die App regelt alles
Auch wenn im obigen Beispiel der Preisvorteil gar nicht so groß ist – das ist nicht der einzige Grund, warum Fahrgäste bei BOLT beziehungsweise bei Rabia Arpa einsteigen. Die Kunden schätzen den Komfort bei der Buchung übers Handy.
Arpa bekommt ihre Aufträge ausschließlich über die BOLT-App. Sie zeigt an, wo es losgeht, wen sie befördert und welchen Weg sie nehmen muss. Außerdem hilft sie bei der Kommunikation mit den Fahrgästen. "Ich habe keine Englischkenntnisse, kann nur Deutsch und Türkisch", sagt sie.
Digitalisierung dauert
Die Taxi-Zentrale in Nürnberg setzt vor allem noch immer auf telefonische Vermittlung. Hier gehen an guten Tagen bis zu 10.000 Anrufe ein. Es gibt auch eine Taxi-App, über die man in Deutschland jedes Taxi buchen kann. Doch bis die am Markt war, "hat es ein kleines bisschen länger gedauert", gibt Roland Kerl zu, einer der Vorstände der Taxigenossenschaft Nürnberg.
Stadtrat will fairen Wettbewerb
Knapp 500 Taxis gibt es in Nürnberg, sie sind Teil des öffentlichen Nahverkehrs. Deshalb legt der Stadtrat die Tarife fest. Die Stadt hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, wie sie auf das Nebeneinander der verschiedenen Anbieter reagieren kann. Eine Option ist ein Mindestpreis, der "für faire Wettbewerbsbedingungen" sorgen soll, sagt Andreas Krieglstein, Vorsitzender der Rathaus-CSU.
Mit einer Anpassung des Tarifs könnten sich die Taxigenossenschaft und der Großkonzern BOLT anfreunden. Auch Taxifahrer Norbert Spitzer könnte mit einem Festpreis leben. "Wenn ich im Stau stehe oder eine Umleitung fahren muss, das ist dann mein Problem. Es wäre keine Bereicherung, aber es wäre ein fairer Wettbewerb."
Wie die Tarifstruktur künftig aussehen wird, muss noch ausgearbeitet werden. Wenn alles glattläuft, könnte das neue Festpreissystem im Frühsommer kommen.
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Quelle: BR24 vor Ort 20.12.2024 - 15:00 Uhr