Jan Redmann (l), Landesvorsitzender der CDU in Brandenburg und Spitzenkandidat und Dietmar Woidke, Ministerpräsident und Vorsitzender der SPD in Brandenburg, verlassen ein TV-Studio am 22.09.2024.(Quelle: picture alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka)

Nach Landtagswahl Brandenburg steht vor schwieriger Regierungsbildung

Stand: 23.09.2024 13:37 Uhr

Mit knappem Vorsprung hat die SPD von Ministerpräsident Woidke die Wahl in Brandenburg gewonnen. Nun stehen schwierige Koalitionsgespräche an: Die Positionen der möglichen Partner CDU und BSW liegen teilweise sehr weit auseinander.

  • CDU, Grüne, Linke, BSW und BVB/Freie Wähler kritisieren Woidkes Polarisierungsstrategie
  • Diese habe den Landtag in eine schwierige Lage gebracht
  • CDU sieht keinen Sinn in Sondierungsgesprächen mit der SPD
  • AfD-Kandidat Berndt fordert Woidkes Rücktritt

Die Brandenburger Parteien im Landtag haben am Montagmittag auf die Ergebnisse der Landtagswahl geblickt und erste Analysergebnisse vorgestellt. Dabei haben sowohl CDU als auch Grüne, Linke, BSW und BVB/Freie Wähler die Strategie des SPD-Ministerpräsidenten Dietmar Woidke kritisiert. Woidke hatte seinen Rücktritt angekündigt, sollte die AfD stärker als seine Partei werden.
 
Gordon Hoffmann, CDU-Generalsekretär in Brandenburg, sprach von einem "bitteren Tag" für seine Partei. Die Polarisierung zwischen Woidke und AfD habe dazu geführt, "dass nicht nur die SPD, sondern auch die AfD ausmobilisiert wurde, alle Parteien in der politischen Mitte mussten Stimmen abgegeben zugunsten der SPD." Hofmann reagierte zudem zurückhaltend auf das Sondierungsangebot der SPD: "Ich weiß nicht, was wir in den Sondierungsgesprächen überhaupt besprechen sollen, denn für SPD und CDU gibt es ja keine Mehrheit. Die SPD muss mit dem BSW sondieren", so Hofmann.
 
Das BSW zeigte sich offen für solche Gespräche, sprach aber gleichzeitig von einem Woidke-"Erfolg mit Schattenseiten, weil die Strategie der SPD dazu geführt hat, dass die AfD profitierte", sagte Stefan Roth aus dem BSW-Landesvorstand in der Landespressekonferenz in Potsdam. Eine solche Polarisierung könne nicht das Rezept für die Zukunft in Brandenburg sein.

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Grüne: "Der Preis war viel zu hoch"

Auch die Vertreter der Parteien, die dem künftigen Brandenburger Landtag nicht mehr angehören werden, machen vor allem die Strategie der SPD verantwortlich für ihr schwaches Abschneiden. Benjamin Raschke (Grüne) sagte in der Landespressekonferenz: "Bei uns herrscht Ernüchterung und Entschlossenheit. Wir werden eine starke außerparlamentarische Opposition sein. Die SPD-Strategie ist aufgegangen, es bleibt die Frage: war es das wert? Der Preis war viel zu hoch."

Matthias Stefke (BVB/Freie Wähler) sprach von einem "Woidke-Tsunami", der alle kleinen Parteien "aus dem Landtag gespült" habe. "Wir haben uns nichts vorzuwerfen. Wir werden die weitere Entwicklung beobachten und sind hinsichtlich der Regierungsbildung ein Stück weit besorgt. Die SPD hat alle anderen möglichen Koalitionspartner weggefegt. Wir schließen auch nicht aus, dass es Neuwahlen geben könnte", so Stefke.

