Landtagswahl in Brandenburg Aufholjagd mit offenem Ende
Kurz vor der Landtagswahl legt die Brandenburger SPD in Umfragen weiter zu. Zu verdanken ist das Dietmar Woidke. Plötzlich scheint eine lange unrealistische Koalition möglich. Doch auf wessen Kosten läuft die Aufholjagd? Von Oliver Noffke.
Die SPD legt weiter zu, die AfD bleibt stabil und damit knapp stärkste Kraft. Bündnis 90/Die Grünen verlieren leicht. Dass BVB/Freie Wähler den Einzug in den Landtag über die Zweitstimmen schaffen, wird wieder wahrscheinlicher.
Auf den ersten Blick hat sich die politische Stimmung in Brandenburg im Vergleich zur vergangenen Woche nur leicht verschoben. Wie die Sitzverteilung im nächsten Landtag aussehen wird, ist weiterhin mit einer Reihe von Unsicherheiten verbunden.
Und dennoch: Plötzlich scheinen sogar Regierungsoptionen möglich, die lange undenkbar waren. Das geht aus dem BrandenburgTrend hervor, der am Donnerstag veröffentlichte wurde. Durchgeführt hat die repräsentative Umfrage Infratest Dimap im Auftrag der ARD.
Den stärksten Zuspruch bei der sogenannten "Sonntagsfrage" erhielt wie vergangene Woche die AfD. Unverändert steht sie bei 27 Prozent. Auf Platz zwei folgt die SPD nun mit 26 Prozent (plus zwei Punkte). Die CDU würden 16 Prozent der Befragten wählen, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) 13 Prozent. Beide stehen jeweils zwei Punkte schlechter da als noch vor einer Woche.
Damit scheint erstmals seit Langem eine Regierungskoalition aus zwei Parteien möglich. SPD und CDU hätten gemeinsam eine Mehrheit. Ihr Vorsprung an Parlamentssitzen wäre deutlich schmaler als im Fall der aktuellen Regierung. Generell gelten Zweier-Koalitionen allerdings als deutlich stabiler. Je weniger Meinungen es zu einem Thema gibt, desto einfacher fällt es oftmals Kompromisse zu finden.
Ob dieser Fall tatsächlich eintritt, ist aufgrund einiger Besonderheiten des Brandenburger Wahlrechts allerdings unsicher.
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Alles oder nichts, Königsmacher oder scheitern
Zum einen bleibt die Frage, ob die Grünen, BVB/Freie Wähler, aber auch die Linke wirklich nicht im nächsten Landtag vertreten sein werden, sollten sie am 22. September die Fünf-Prozent-Hürde reißen. Parteien, die mindestens ein Direktmandat gewinnen, dürfen in Brandenburg so viele Abgeordnete ins Parlament entsenden, wie ihnen nach den Zweitstimmen anteilig zustehen. Auch wenn bei den Zweitstimmen weniger als fünf Prozent erreicht werden.
Aktuell liegen alle drei Parteien knapp unter fünf Prozent. Zudem rechnen sie sich gute Chancen aus, in mindestens einem Wahlkreis die meisten Erststimmen zu bekommen. Anhand der Ergebnisse zur Sonntagsfrage lässt sich allerdings nicht absehen, ob dies eintreten wird. Die Umfrage zeigt, wie die Stimmung in Brandenburg insgesamt ist. In einzelnen Regionen sowie in den Hochburgen der Parteien, sind am Wahlabend deutliche Abweichungen zu erwarten. Infratest Dimap weißt explizit daraufhin, dass es sich bei dieser Umfrage nicht um eine Prognose handelt, sondern um ein Stimmungsbild. Unentschlossene oder taktisch Wählende können den Wahlausgang entscheidend beeinflussen.
Egal ob das Zweitstimmenergebnis reicht oder die Grundmandatsklausel greift: Gelingt es einer der drei Parteien in den Landtag zu ziehen, könnte sie zur Königsmacherin geraten. SPD und CDU könnten zu zweit keine Mehrheit bilden und wären auf einen dritten Partner angewiesen. Schaffen es hingegen zwei dieser Parteien in den Landtag oder alle drei, bliebe als einzige Option für ein Dreierbündnis mit SPD- und CDU-Beteiligung wohl nur das BSW.
