Eröffnung einer neuen Dauerausstellung "Cottbuser Zuchthaus 1933 bis 1945" im Menschenrechtszentrum Cottbus. (Quelle: rbb)

Brandenburg Menschenrechtszentrum Cottbus: Erweitere Dauerausstellung zeigt Schicksale von Inhaftierten der NS-Diktatur

Stand: 09.07.2024 17:19 Uhr

Fast 20 Jahre lang wurden im Cottbuser Zuchthaus Menschen während der Nazi-Diktatur inhaftiert. So auch Traute Lafrenz, eine Widerstandskämpferin der Weißen Rose. Ihre Kinder haben nun die neu eröffnete Daueraustellung zum Thema besucht.

Fast ehrfürchtig gehen Renee Page-Meyer und Michael Page durch die neu eröffnete Ausstellung im Cottbuser Menschenrechtszentrum. Beide haben einen weiten Weg hinter sich: Sie ist aus den USA angereist, er aus Norwegen. Nun stehen die Geschwister dort, wo ihre Mutter, Traute Lafrenz, vor gut 80 Jahren hinter Gittern saß - weil sie gegen die NS-Diktatur kämpfte.
 
Beide schauen sich die Jugendbilder ihrer Mutter an und lesen über die kurze Sommerliebe zwischen ihr und Hans Scholl - dem Mitbegründer der "Weißen Rose". Für die Widerstandsgruppe bringt Traute Lafrentz unter anderem Flugblätter nach Hamburg. 1944 wird sie wegen "Mitwisserschaft" im Cottbuser Frauenzuchthaus inhaftiert. Ihre tatsächliche Mitarbeit im Widerstand verschleiert sie geschickt, wie es die "Weiße Rose Stiftung" schreibt.
 
Vieles davon wissen die Geschwister bereits aus Gesprächen mit ihrer Mutter. Aber selbst im Gefängnis zu stehen, in dem sie einst eingesperrt wurde, das ist eine neue Erfahrung, so Tochter Renee. Ihr Bruder ergänzt: "Sie hat eigentlich nie vom Leiden, das im Gefängnis ganz bestimmt da war, gesprochen."

Renee Page-Meyer und Michael Page, die Kinder von Traute Lafrenz.

Renee Page-Meyer und Michael Page, die Kinder von Traute Lafrenz.

Überbelegung, Ungeziefer und Hunger

Wie groß das Leid im Frauenzuchthaus war, haben die Forschungen für die überarbeitete Ausstellung ergeben, die das Schicksal von Traute Lafrenz und anderen Frauen dokumentiert.
 
Etwa 10.000 Menschen wurden während der Nazi-Diktatur hier in Cottbus inhaftiert. Viele von ihnen wegen belangloser Vergehen - der NS-Unrechtsstaat urteilte hart und häufig. In den Zellen wurde es darum auch immer enger, so die Kuratorin Eva Fuchslocher. "Das waren Zellen, die am Anfang nur für eine oder zwei Personen ausgelegt waren, am Ende waren da bis zu fünf Frauen drin."
 
Auch die hygienischen Bedingungen waren schlecht, pro Zelle gab es einen Kübel Wasser, Ungeziefer plagte die Inhaftierten. "Viele sagen aber vor allem, dass der Hunger das Prägende und Quälende war", so Fuchslocher.

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"Die Mutter wollte nicht, dass das Vergangene ihre Zukunft irgendwie verdirbt"

Drei Monate lang war Traute Lafrenz im Cottbuser Zuchthaus eingesperrt. Ihren Kindern erzählt sie zum Beispiel von einer verbotenen Nachricht, die sie an eine Mitinhaftierte schreibt. Der Zettel erreicht aber nicht die Mitgefangene, sondern landet auf dem Boden im Gefängnishof.
 
"Eine ganze Nacht hatte sie schreckliche Furcht vor dem nächsten Tag", erzählt Tochter Renee. Denn die Gefahr, dass die Botschaft entdeckt wird, ist groß. Doch wie durch ein Wunder schneit es am nächsten Morgen, erzählt Sohn Michael. "Das war auf Klopapier geschrieben und hat sich aufgelöst."
 
Im Gegensatz zu vielen anderen NS-Opfern hat Traute Lafrenz nicht nur in diesem Moment großes Glück. Die Widerstandskämpferin der Weißen Rose wird aus dem Cottbuser Zuchthaus über Leipzig nach Bayreuth verlegt und zu Kriegsende hin von den Amerikanern befreit. Im letzten Jahr ist sie im Alter von 103 Jahren in den USA gestorben.
 
Die Haftzeit hat Traute Lafrenz Leben geprägt - aber nicht bestimmt. "Die Mutter wollte nicht, dass das Vergangene ihre Zukunft irgendwie verdirbt", sagt Tochter Renee. "Sie war eben eine sehr mutige Frau."

Sendung: Antenne Brandenburg, 09.07.2024, 16:10 Uhr