Musiker Bryan Adams steht mit Gitarre vor einem Mikrofon (Quelle: dpa/Sebastian Christoph Gollnow).

Berlin Konzertkritik | Bryan Adams: Geburtstagsgrüße für Mum

Stand: 06.09.2024 11:28 Uhr

Weltstar Bryan Adams hat im Ifa-Sommergarten bei sensationeller Abendstimmung seine Mega-Hits performt. Silke Mehring hat das sehr genossen - bis ihr die Show zu perfekt wurde.

Er gilt als Gentleman, war noch nie skandalumwittert – und ist seit Jahrzehnten ein Superstar: Der Kanadier Bryan Adams. Zu seinen Welthits zählen Songs wie "Summer of 69", "Run to you", "Everything I do", "Cuts like a Knife" und viele mehr.
 
Am Donnerstagabend war der Sänger und Gitarrist bei schönstem Wetter im Ifa-Sommergarten zu Gast. Bei dem Konzert konnte man sich zurückversetzt fühlen in die 1980er Jahre: Als wären die letzten 40 Jahre gar nicht passiert.

Louis Tomlinson, ehemaliges Mitglied der britischen Band One Direction, bei einem Konzert auf dem Victorious Festival am 23.08.2024 in Portsmouth (Quelle: imago images / Mark Enfield/IPS/Shutterst).
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Publikum eingelullt in Erinnerungen

Auch sein Outfit passt zu diesem Flashback: weiße Jeans, weißes T-Shirt, umgeschnallte Gitarre vor der Brust. Und diese Stimme mit dem rauen Sandpapier in der Kehle – alles wie früher. Der Ifa-Sommergarten wird mit Bryan Adams zur Zeitkapsel, das Publikum eingelullt in seine Erinnerungen. Der Weltstar aus Kanada schießt ein wahres Hit-Feuerwerk in den warmen Sommerhimmel. Zwei Stunden liefert er volle Kanne Rock – direkt auf die Zwölf. "Ich habe so viele Songs, ich kann mich gar nicht an alle erinnern", scherzt er gleich zu Anfang seiner Show.
 
Es ist fast zu perfekt, wie alles passt: Sound, Kulisse, Wetter – die Pappelreihe weit hinter der Bühne wiegt sich wie die Silhouette Tanzender durch den luftigen Abendhimmel – irgendwie surreal. Ein riesiger weißer Ballon hüpft wie schwerelos über das Publikum in seiner Zeitkapsel.

Profis am Werk

Und der Herr über diese Kapsel ist ein perfekter, freundlicher, zeitloser Bryan Adams: Die kurzen Haare akkurat gescheitelt, alles an scheint ihm makellos, als würde er nicht mal schwitzen da vorne auf der Bühne. Sein Handwerk beherrscht er tadellos, das Zusammenspiel mit seiner Band klingt wie aus einem Guss. Gitarren- und Schlagzeugsoli sitzen. Da sind absolute Profis am Werk.
 
Aber wirkte Bryan Adams schon in den 80ern so glatt, so clean, seine Musik so durchgetaktet? Der hat doch damals den Herzschmerz rausgekitzelt bis die Tränen gekullert sind. Diese Songs haben doch mal wahlweise wehgetan oder glücklich gemacht. "So happy it hurts" steht auf dem großen Ball, der weiter fröhlich seine Kreise über dem Publikum zieht.

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Band unter dem Brennglas

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Geburtstags-Video für seine Mutter

Tatsächlich aber fühlt es sich eher an wie ein Konzert in der Komfortzone, nicht in der Kreischzone – weder in der glücklichen, noch in der traurigen. Die großen, wilden Emotionen hat die Zeitkapsel offenbar nicht mitgenommen. Vielleicht liegt das auch daran, dass der Sänger so wenig interagiert mit seinem Publikum. Außer "beautiful Berlin people" sagt er kaum etwas zwischen seinen Songs. Irgendwie ernüchternd. Als ob man nur noch seine eigenen Erinnerungen feiern kann.
 
Aber gerade als man sich fragt, ob man vielleicht einfach in die Jahre gekommen und dabei irgendwie abgestumpft ist, wird es doch noch ganz gefühlvoll und berührend: Bryan Adams macht ein Video für seine 96 Jahre alte Mutter mit dem ganzen Publikum, und alle sollen für sie rufen "Hello Jane". Endlich! Die Zeitkapsel hat sich geöffnet – wir leben und fühlen plötzlich auch im Heute wieder "Straight from the Heart"!

Sendung: rbb 88,8, 06.09.2024, 06:16 Uhr