Symbolbild:Ein wartender Fahrgast beim Gleis der U7 am U-Bahnhof Hermannplatz.(Quelle:picture alliance/Geisler-Fotopress/S.Gabsch)

Berlin Krise bei der U-Bahn: Zugausfälle und kein Ende?

Stand: 14.09.2024 12:25 Uhr

Schon seit Monaten fallen in Berlin immer wieder U-Bahnen aus. Um das zu verhindern, fahren die Züge auf einigen Linien jetzt seltener. Reicht das aus, um das Problem in den Griff zu kriegen? Von Klaas-Wilhelm Brandenburg

Freitagabend, 18:54 Uhr im U-Bahnhof Karl-Marx-Straße in Neukölln: Der Bahnsteig ist voll, denn eigentlich sollte gerade eine U-Bahn kommen. So steht es zumindest in der BVG-App. Doch das Gleis ist leer. Und das Display im Bahnhof verspricht die nächste U7 nach Rudow erst in acht Minuten. Was das bedeutet, weiß die 19-jährige Djellza schon: Mal wieder ist ein Zug ausgefallen. Und der nächste hat Verspätung.
 
"Es ist anstrengend", sagt Djellza. Sie war mit ihrer Zwillingsschwester und zwei Freundinnen gerade in der Karl-Marx-Straße shoppen, wie sie erzählt. Jetzt wollen sie eigentlich zurück nach Marzahn, dort wohnen sie. Aber auf den nächsten Zug freue sie sich nicht, denn der werde voll, erzählt Djellzas Zwillingsschwester Denisa: "Dann ist es stickig, alle fangen an zu schwitzen und kleben aneinander." Schon das letzte Mal, als sie mit der U-Bahn unterwegs gewesen seien, sei ein Zug ausgefallen - damals auf der U8, an der Jannowitzbrücke.

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Die Zuverlässigkeit sinkt seit Jahren

Seit Monaten bekommt die BVG das Problem mit den Zugausfällen nicht in den Griff. Im August lag die Zuverlässigkeit - der Wert gibt an, wie viele der geplanten Fahrten tatsächlich stattfinden – bei rund 93 Prozent, schreibt die BVG auf rbb|24-Anfrage.
 
Was zunächst nicht unbedingt dramatisch klingt, bedeutet aber: Bei der U-Bahn fiel im vergangenen Monat etwa jede fünfzehnte Fahrt aus. Hinzu kommt: Die Zuverlässigkeit sinkt seit Jahren. 2023 lag sie noch bei 97,5 Prozent, 2022 sogar bei 99,2 Prozent - damals ist also nicht einmal jede hundertste Fahrt ausgefallen.

Gründe für die Ausfälle gibt es viele: Die Fahrzeuge der BVG sind alt, manche haben schon 60 Jahre auf dem Buckel. Gleichzeitig wurden teils jahrzehntelang keine neuen Züge bestellt. Aktuell sind zwar welche in Arbeit, deren Serienlieferung verzögert sich aber. Und zu allem Überfluss gab es auf manchen Linien in letzter Zeit einen erhöhten Verschleiß bei den Rädern: Deshalb stehen Fahrzeuge länger in den Werkstätten als früher und können währenddessen keine Fahrgäste transportieren.

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Züge fahren seltener - und fallen trotzdem immer wieder aus

Aus diesen Gründen lässt die BVG Züge auf einigen Linien jetzt seltener fahren. Die U2 kommt zum Beispiel zu Schulzeiten nur alle viereinhalb Minuten statt alle vier, die U4 fährt alle sechs bis sieben Minuten, und die U9 kommt schon seit dem 2. September zur Hauptverkehrszeit nur noch alle fünf statt alle vier Minuten. Dadurch sollen die Bahnen "wieder verlässlicher und planbarer" werden, versprach die BVG Ende August in einer Pressemitteilung [bvg.de]. Das Problem ist nur: Es fallen trotzdem weiter Züge aus.
 
Reichen die Maßnahmen der BVG also aus? Müssten nicht auch auf weiteren Linien die Züge seltener kommen, damit die U-Bahn als Ganzes wieder "verlässlicher und planbarer" wird? Die BVG gibt auf diese Frage keine Antwort. Das Unternehmen schreibt lediglich, es sei für eine Bewertung der Fahrplananpassungen noch zu früh. "Wir konnten allerdings feststellen, dass der Betriebsablauf schon verlässlicher läuft", sagt der Sprecher Nils Kremmin. Was das konkret heißt, lässt er offen.
 