Hängende Köpfe auch bei den Linken, die erstmals seit 1990 nicht mehr dem Landtag in Potsdam angehören: "Wir haben uns immer für soziale Gerechtigkeit eingesetzt, diese Politik wird jetzt nicht mehr im Mittelpunkt stehen", betonte Landeschefin Katharina Slanina. Dass im künftigen Landtag nur noch 26 Frauen sitzen - und 62 Männer- zeige, "dass dies kein fortschrittlicher Landtag wird, sondern die Rückschritte werden immer größer. Wir sehen die Demokratie in höchster Gefahr."

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Berndt: Woidke müsste eigentlich zurücktreten

Zum Auftakt der Landespressekonferenz hatte SPD-Generalsekretär David Kolesnik angekündigt, dass seine Partei "entschieden Hass, Hetze und Lügen der AfD entgegentreten und die Zivilgesellschaft stärken" werde. Am Montagabend tage der Landesvorstand, und ihm werde man Sondierungen mit CDU und BSW empfehlen. "Wir gehen davon aus, dass noch in dieser Woche erste Gespräche geführt werden", so Kolesnik.
 
Nach ihm sprach AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt: “Wir haben ein nahezu vollkommenes Wahlergebnis und beinahe besser abgeschnitten, als ich erwartet habe." Scharfe Kritik übte er an der CDU, die sich zu einer "Kartellpartei" degradieren lasse, zu einem "Wurmfortsatz der nationalen Front". An Woidke gerichtet sagte Berndt, er müsse eigentlich zurücktreten, weil er in seinem Wahlkreis gegen den AfD-Kandidaten verloren hatte. Im Wahlkreis Spree-Neiße I unterlag Woidke dem AfD-Direktkandidaten Steffen Kubitzki nur um sieben Stimmen.
 
Auf die Frage zur sogenannten Sperrminorität bei bestimmten Entscheidungen des Landtags durch mehr als ein Drittel der Abgeordneten sagte Berndt: "Geplant ist erst mal gar nichts. Das kann man nur im Einzelfall konkret beantworten. In der alltäglichen Arbeit sind wir sehr flexibel."

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Rekord-Wahlbeteiligung in Brandenburg

Am späten Sonntagabend war das vorläufige amtliche Endergebnis der Brandenburger Landtagswahlen verkündet worden. Demnach ist die SPD mit 30,9 Prozent der Stimmen stärkste Kraft. Dahinter folgt die AfD mit 29,2 Prozent. Die CDU rutschte auf 12,1 Prozent ab und landete hinter dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das auf Anhieb 13,5 Prozent erreichte. Grüne, Linke und BVB/Freie Wähler verloren teils deutlich und liegen unter der Fünf-Prozent-Hürde: die Grünen mit 4,1 Prozent, die Linken mit 3,0 und BVB/Freie Wähler mit 2,6 Prozent.

Da weder Grüne, noch Linke und BVB/Freie Wähler Direktmandate erringen konnten, ziehen sie nicht erneut in den Landtag ein. Mit knapp 73 Prozent war die Wahlbeteiligung so hoch wie noch nie in Brandenburg.

Woidke kommt am BSW wohl nicht vorbei

Im neuen Landtag hätte ein Bündnis aus SPD und BSW eine knappe Mehrheit, möglich wäre auch eine Dreier-Koalition mit der CDU. Die AfD hat mit 30 Sitzen eine Sperrminorität. Damit kann sie Entscheidungen blockieren, bei denen eine Zweidrittelmehrheit nötig ist, zum Beispiel die Wahl von Verfassungsrichtern.
 
Ministerpräsident Woidke hat bereits angekündigt, zunächst mit der CDU Gespräche über eine Zusammenarbeit führen zu wollen. Allerdings wäre Rot-Schwarz eine Minderheitsregierung, da beide Fraktionen im Landtag zusammen genauso viele Sitze haben wie AfD und BSW und damit keine absolute Mehrheit. Die Positionen von CDU und BSW liegen in vielen Punkten denkbar weit auseinander. Brandenburg steht also vor einer schwierigen Regierungsbildung.