Eine Koalition unter AfD-Beteiligung wäre rein rechnerisch möglich. Alle anderen Parteien, die aktuell im Landtag vertreten sind, sowie das BSW haben eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen.
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Auf wessen Kosten legt die SPD zu?
Ihre rasante Aufholjagd hat die SPD ihrem Spitzenkandidaten zu verdanken, so die Meinungsforscher. Könnten die Bürgerinnen und Bürger den Ministerpräsidenten direkt bestimmen, würde selbst jeder zweite Anhänger von CDU oder BSW für ihn stimmen. Unter den Sympathisanten der eigenen Partei würden 94 Prozent Woidke wählen. Selbst aus dem Umfeld der AfD erhält Woidke eine Zustimmung von 13 Prozent. Lediglich 36 Prozent der AfD-Anhänger würden Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt direkt wählen.
Die Strategie der Brandenburger Sozialdemokraten könnte also aufgehen. Von Beginn hatte sie ihren Wahlkampf an der Beliebtheit des aktuellen Ministerpräsidenten Woidke ausgerichtet. Innerhalb eines Monats konnte er die mageren Umfragewerte der brandenburgischen SPD um sieben Punkte steigern. Die Frage ist, woher dieser Zuspruch kommt. Zieht Woidke Stimmen von den Grünen oder CDU ab, gefährdet dies die Chancen auf eine gemeinsame Koalitionen.
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Viele Überhangmandate werden etwas weniger wahrscheinlich
Es bleibt zudem offen, ob viele Überhangmandate zu erwarten sind. Sie entstehen, wenn eine Partei über die Erststimmen mehr Wahlkreise direkt gewinnt, als ihr nach dem Ergebnis der Zweitstimmen zustünden.
Überhangmandate werden immer dann wahrscheinlich, wenn mehrere Parteien bei Wahlen ähnlich viel Zustimmung erreichen und es keine klaren Spitzenreiter gibt. Je mehr Wahlkreise von einer Partei mit knappem Vorsprung gegenüber der Konkurrenz gewonnen werden, desto wahrscheinlicher werden Überhangmandate.
Fallen Überhangmandate an, sollen diese ausgeglichen werden. Denn am Ende soll die Zusammensetzung des Parlaments das Ergebnis der Zweitstimmen widerspiegeln. Im Bundestag und vielen anderen Landtagen können Überhangmandate einfach ausgeglichen werden.
In Brandenburg ist das nicht so. Denn die Landesverfassung begrenzt das Parlament auf höchstens 110 Sitze. Eine hohe Anzahl an Überhangmandaten könnte die Machtverhältnisse im Brandenburger Landtag verzerren. Streit zwischen den Parteien wäre programmiert, Klagen vor dem Landesverfassungsgericht abzusehen.
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Es bleiben Unsicherheiten
Die Ergebnisse des BrandenburgTrends können jedoch nicht auf die Stimmung in den 44 Wahlkreisen heruntergebrochen werden. Ob und wenn ja, wie viele Überhangmandate es bei der Wahl geben wird, kann deshalb nicht vorausgesagt werden.
Schlussendlich bleibt auch eine statistische Unsicherheit. Infratest Dimap weißt darauf hin, dass die Ergebnisse der Umfrage Schwankungsbreiten von zwei bis drei Punkten unterliegen. Das heißt, die Meinungsforscher gehen davon aus, dass die Umfragewerte vom tatsächlichen Stimmungsbild im Land abweichen können. Die AfD hat im BrandenburgTrend also 27 Prozent erreicht. Wäre tatsächlich gewählt worden, könnte sie ein Ergebnis im Bereich von 25 bis 29 Prozent erwarten.
Bereits geringe Abweichungen innerhalb dieser Bereiche bergen das Potential, die Machtverhältnisse im kommenden Landtag entscheidend zu verschieben. Zwischen den Spitzenreitern AfD und SPD. Insbesondere allerdings bei den drei Parteien, die aktuell um den Wiedereinzug bangen müssen: Bündnis 90/Die Grünen, BVB/Freie Wähler sowie die Linke. Zehn Tage vor der Landtagswahl in Brandenburg ist nach wie vor vieles offen.
Zur Umfrage: Der BrandenburgTrend entstand im Auftrag der ARD. Das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap hat zwischen 9. und 11. September 1.513 Menschen befragt, die in Brandenburg wahlberechtigt sind. Ihre Auswahl erfolgte zufallsbasiert.