Ursula Nonnemacher

Streit um Krankenhausreform Brandenburger Ministerin im Bundesrat entlassen

Stand: 24.11.2024 14:49 Uhr

Brandenburgs Ministerpräsident Woidke hat seine Gesundheitsministerin Nonnemacher entlassen. Grund ist der Streit um die Krankenhausreform. Sie bekam ihre Entlassungsurkunde vor der entscheidenden Bundesratssitzung.

  • Brandenburger Gesundheitsministerin Nonnemacher verliert ihren Job
  • Woidke wollte bei Abstimmung im Bundesrat über die Krankenhausreform die Anrufung des Vermittlungsausschusses erreichen - Nonnemacher wollte sich bei Abstimmung darüber enthalten
  • Leiterin der Staatskanzlei, Schneider, soll vorerst Gesundheitsministerium leiten
  • Bundesrat hat Vorlage passieren lassen

Vor der entscheidenden Abstimmung im Bundesrat über die umstrittene Krankenhausreform hat Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) seine Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) von ihren Amtsgeschäften entbunden. Das teilte die Staatskanzlei am Freitagvormittag mit.
 
Grund für die Entlassung war laut Woidke, dass er im Bundesrat eine Anrufung des Vermittlungsausschusses für die Krankenhausreform erreichen wollte und Nonnemacher diese Haltung nicht mitgetragen habe.

Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, und Ursula Nonnemacher (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz (Bild: picture alliance/dpa | Soeren Stache)
Woidke wird für Nonnemacher-Entlassung heftig kritisiert
Im Streit um die Krankenhausreform hat der Brandenburger Ministerpräsident Woidke seine Gesundheitsministerin entlassen. Von den anderen Parteien erntet er dafür viel Kritik - am deutlichsten von den Grünen.mehr

Das Gesundheitsministerium in Brandenburg soll jetzt bis auf Weiteres die bisherige Leiterin der Staatskanzlei, Kathrin Schneider (SPD), übernehmen.

Woidke: Klares Votum wäre konterkariert worden

Nonnemacher hatte vor einem vorläufigen Aus der Krankenhausreform im Bundesrat gewarnt und angekündigt, sich bei der Abstimmung über die Annrufung eines Vermittlungsausschusses für Brandenburg zu enthalten. Damit wäre die Stimme des Bundeslandes nicht gezählt worden.
 
Nonnemacher sagte nach ihrer Entlassung, sie habe ihre Position in der Koalitionsrunde vor der Bundesratssitzung vertreten. Woidke habe ihr daraufhin angedroht, sie noch vor der Sitzung des Bundesrats zu entlassen. Am Rande des Bundesrats habe er ihr schließlich Nonnemachers Schilderung zufolge auf dem Flur das Entlassungsdokument übergeben.
 
Im Fernsehsender Phoenix begründete Woidke am Freitag seinen Schritt: "Ich kann als Ministerpräsident, auch für das öffentliche Bild des Landes Brandenburg, nicht zulassen, dass ein klares Votum, das wir auch im Land haben, eine klare Meinung, hier im Bundesrat konterkariert wird durch eine Ministerin, die mit der Wahrnehmung von Aufgaben von mir beauftragt ist."
 
Nonnemacher bezeichnete den Vorgang ihrer Entlassung als bundesweit einmalig. "Ich bedauere diesen Tiefpunkt der politischen Kultur", sagte Nonnemacher im Gesundheitsministerium in Potsdam. Dass Ministerpräsident Woidke sie entlassen habe, noch bevor sie ihre geplante Rede im Bundesrat halten konnte, sei auch für sie überraschend gekommen, sagte die Grüne.

Archivbild: 11.12.2023, Brandenburg, Potsdam: Axel Vogel, Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz von Brandenburg am 11.12.2023.(Quelle: dpa/Michael Bahlo)
Umweltminister Vogel tritt zurück - Reaktion auf Nonnemacher-Rauswurf
Überraschend wird Gesundheitsministerin Nonnemacher vom Brandenburger Ministerpräsidenten entlassen. Ihr grüner Parteikollege, Umweltminister Axel Vogel, kritisiert den Schritt scharf - und zieht sich aus der Landesregierung zurück.mehr

Nonnemacher: Viel Wichtiges in das Gesetz reinverhandelt

Die Länderkammer hatte Freitag zu entscheiden, ob sie das noch von der Ampel-Koalition im Bundestag beschlossene Gesetz passieren lässt - oder ob sie es in den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Parlament schickt und die Umsetzung vorerst stoppt. Am Ende passierte die Vorlage die Länderkammer.
 
Nonnemacher verteidigte ihre Position, die Krankenhausreform nicht in den Vermittlungsausschuss zu verweisen. Dieser Schritt hätte ihrer Ansicht nach bedeutet, dass das Gesetz komplett gekippt worden wäre, sagte sie am Abend im rbb-Fernsehen. Das sei aber nicht im Interesse Brandenburgs, so Nonnemacher, denn es seien viele wichtige Dinge, gerade für den ländlichen Raum, noch in das Gesetz reinverhandelt worden.
 
