Dong Xuan Center, Herzbergstrasse, Lichtenberg, Berlin, Deutschland(Quelle: picture alliance/Bildagentur-online/Joko)

Berlin "Sống ở Berlin" im Dong Xuan Center: "Das Thema Viet-Popkultur wurde noch nie so in ein Festival gepackt"

Stand: 25.07.2024 15:25 Uhr

Das "Dong Xuan Center", ein riesiger asiatischer Großmarkt in Lichtenberg, wird 20 Jahre alt und feiert das in diesem Jahr mit einem Festival der "vietdeutschen Kultur", wie es Veranstalter Björn Döring nennt. Was er damit meint, verrät er im Interview.

rbb|24: Herr Döring, das Festival hat den Namen "Sống ở Berlin" - was bedeutet er und wie sind Sie darauf gekommen?

Björn Döring: Ich habe sehr, sehr lange gebraucht, es richtig auszusprechen, obwohl es ja eigentlich einfach ist, diesen einen Vokal rauszubringen: leicht nasal, aber dann eben auch irgendwie so ein bisschen verloren und stimmlos. "Sống ở Berlin" das heißt: Leben in Berlin. Es geht um vietdeutsche Kultur, vor allem um Popkultur. Wir wollten irgendetwas finden, das sich auch ohne jegliche vietnamesische Sprachkenntnis lesen lässt und Assoziationen weckt. Denn: Man könnte ebenso denken, es heißt "Song in Berlin". Hintersinn - das wollten wir.

Das "Dong Xuan Center" als Großmarkt zu beschreiben, ist ja fast untertrieben. Es ist ein Riesenmarkt. Wenn die Zahlen noch stimmen, sind da 400 überwiegend vietnamesische Unternehmer mit ihren 2.000 Mitarbeitern zu finden auf einem Areal von 165.000 Quadratmetern.
 
Tatsächlich. Und auch die größte Ansammlung von Plastikdingen, die man so kaufen kann, die glitzern, blinken.

Wir wollen zunächst ein bisschen die Geschichte von diesem Center beleuchten. Da gab es in den 90ern Partys, so wie die "Winter Mayday", die eben nicht am Mayday vom 30. auf den 1. Mai stattgefunden hat, sondern eben auch mal im Dezember.

Ja, und das alles fand statt im damaligen Kreiskulturhaus Wilhelm Pieck des VEB Elektrokohle. Davor waren dort Jugendweihen gefeiert worden oder etwa kleinere Parteitage der SED Lichtenberg - also in den 70ern, 80ern. Dann kamen die 90er. Von der Zwischenzeit handelt ein Dokumentarfilm über das Konzert der Einstürzenden Neubauten am 21. Dezember 1989 just in jenem Kulturhaus.

Ein sehr guter Freund von mir hatte mir erzählt, dass er damals in einem Kreiskulturhaus gearbeitet hat und die erste Ost-Berliner Show der Neubauten begleitet hat. Und dann hat es jetzt nochmal zehn Jahre gedauert, bis wir festgestellt haben: Das war dort, es war dieses Konzert der Neubauten, das er dort gesehen hat. Mit diesem Dokumentarfilm wollen wir die Geschichte des Ortes ein bisschen kontextualisieren.

Eben genau dieses große Gebäude, in dem auch diese wilden Partys stattgefunden haben, ist das "Don Xuan Haus", das Kulturzentrum, oder?
 
Genau, das Eventhaus. Das ist irgendwann mal abgebrannt, mehr oder weniger. Mit einer ganz großen Leistung der Geschäftsführung des "Don Xuan Centers" ist es aus eigener Kraft und mit viel Energie, viel Geld und ganz viel Zeit wiederhergestellt worden. Nun ist es nicht mehr nur ein vietnamesischer Handelsplatz, auch nicht nur ein asiatischer Handelsplatz, sondern da sind Menschen aus der ganzen Welt, die dort ihre Großhandelsgeschäfte betreiben. Vietnamesinnen und Vietnamesen aus ganz Deutschland kommen etwa am Wochenende dorthin, um eben die Waren einzukaufen, die ihren Alltag in Vietnam noch ausgemacht haben. Es ist längst auch ein Kulturplatz.

Stimmt es, dass es dort die besten frischen Mangos gibt?

Mangos? Da bin ich wahrscheinlich dran vorbeigelaufen. Was ich dort kaufe, das ist vietnamesischer Kaffee. Und der ist extrem empfehlenswert: Du machst gesüßte Kondensmilch in die Tasse. Dann hast du so einen kleinen Filter, tust den Kaffee rein, dann läuft das Wasser durch auf die Kondensmilch und dann trinkst du es. Entweder warm oder kalt.

