Alice Weidel (2.v.r.), Bundesvorsitzende der AfD, Tino Chrupalla (2.v.l.), Bundesvorsitzender der AfD, Hans-Christoph Berndt (r), Spitzenkandidat und stellvertretender Vorsitzender der AfD Brandenburg, und Rene Springer (l), Vorsitzender der AfD in Brandenburg, äußern sich bei einer Pressekonferenz in der AfD-Bundesgeschäftsstelle zum Ausgang der Landtagswahl in Brandenburg. (Quelle: dpa/Bernd von Jutrczenka)

Brandenburg Bundestagswahl: Wie die Brandenburger AfD die Bundespartei beflügeln will

Stand: 13.11.2024 18:46 Uhr

In Brandenburg ist die AfD bei der Landtagswahl fast stärkste Kraft geworden. Sie ist geeint wie nie, gewinnt zahlreiche neue Mitglieder, und zieht mit dem Rückenwind aus mehreren Wahlen in die Bundestagswahl. Die Kandidaten dafür stehen bereits fest. Von Olaf Sundermeyer

Auf der Wahlparty am Abend der Brandenburger Landtagswahl im September verzogen sich die Mundwinkel von Hans-Christoph Berndt nach der ersten Prognose merkelartig. Das Rekordergebnis seiner Partei (29,2 Prozent) war für ihren Spitzenkandidaten eine persönliche Enttäuschung. War er doch angetreten, den SPD-Ministerpräsidenten Dietmar Woidke "in Rente" zu schicken, wie er im Wahlkampf vollmundig angekündigt hatte.
 
Das sollte ihm nicht gelingen, der symbolische Sieg seiner AfD blieb aus. Sie landete hinter der SPD (30,9) auf Platz zwei und mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Berndt als größte Oppositionsfraktion im Potsdamer Landtag.

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Brandenburger AfD im Eiltempo geeint

Aufmunterung erfuhr Berndt auf der Wahlparty durch die beiden Bundesvorsitzenden, die Bundestagsabgeordneten Alice Weidel und Tino Chrupalla. Für sie und die Gesamtpartei war das beachtliche Ergebnis ein voller Erfolg. Erst im Frühjahr wurde deren Fraktionskollege, der Bundestagsabgeordnete René Springer, an die Spitze des bis dahin zerstrittenen Landesverbandes in Brandenburg gewählt. Berndt und Springer haben ihn gemeinsam geeint, im Eiltempo. So konnte die AfD hier im Wahljahr erfolgreich sein; Streit hätte diesen Erfolg sicher geschmälert.
 
Schon zur Kommunalwahl und zur Europawahl im Juni hatte die AfD in Brandenburg abgeräumt: Sie verfügt seither über 248 Kommunalmandate, stellt in zahlreichen Kommunalparlamenten die stärkste Fraktion, wurde auch bei der Wahl zum Europaparlament zur stärksten Partei gewählt (27,5).

Wenig Antworten anderer Parteien auf AfD-Erfolg

Dass die AfD hier seit vier Jahren durch den Verfassungsschutz als Verdachtsfall einer rechtsextremen Bestrebung beobachtet wird, hält ihren Aufstieg nicht auf; immer mehr rechtsextreme Akteure landen mit der AfD in den Parlamenten. Der Verfassungsschutz als staatliches Frühwarnsystem der Demokratie läuft bei den Wählern der AfD in Brandenburg längst ins Leere.
 
Von den 30 Landtagsabgeordneten der AfD haben 25 ihr Direktmandat geholt, was als Ausweis für die flächendeckende Durchdringung der politischen Landschaft gilt. Viele Politiker demokratischer Parteien haben noch keine Antwort auf den Umgang mit der entschlossenen Partei und ihren wütenden Akteuren gefunden.

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Bande zwischen Brandenburger und Bundes-AfD gilt als eng

Eine Ausnahme ist Ministerpräsident Woidke, der ihr mit einem Kraftakt an persönlichem Einsatz und Entschiedenheit bei Themen der Inneren Sicherheit und in der Migrationsfrage entgegengetreten ist, in einer Absatzbewegung von der Ampel-Regierung in Berlin und von Bundeskanzler Olaf Scholz, seinem Parteifreund aus Potsdam. Aber vor der Bundestagswahl steckt Woidke in der kräftezehrenden Regierungsbildung, kann bei der Wahl im Bund nur eine untergeordnete Rolle spielen, und Olaf Scholz hat in Brandenburg einen schweren Stand.
 