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Scholz ist erleichtert - Chrupalla reagiert enttäuscht

Bei den Sozialdemokraten herrscht derweil Erleichterung: SPD-Co-Chef Lars Klingbeil sieht das Wahlergebnis als Botschaft auch für die Gesamtpartei, wie er sagte. "Wir wissen, dass die Bundesebene keinen Rückenwind gegeben hat", sagte er bei Phoenix. Fragen nach der Bedeutung der Wahl für Kanzler Olaf Scholz wich Klingbeil aus.
 
Scholz selbst zeigte sich am Rande seines Besuchs bei den Vereinten Nationen in New York erfreut über das Wahlergebnis in Brandenburg. "Ein tolles Ergebnis, sehr toll für die SPD, auch für uns alle", sagte der SPD-Politiker in einem Video, das der Journalist Gordon Repinski von "Politico" auf der Plattform X verbreitete.
 
Der AfD-Co-Vorsitzende Tino Chrupalla zeigte sich enttäuscht über den zweiten Platz in Brandenburg. "Wir wollten Dietmar Woidke in die Rente schicken", sagte Chrupalla im ZDF. AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt, der vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird, sagte indes: "Die Zukunft ist blau - im Osten und überall", sagte er.

Wahlplakate von SPD, AfD, Die Grünen, FDP, CDU, Die Linke und BVB zwischen Bäumen auf der Hegelallee in Potsdam, aufgenommen am 28.08.2024. (Quelle: dpa/Ben Kriemann)
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Redmann will zumindest vorerst nicht zurücktreten

BSW-Co-Chefin Amira Mohamed Ali sprach von einem tollen Erfolg für ihre Partei. Die Friedenspolitik sei ein wichtiges Thema für das BSW gewesen. Eine Regierungsbeteiligung im Landtag sei von echter Veränderung abhängig. Es werde nicht einfach so eine Regierungsbeteiligung für ein paar Posten geben.
 
Der Generalsekretär der Bundes-CDU, Carsten Linnemann, sprach von einer "bitteren Niederlage". Woidke habe mit seiner Rücktrittsdrohung alles auf eine Karte gesetzt - und gewonnen. "So sieht Glaubwürdigkeit aus."
 
CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann will nach der Wahlschlappe zumindest vorerst nicht vom Landesvorsitz zurücktreten. "Das wäre das ganz falsche Signal", sagte er. Er sei der Landesvorsitzende der CDU und könne sagen, dass diese einige Aufgaben vor sich habe, sagte Redmann am Montag im rbb24 Inforadio. "Diese Aufgaben muss ich auch übernehmen." Er werde sich vor der Verantwortung nicht drücken.

Linke-Spitzenkandidat Sebastian Walter im ARD-Wahlstudio am 22.09.2024.  (Quelle: dpa/dts Nachrichtenagentur)
Zerschreddert

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FDP-Politiker fordert Ende der Ampel-Koalition

Erneut nicht in den Landtag eingezogen ist die FDP. Sie landete bei 0,8 Prozent bei den Zweitstimmen nach 4 Prozent bei den vorherigen Landtagswahlen 2019. Als Konsequenz forderte der bayerische Landes-Parteichef Martin Hagen den Ausstieg der Liberalen aus der Ampel-Koalition im Bund. "Wenn man merkt, dass es nicht mehr geht, dann muss man auch irgendwann bereit sein, den Stecker zu ziehen", sagte Hagen der "Augsburger Allgemeinen" vom Montag. "Wir müssen im Bundesvorstand Tacheles reden", sagte Hagen mit Blick auf die Sitzung am Montag.
 
Bereits in Sachsen und Thüringen verfehlte die FDP die fünf Prozent deutlich. Auch bei der Landtagswahl in Bayern vor einem Jahr hatte die FDP mit Spitzenkandidat Hagen Verluste hinnehmen müssen und scheiterte mit einem Ergebnis von drei Prozent am Wiedereinzug in den Landtag.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 23. September 2024 um 09:05 Uhr.