Bilderstrecke Der Streit um den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche
Stand: 22.08.2024 06:30 UhrZur Eröffnung des Turms der Garnisonkirche mit Bundespräsident Steinmeier am 22. August 2024 hat die "Bürger*inneninitiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche" ihren Protest gegen den "reaktionären Symbolbau" angekündigt. Der Wiederaufbau ist seit Jahrzehnten umstritten.
In den 1980er Jahren taucht die "Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel" auf, lässt einen Nachbau davon anfertigen und schenkt dieses Carillon 1991 der Stadt Potsdam, die Gefallen an der Idee des Wiederaufbaus der Garnisonkirche findet. Initiator ist Max Klaar, Offizier eines Fallschirmjägerbataillons aus dem Sauerland. Aus der evangelischen Kirche werden mit Blick auf die Geschichte der Garnisonkirche Bedenken geäußert.
Der frühere brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und der damalige Potsdamer Oberbürgermeister Jann Jacobs gehören zu den frühen Befürwortern des Projekts: als Ort von Geschichte und städtebaulichen Glanzpunkt.
Es wird eine Stiftung für den Wiederaufbau gegründet, deren Kuratorium neben Platzeck auch Bischof Wolfgang Huber und Ministerpräsident a.D. Manfred Stolpe angehören. 2004 werben namhafte Anhänger im "Ruf aus Potsdam" um Geldspenden für den Wiederaufbau.
Kritiker wie der Publizist Micha Brumlik sagen, dass der "Ruf aus Potsdam" von Argumenten der "Neuen Rechten" geprägt sei, und fordern Distanzierungen. Brandenburgs früherer Finanzminister Christian Görke nennt den wiederaufgebauten Kirchturm ein "Mahnmal der Verschwendung".
Es gründet sich ein Förderverein aus Vertretern der Stadt, der Kirche sowie Potsdamer Bürgern, die hinter dem Projekt stehen. Die symbolische Grundsteinlegung findet am 14. April 2005, dem 60. Jahrestag der Zerstörung der Kirche, statt.
Die Synode des evangelischen Kirchenkreises Potsdam lehnt den Wiederaufbau zunächst ab, entwickelt dann aber Ideen für die Nutzung als Friedens- und Versöhnungszentrum, wodurch verhindert werden soll, dass das Bauwerk wie von Kritikern befürchtet zum Anziehungspunkt für Neonazis wird.
Die konservativen Initiatoren des Wiederaufbaus lehnen die Idee eines internationalen Versöhnungszentrums ab. Max Klaar stellt seine Spendensammlung ein.
Der Festakt im April 2005 wird von zahlreichen Demonstranten gestört. Sie sehen die Garnisonkirche als Symbol des preußischen Militarismus und fürchten, dass sie von Beginn an ein Sammelort rechtsradikaler, republikfeindlicher Kräfte wird. Für viele Kritiker bleibt der Ort bis heute eng verbunden mit dem 21. März 1933, dem "Tag von Potsdam", als Reichskanzler Adolf Hitler und Reichspräsident Paul von Hindenburg sich dort die Hände reichten.
2008: Die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung beschließt, der geplanten kirchlichen Stiftung für den Wiederaufbau der Garnisonkirche beizutreten und das historische Grundstück im Stadtzentrum in das Stiftungsvermögen einzubringen.
Die konkrete Bauplanung durch beauftragte Architekten beginnt 2011. Gegner gründen die Bürgerinitiative "Potsdam ohne Garnisonkirche".
2013 bewilligt der Haushaltsausschuss des Bundestags 400.000 Euro aus einem Denkmalschutz-Sonderprogramm für die Garnisonkirche, Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) kündigt zwölf Millionen Euro Bundesmittel für den Wiederaufbau an. Bis 2024 werden es noch mehr.
Doch auch Privatleute spenden, der Potsdamer TV-Moderator Günther Jauch gibt 1,5 Millionen Euro. Jauch hat bereits mehrere historische Bauwerke in Potsdam finanziell stark unterstützt. Unter den Unterstützern aus der Politik ist seinerzeit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der zu Spenden aufruft.
2020: Kritiker des Wiederaufbaus eröffnen in einem als Kreativzentrum genutzten DDR-Bau unmittelbar neben der Baustelle den "Lernort Garnisonkirche" und starten eine gleichnamige Internetplattform. Beteiligt sind verschiedene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Die evangelische Kirche will den neuen Turm vor allem als Bildungs-, Kultur- und Erinnerungsort nutzen. Pfarrer Jan Kingreen, Vorstand der Stiftung Garnisonkirche Potsdam, sagt: "Wir wollen Friedensarbeit auf der einen Seite, und Demokratiebildung auf der anderen Seite machen. Beides ist gerade vor dem Hintergrund des in Ostdeutschland aufkommenden Rechtsextremismus aktueller als je zuvor." Eine Ausstellung zum Zusammenhang von Glaube, Macht und Militär sei im Gebäude geplant. Und auch Veranstaltungen zur Demokratiebildung sollen dort stattfinden.