Ein Kind spielt mit einer Erzieherin im Sandkasten einer Kita. (Quelle: dpa/Christoph Soeder)

Berlin Berliner Bildungsmisere: Kita-Mitarbeiter könnten erneut streiken - Eltern suchen neue Betreuung

Stand: 27.08.2024 08:09 Uhr

Das Kita-Personal in Berlin berichtet von großen Belastungen. In den vergangenen Monaten gab es mehrfach Streiks - und auch im September könnte es wieder dazu kommen. Die Kita-Schließungen machen aber auch den Eltern zu schaffen. Einige organisieren inzwischen um. Von K. Buchmann

Mehrere Tage und teils sogar Wochen musste Doreen Wawrzyn-Waldöstl ihren Sohn vor den Sommerferien zu Hause betreuen, weil die Kita geschlossen hatte. Deshalb hat sie ihn aus einer kommunalen Kita in Berlin-Friedrichshain abgemeldet. Denn beruflich habe sie kaum noch Termine wahrnehmen können, was frustrierend gewesen sei, sagt sie.
 
Einerseits war die Familie stark von den Streiks betroffen, wodurch sie das Kind zu Hause betreuen musste. "Auf der anderen Seite waren es die Krankmeldung. Für mich war die Reißleine, als ich am Mittwoch um 16 Uhr einen Anruf bekam, dass mein Kind Donnerstag und Freitag zu Hause bleiben muss." Ihr Mann sei auf Dienstreise gewesen, erzählt Wawrzyn-Waldöstl weiter "und ich hatte niemanden, der auf das Kind aufpassen konnte."
 
Hinzu kam, dass sich die Situation auch auf ihren Sohn ausgewirkt habe. "Mein Kind war tatsächlich ein sehr zufriedenes Kita-Kind." Die Schließungen durch Streiktage oder Krankheiten in der Kita sowie die Gruppenwechsel haben dazu geführt, dass er nicht mehr in die Tageseinrichtung gehen wollte. In der Konsequenz suchte die Mutter einen anderen Kita-Platz und bekam sofort eine Zusage. Auch Freunde und Bekannte der Familie hättten ihre Kinder umgemeldet, sagt Wawrzyn-Waldöstl.

Eine Kindertagesstätte mit spielenden Kindern und Spielzeug .(Quelle: dpa/Monika Skolimowska)
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Mehrere Hundert streikbezogene Kita-Abmeldungen

Drei der fünf Berliner Kita-Eigenbetriebe sprechen von rund 700 streikbezogenen Abmeldungen - auch wenn die Kündigungsgründe nicht systematisch erhoben werden. Die mangelnde Betreuungskontinuität sei neben anderen Ursachen - wie Wohnortwechsel oder Platz in einer Wunsch-Kita - aufgrund der unplanmäßigen Schließungen seit Juli vermehrt genannt worden, heißt es von Seiten der Kitas.

Die stellvertretende Kita-Leiterin und Gewerkschafterin Martina Breitmann findet es dennoch wichtig, für bessere Arbeitsbedingungen zu streiken. Ihr zentrales Anliegen: Eine Erzieherin sollte für weniger Kinder zuständig sein. Dabei gehe es ihr vor allem um die Bildung der Kinder. "Wir hören immer öfter, dass sie nicht gut vorbereitet sind auf die Schulen und dass sie dann den Schulalltag nicht schaffen", sagt Breitmann. Das könne die Kita aber nicht leisten. "Wir kriegen die Sprachförderung der nicht deutsch-herkunftssprachlichen Kinder nicht hin." Dafür wäre die Arbeit in Kleingruppen notwendig.

Ein Spielzeug steht im Familienzentrum "Menschenskinder" im Stadtteil Friedrichshain-Kreuzberg in einem Holzregal (Quelle: dpa/Sebastian Gollnow).
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Senat wirft Einrichtungen Verantwortungslosigkeit vor

Der Senat habe es in der Hand, die Auseinandersetzung zu beenden, kritisiert die Pädagogin. "Wir würden uns freuen, wenn die Verhandlung beginnt und wir gar nicht erst streiken müssen." Die Fronten scheinen allerdings momentan verhärtet.

Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) sprach von andauernden Streikaufrufen, die unverantwortlich seien. Ihr Parteikollege und Finanzsenator Stefan Evers wiederum hatte argumentiert: Berlin sei Mitglied der Tarifgemeinschaft der Länder. Diese lehne Verhandlungen zur Personalbemessung ab. Die Gewerkschaft Verdi bereitet inzwischen eine Urabstimmung im September für einen unbefristeten Streik vor.

Sendung: rbb24 Inforadio, 26.08.2024