BVG-Chef Henrik Falk nannte am Freitagabend in der rbb24 Abendschau als Beispiel die U3 und U1, die auf einem (Groß-)Teil ihrer Strecke dieselben Stationen abfahren. Wenn die U3 stabil sei, mache es Sinn, sich in diesem Bereich auf sie zu fokussieren, sollte es wegen Stellwerken oder personellen Engpässen beispielsweise zu Problemen kommen. "Wir haben auf den Linien, auf die es ankommt inzwischen eine Stabilität, die wir uns wünschen", sagte Falk.

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Für Christian Linow vom Berliner Fahrgastverband IGEB gibt es nicht die eine Lösung gegen die Zugausfälle, sondern eine Kombination aus mehreren, wie er sagt: So müssten die Schichten der U-Bahn-Fahrenden so gestaltet werden, dass sie keine zu großen Leerläufe hätten, ohne das Personal dabei zu überfordern. Außerdem müssten die Werkstätten besser ausgestattet werden, generell brauche die BVG mehr Geld.
 
Die Züge seltener kommen zu lassen, ist aus Linows Sicht vor allem in der Hauptverkehrszeit keine gute Idee: "Da sind Fahrzeuge schon heute oft überfüllt", sagt er. Und wenn doch kein Weg daran vorbeiführe, dass Züge seltener fahren, fordert er als Ausgleich neue Angebote wie Express-Busse, die die U-Bahn-Linien entlasten: "Denn bei Bussen kann man private Anbieter mit ins Boot holen - die haben Personal und Fahrzeuge, die der BVG fehlen."

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Online tauchen viele Zugausfälle gar nicht erst auf

Doch nicht nur die ausgefallenen Bahnen selbst sind ein Problem, sondern auch, dass die Fahrgäste davon oft erst am Gleis erfahren: Denn sowohl die BVG-Website als auch die BVG-Fahrinfo-App zeigen Züge die ausfallen, so an, als würden sie pünktlich abfahren. "Da bin ich wirklich sauer", sagt Christian Linow. Wenn dagegen Fahrten der S-Bahn, der DB, der ODEG oder anderer Zugbetreiber in Berlin und Brandenburg ausfallen, wird das schon seit Jahren online gekennzeichnet. Die BVG informiere ihre Fahrgäste viel zu schlecht, sagt Linow. Das müsse sich endlich ändern.
 
Warum auf der BVG-Website und in der App nicht angezeigt wird, wenn eine U-Bahn ausfällt, beantwortet die BVG auch auf mehrfache rbb|24-Nachfrage nicht. Der Sprecher Nils Kremmin versichert lediglich: "Die Echtzeit-Information über eine ausfallende Fahrt wird demnächst in unserer Fahrinfo-App und auf unserer Website angezeigt."

BVG-Chef: "Freut uns alle nicht"

Bis Besserung in Sicht ist, wird es also noch dauern - auch bei den Zugausfällen. BVG-Chef Falk bat in der rbb24 Abendschau am Freitagabend um Verständnis. "Die Kollegen versuchen, das Beste aus dem Material und dem, was wir haben, herauszuholen", sagte er. Die neuen Fahrzeuge seien entscheidend. Dass man auf die zum Großteil noch warte, "freut uns alle nicht", so Falk.

"Die Ausschreibung ist gelaufen. Die Zuschläge sind erteilt. Die Fahrzeuge sind zum Teil
auch produziert", sagte Falk weiter. "Wir haben die ersten Typen ja auch schon vorgestellt. Es gibt aber noch keinen verbindlichen Lieferplan." Er rechne aber damit, dass der noch in diesem Jahr vorliegen werde.
 
Was nichts anderes heißt, als dass Fahrgäste weiter Geduld brauchen; in den Bahnhöfen, mit der App und der BVG. Bis dahin hilft nur Warten - aber das kennen die Berliner ja ohnehin schon von ihrer U-Bahn.

Sendung: rbb24 Abendschau, 13.09.2024, 19:30 Uhr