Zwei Frauen gehen über einen Flur. (Quelle: dpa"

Brandenburg Ausbildung Hospizbegleiter in der Lausitz: "Mit dem Tod umzugehen, fällt denjenigen schwer, die unerledigte Dinge haben"

Stand: 05.07.2024 16:17 Uhr

Ingrid Hirte und Sandra Schenker hatten einen Wunsch: Sie wollen ehrenamtlich Menschen begleiten, die kurz vor dem Tod stehen. Ein halbes Jahr lang wurden sie nun dafür ausgebildet - und haben dabei viel über sich selbst gelernt. Florian Ludwig hat sie zum Start ihrer Arbeit besucht.

Dass sie sich ein halbes Jahr intensiv mit dem Tod auseinandergesetzt haben, merkt man Ingrid Hirte und Sandra Schenker nicht an. Sie sind gut gelaunt und haben nur positive Worte für das, was sie bei ihrer Ausbildung zur ehrenamtlichen Hospizbegleiterin erlebt haben.
 
"Es wurde ganz viel geweint, es wurde gelacht, es war eine ganz intensive und schöne Zeit", sagt Ingrid Hirte. Sie ist eine der sieben Teilnehmerinnen, die die Malteser in Luckau (Dahme-Spreewald) und Calau (Oberspreewald-Lausitz) ausgebildet haben. "Wir haben dort so viele emotionale Erlebnisse teilen dürfen", berichtet Sandra Schenker. Und nicht nur das. "Ich habe auch ganz viel über mich selbst gelernt."

V.l.n.r.: Julia Hahn, die leitende Koordinatorin des ambulanten Hospizdienstes und die beiden ehrenamtlichen Hospizbegleiter Ingrid Hirte und Sandra Schenker im Gespräch (Foto: rbb/Ludwig)

V.l.n.r.: Julia Hahn und die beiden ehrenamtlichen Hospizbegleiter Ingrid Hirte und Sandra Schenker

Mit dem eigenen Tod beschäftigen

Dabei ist Sandra Schenkers Zeitplan eigentlich schon jetzt gut gefüllt, nicht nur durch ihre Kinder. Sie arbeitet als Friedhofssachbearbeiterin in einer Amtsverwaltung. "Weil ich täglich Umgang mit Menschen habe, die jemanden verloren haben, war es mir wichtig, zu erfahren, wie ich diese Menschen beruflich und privat gut auf dem Weg begleiten kann." Ingrid Hirte sagt, sie wollte "etwas Sinnvolles tun", nachdem sie in den Ruhestand gegangen ist. Zuvor hatte sie in ihrem Beruf chronisch nierenkranke Kinder betreut.
 
Ihre Ausbildung startete im Januar. Gelernt haben sie seitdem unter anderem Gesprächs- und Zuhörtechniken, haben praktische Situationen geübt - und einen Brief an sich selbst geschrieben. Dabei sollten sie sich vorstellen, sie hätten nur noch 24 Stunden zu leben. Das Nachdenken über den Tod schon vor dem Arbeitsbeginn sei wichtig, sagt die leitende Koordinatorin Julia Hahn. "Weil der Moment in der Begleitung kommt, dass sie sich auch mit der eigenen Endlichkeit auseinandersetzen." Darauf müssten die Ehrenamtlichen vorbereitet sein, um den Betroffenen gut zur Seite stehen zu können.

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Dinge, für die ein Pflegedienst kaum Zeit hat

Mit dem Juli endete die Ausbildung. Der Übergang zur richtigen Arbeit im ambulanten Hospizdienst war fließend. In den letzten Lehrwochen gingen die Ehrenamtlichen immer häufiger zu kranken Menschen, deren Leben kurz vor dem Ende steht. Sie fahren in Pflegeheime, Krankenhäuser, zu den Menschen nach Hause und punktuell auch ins Hospiz.
 
Ehrenamtliche wie Ingrid Hirte und Sandra Schenker reden dann, hören zu, sind einfach da. Sie machen die Dinge, für die ein Pflegedienst meist keine Zeit hat, sagt Julia Hahn. "Wir sind die, die am Bett sitzen, Händchen halten, Gespräche führen, vorlesen." Sie gehen auch mit den Hospizbewohnern spazieren oder für sie einkaufen, wenn es niemand aus der Familie machen kann. Pflegerische Arbeiten übernehmen sie aber nicht.

Großer Bedarf - aber Hemmungen

Der Bedarf nach Hospizbegleitern ist laut der leitenden Koordinatorin Julia Hahn groß. Viele würden sich allerdings "zu spät" trauen, die Ehrenamtlichen dazuzuholen. Wenn es dann aber passiert, seien alle dankbar. "Der Betroffene schätzt es und die Angehörigen auch, weil es eine Entlastung für die Familie ist."
 
Weil der Bedarf so groß ist, bilden die Malteser regelmäßig aus. Mit den sieben Neuen im Team gibt es in Luckau und Calau nun insgesamt 28 ehrenamtliche Hospizbegleiter. Jeder ist ungefähr einmal pro Woche für eine Stunde im Einsatz. Das hänge aber immer von den individuellen zeitlichen Möglichkeiten ab, sagt Hahn. Eine Aufwandsentschädigung bekommen sie nicht, es werden aber die Fahrtkosten erstattet.

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"Tod ist nichts Schlimmes"

Der nächste Ausbildungskurs wird im Frühjahr 2025 stattfinden. Ingrid Hirte und Sandra Schenker würden ihn jederzeit wieder besuchen, sagen sie. Vor allem, weil sie viel über sich selbst gelernt haben, und noch mehr über den Tod. "Tod ist nichts Schlimmes", sagt Sandra Schenker. Sie habe gelernt, dass es wichtig ist, die Menschen nicht zu bedauern, sondern ihnen Kraft und Freude zu geben. Ihrer Ansicht nach sollte man lockerer mit dem Thema umgehen. "So, wie man einen 50. Geburtstag oder eine Goldene Hochzeit plant, kann man sich vielleicht auch ein bisschen darauf vorbereiten, dass es irgendwann so weit sein wird."
 
Wie man schließlich stirbt, hänge davon ab, wie man gelebt hat, sagt Ingrid Hirte. Wer im Leben zufrieden war, eingebunden in eine Gemeinschaft und wem es gut ging, könne gut loslassen. "Mit dem Tod umzugehen, fällt den Menschen schwer, die immer noch unerledigte Dinge haben." Das sei dann viel mehr ein Thema, als der Tod selbst, der vor allem bei Hochbetagten als Erlösung empfunden werde. "Ich glaube, deshalb ist auch ein bisschen die Botschaft, so gut wie möglich zu leben, unsere Beziehungen zu gestalten, Konflikte schon vorher zu klären und nicht erst bis zum Schluss zu warten."

Sendung: Antenne Brandenburg, 05.07.2024, 15:40 Uhr