Aber nun zum Festival. Was macht es aus?
 
Wir tun uns ein bisschen schwer damit, denn wir wollen keine neue Schublade aufmachen oder eine zusätzliche Schublade, wo wir sagen, das ist jetzt Vietdeutsch, und da packen wir alles rein und gut ist. In erster Linie ist es für uns ein Popkulturfestival.
 
Die Menschen, die da auf den Bühnen stehen, eint tatsächlich diese Herkunft oder die Herkunft ihrer Eltern. Aber ansonsten sind das natürlich total unterschiedliche Ausdrucksformen, allein schon, was die Genres anbetrifft. Wir haben vier Tage Comedy, wir haben Popmusik, wir haben Hip-Hop, wir haben elektronische Musik, wir haben Artistik, Performing Arts, wir haben Kino etc. Eine Ausstellung machen wir natürlich auch noch zu diesem Gelände. Und wir haben noch eine zweite Ausstellung zur Geschichte der Vertragsarbeitenden aus Vietnam, die in der DDR dann gearbeitet haben.

Also das sind ganz unterschiedliche Geschichten auch. Wir haben die wunderbare Vanessa Wu, die den "Rise and Shine Podcast" mal gemacht hat. Sie ist Zeit-Redakteurin, hat gerade ein eigenes Buch rausgebracht mit ihrem Mann und wird zwei Veranstaltungen moderieren. Und mit all diesen Künstlerinnen und Künstlern haben wir uns intensiv ausgetauscht. Und: Festival-Food ist natürlich auch ganz wichtig.

Mit unserem Festival-Ticket kann man jederzeit rein und raus vom Festival-Gelände, kann in die Hallen gehen, kann aber auch in eins der vielen Restaurants auf dem Gelände gehen und eben auch wirklich authentisch vietnamesisch essen. Also das war für uns ganz wichtig, dass wir da eben auch ein Lebensgefühl transportieren.

Wie hat sich dieses Programm ergeben?

Wir haben letztes Jahr einen kleinen Testballon starten dürfen im Rahmen des Kultursommerfestivals und haben einen Abend dort gemacht mit drei Bands, unter anderem mit Saigon Soul Revival, die dieses Jahr auch wieder spielen werden. Das lief fantastisch, kam wunderbar an. Es waren über 3.000 Menschen da. Es war eine wunderbare Stimmung. Und es war tatsächlich etwas, wo wir auch gemerkt haben: Da dreht sich was.

Wichtig ist hier nun die junge Generation, also diejenigen, die in Deutschland geboren, aufgewachsen sind, aber vietnamesische Vorfahren haben und dementsprechend das Tollste von zwei Kulturen mitbekommen. Damit einher geht das Thema Identitätsfindung - und auch Ausgrenzung und damit möglicherweise auch ein Gefühl von "Ich gehöre erstmal nicht dazu". Dadurch entsteht Frust, Trauer, Wut. Und daraus entsteht dann Kunst. Wir haben also gesagt, wir wollen tatsächlich die jüngere Generation auf die Bühne bringen, damit die ihren Eltern, aber auch natürlich einem interessierten Publikum zeigen, was jetzt gerade geht.

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Ist dieses Festival wirklich das erste und einzige Festival vietdeutscher Popkultur?

Das behaupten wir frech. Ich weiß, dass es vor zehn Jahren - oder noch länger her - ein Festival im Haus der Kulturen der Welt gab. Aber ich glaube, das ist schon tatsächlich ganz, ganz lang her. Aber das Thema Viet-Popkultur in dem Sinn ist, glaube ich, so in der Bandbreite noch nicht in einem Festival zusammengepackt worden. Und da dachten wir natürlich, der Ort ist perfekt dafür. Es ist eben auch quasi noch ein frischer Ort. Man hat eine tolle Infrastruktur. Dieses Veranstaltungshaus ist wunderbar.

"Dong Xuan" - das habe ich nachgeschaut, ist vietnamesisch und heißt so viel wie "Frühlingswiese".
 
Das hat sich das Center übrigens nicht einfach so ausgedacht, sondern es ist benannt nach dem gleichnamigen Markt in Hanoi. Und das wiederum ist der älteste und größte Markt der vietnamesischen Hauptstadt - und das haben wir nun in Berlin für alle zum Erleben.
 
Danke für das Gespräch!

Das Interview führte Silke Super auf Radioeins.
 
Es handelt sich um eine redigierte und gekürzte Fassung. Das ganze Gespräch können Sie mit Klick auf den Playbutton im Artikelbild hören.

Sendung: Radioeins, 22.07.2024, 20.05 Uhr