Während die AfD hier ihr Ergebnis aus der Landtagswahl möglicherweise wiederholen könnte, wird der SPD das mit ihrem Ergebnis wohl kaum gelingen. Landeschef Springer betont stets, dass man als AfD seit zehn Jahren in Brandenburg im Wahlkampf sei. Der geht nun einfach weiter. Die Plakate von der Landtagswahl (Slogan: "Jetzt AfD") werden aus dem Lager geholt und wieder aufgehängt. Sein Landesverband hat in diesem Jahr innerhalb der Bundespartei erheblich an Gewicht zugelegt. Auch die Bande zur Bundestagsfraktion gilt seither als eng. Das stärkt ebenfalls den Zusammenhalt.

29 Prozent in Brandenburg wiegen schwerer als 30 Prozent in Sachsen

Schließlich wiegen 29 Prozent im Land um die Metropole Berlin noch mehr als 30 Prozent im ohnehin strukturkonservativen Sachsen. Berndt selbst hatte im persönlichen Gespräch schon im Frühjahr darauf verwiesen, dass die zahlreichen Berliner, die in den Speckgürtel zögen, ihre liberale politische Mentalität jeweils mit nach Brandenburg nähmen. Die Wahlergebnisse belegen das. Ganz grob bedeutet das: Je weiter weg von Berlin, desto tiefer das Blau auf der politischen Landkarte.
 
Seit 2014, als die AfD das erste Mal in den Potsdamer Landtag einzog (12,2 Prozent), geht es mit der Partei hier bergauf, über die Etappe Landtagswahlen 2019 (23,5) bis ins aktuelle Wahljahr. "Wir sind kein gäriger Haufen mehr", betont Landeschef Springer immer wieder. Der Pragmatiker setzt auf kontrollierte, abgestimmte Kommunikation. Einzelgänge, persönliche Befindlichkeiten und Ränkespiele wie unter seinen Vorgängern Birgit Bessin und Andreas Kalbitz werden in der Brandenburger AfD des Jahres 2024 nicht mehr geduldet. Inhaltlich ist sein Landesverband nicht minder radikal als der von Björn Höcke in Thüringen, gilt aber als parteiintern umgänglicher und vorzeigbarer in der Öffentlichkeit.
 
Springer wie Berndt pflegen einen weitesgehend höflichen Umgang mit Medienvertretern, während sie zur gleichen Zeit der alternativen Öffentlichkeit zu mehr Reichweite verhelfen. Und keiner der beiden fordert AfD-Alpha-Frau Alice Weidel heraus. Im Gegenteil: Man stützt sich. Zum Nutzen der AfD.

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Mitgliederzuwachs um 19 Prozent

Die Brandenburger AfD wird ihren Listenparteitag am Samstag, 23. November, in Prenzlau in der Uckerseehalle abhalten. Dort werden die Mitglieder über die Liste zur Bundestagswahl entscheiden. Ihr Landesvorsitzender René Springer bewirbt sich um Platz 1. Im Gespräch mit rbb24 Recherche sagte der Bundestagsabgeordnete aus Eberswalde, dass er seine Partei als Spitzenkandidat in die Neuwahl für den Deutschen Bundestag führen wolle. Von den aktuell 2.649 Parteimitgliedern in Brandenburg werden rund 1.000 in Prenzlau erwartet.
 
Seit Jahresbeginn ist der Landesverband nach Angaben von René Springer um 419 Mitglieder gewachsen; das bedeutet ein Wachstum von knapp 19 Prozent. Außerdem sollen sich aktuell 371 Antragsteller im Aufnahmeprozess befinden. Zu ihnen gehört auch Arne Raue, der bislang parteilose Bürgermeister aus Jüterbog. Auch er will sich um eine AfD-Kandidatur für den Deutschen Bundestag bewerben. Sein möglicher Wahlkreis im Süden des Landes gilt neben einigen anderen als Möglichkeit, ein Direktmandat zu erlangen. Bislang schickte die Brandenburger AfD fünf Abgeordnete in den Deutschen Bundestag.

Als rechtsextrem geltender AfD-Politiker will sich um Listenplatz bewerben

Nach dem Umzug des bisherigen Berliner Bundestagsabgeordneten Götz Frömming ins Havelland sind sie dort zu sechst. Bis auf ihren Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland, von dem dessen ehemaliger Referent René Springer nach eigener Aussage viele gelernt habe, werden die fünf wohl erneut auf den vorderen Listenplätzen erwartet (außerdem: Hannes Gnauck, Steffen Kotré, Norbert Kleinwächter).
 
Der 83-jährige Gauland hatte bereits angekündigt, sich aus dem aktiven Politikbetrieb zu verabschieden, altersbedingt. Zusätzlich sollen sich nach Informationen von rbb24 Recherche der ehemalige Cottbuser Landtagsabgeordnete Lars Schieske sowie der aktuelle Landtagsabgeordnete Andreas Galau um vordere Listenplätze bewerben. Schieske gehört zu den AfD-Funktionären, die vom Brandenburger Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextrem" eingestuft wurden. Aber wen stört das schon?