Sie kritisierte grundsätzlich die Absicht mancher Bundesländer, das Gesetz zur Krankenhausreform noch einmal in den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zu bringen. "Viele haben sich erhofft, sie könnten noch mehr Geld rausverhandeln. Die vier bis fünf Milliarden zur Übergangsfinanzierung, wo sollen die denn herkommen?"

Symbolbild: Eine Krankenpflegerin schiebt ein Krankenbett durch einen Krankenhausflur am 20.01.2020. (Quelle: dpa/Marijan Murat)
Bundesrat macht Weg für Krankenhausreform frei
Die Krankenhausreform kommt. Das umstrittenen Vorhaben war noch von der Ampel-Koalition im Bundestag beschlossen worden. Nun hat auch der Bundesrat mehrheitlich dafür gestimmt.mehr

Woidke war für Vermittlungsausschuss

Das Reformgesetz von Bundesgesundheitsminister Lauterbach sieht vor, dass sich Kliniken stärker spezialisieren. Kleinere Standorte sollen weniger Leistungen anbieten und sich auf jene Eingriffe beschränken, die sie gut beherrschen. Vor allem in ländlichen Regionen wurden deswegen Krankenhausschließungen befürchtet.
 
Nonnemacher hatte noch am Mittwoch bei einem Treffen mit Woidke und Innenminister Michael Stübgen (CDU) dafür geworben, das Gesetz in seiner jetzigen Form anzunehmen. Sie verwies dabei unter anderem auf im Bundestag erreichte Verbesserungen für 28 sogenannte Sicherstellungskrankenhäuser in Brandenburg. Diese sichern die Grundversorgung ab.
 
Regierungssprecher Engels betonte, die Krankenhauskonferenz in der Staatskanzlei habe gezeigt, dass die große Mehrheit der Praktiker und der Kommunen "klar und sehr fundiert" für die Anrufung des Vermittlungsausschusses in der Bundesratssitzung am Freitag plädiert habe. Diese Position vertrete auch Woidke.

Art der Entlassung wird heftig kritisiert - Vogel kündigt Rückzug an

Von den anderen Parteien wurde die Entlassung Nonnemachers heftig kritisiert. Diese sei nicht nur inhaltlich falsch, teilten die Grünen mit. Sie sei auch "ein Affront gegen all jene, die sich eine verlässliche Gesundheitsversorgung in Brandenburg wünschen," so die Landesparteivorsitzender Alexandra Pichl.
 
Nonnemachers Parteikollege, Umweltminister Axel Vogel, kündigte am Nachmittag seinen Rückzug an. Die Entlassung seiner Parteikollegin markiere einen Tiefpunkt. "Vor diesem Hintergrund ist keine Zusammenarbeit mehr möglich", so Vogel.

 
CDU-Landeschef Jan Redmann sprach auf X von einer öffentlichen Demütigung Nonnemachers. So gehe man menschlich nicht miteinander um, kritisierte er. Auch die AfD äußerte sich kritisch: "Er hätte Nonnemacher schon gestern entlassen können, aber offensichtlich ging es um einen Show-Effekt im Wahlkampf", teilte Fraktionschef Hans-Christoph Berndt.

Verhältnis gilt schon länger als angespannt

Das Verhältnis zwischen Woidke und Nonnemacher galt schon länger als angespannt. In der Corona-Krise verlagerte er die Zuständigkeit für das Impfen zwischenzeitlich von ihrem Ministerium zum Innenressort. Im März enthielt sich der Ministerpräsident im Bundesrat bei der Entscheidung über eine Teil-Legalisierung von Cannabis nicht wie in Streitfällen der Koalition, sondern setzte sich für ein Nachschärfen der Gesetzespläne ein und rief den Vermittlungsausschuss an. Nonnemacher spricht im Rückblick von "Vertrauensbruch".
 
Nonnemacher war seit 2019 Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg. Zuvor war die studierte Medizinerin zehn Jahre lang Abgeordnete im Landtag.
 
Nach der Abwahl der Kenia-Koalition bei der Landtagswahl im September war Nonnemacher zuletzt geschäftsführend im Amt. Die SPD verhandelt derzeit mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) über eine neue Koalition in Brandenburg. Dabei haben sich beide Parteien bereits darauf geeinigt, alle Krankenhausstandorte in Brandenburg erhalten zu wollen.
 
BSW-Fraktionschef Robert Crumbach sagte hinsichtlich der Krankenhausreform, man habe sich sehr gewünscht, über den Vermittlungsausschuss noch Verbesserungen erreichen zu können. Die Situation müsse jetzt neu bewertet werden.
 
Sendung: rbb24 , 22.11.2024, 13:00 Uhr

Korrektur: Anders als zunächst berichtet wollte Gesundheitsministerin Nonnemacher nicht gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses stimmen, sondern sich bei der Abstimmung enthalten.
 
 
 
Die Kommentarfunktion wurde am 22.11.2024 um 22:19 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 22. November 2024 um 11:00 Uhr.