Symbolbild: rbb-Haus in der Masurenallee. (Quelle: dpa/Fotostand)

Brandenburg Berlin Mögliche Interessenkollisionen: rbb-Verwaltungsrätin weiter unter Druck

Stand: 19.08.2024 19:29 Uhr

Die wegen möglicher Interessenkollisionen in die Kritik geratene rbb-Verwaltungsrätin Juliane Schütt pflegt seit Jahren ein „freundschaftliches Verhältnis“ zu einem heutigen Mitglied der rbb-Geschäftsleitung. Der Rundfunkrat tauscht sich in einer Sondersitzung am Mittwoch über den Fall aus. Von René Althammer und Jo Goll

Die Diskussion über mögliche Interessenkollisionen der rbb-Verwaltungsrätin Juliane Schütt geht weiter. Bislang war bekannt, dass ihr Ehemann als freier Mitarbeiter für das rbb-Kulturprogramm radio3 tätig ist. Schütt hatte sich deshalb bei Abstimmungen im Verwaltungsrat zu radio3 und bei tarifrechtlichen Fragen der Stimme enthalten.
 
Zweifelhaft ist, ob Schütt diese enge familiäre Beziehung zu einem rbb-Mitarbeiter vor ihrer Wahl durch den Rundfunkrat korrekt angezeigt hatte. Der Vorsitzende des Rundfunkrats, Oliver Bürgel, empfahl Schütt deshalb, ihr Amt vorübergehend niederzulegen. Schütt hat dies im Juli abgelehnt.
 
Im Falle einer Abberufung als Verwaltungsrätin durch den Rundfunkrat scheint sie sich auch juristisch wehren zu wollen. Schriftlich teilte Schütt dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats, Benjamin Ehlers, mit, dass sie einen juristischen Beistand habe. Der Beistand ist ebenfalls Mitglied des Verwaltungsrats und sei nach eigener Aussage befugt, Frau Schütt vor dem Verwaltungsgericht zu vertreten.

Die Kontrollgremien des rbb

Rundfunkrat und Verwaltungsrat sind die Kontrollgremien des rbb. Sie überwachen die programmlichen und unternehmerischen Entscheidungen.mehr

Fall Schütt zieht offenbar weitere Kreise

Nach Informationen des rbb-Rechercheteams gibt es einen weiteren Fall, der Schütt zwingt, sich der Stimme zu enthalten. Das bedeutet, dass sie ihre Pflichten als Aufsichtsrätin nur eingeschränkt wahrnehmen kann.
 
Offenbar ist Schütt, die Ende der 90er Jahre Mitarbeiterin des rbb-Vorgängersenders Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg (ORB) war, seit vielen Jahren gut mit der neuen rbb-Programmdirektion Katrin Günther bekannt. Schütt und Günther haben von 1998 bis 2002 beide bei der ORB-Gesprächssendung "Vor Ort" gearbeitet. Katrin Günther damals als Redaktionsleiterin, Schütt als Redakteurin. Auf Anfrage von rbb24 Recherche bestätigte Katrin Günther ein "freundschaftliche Verhältnis" zu Schütt. "Wir kennen uns seit vielen Jahren, sehen uns auch bei entsprechenden Anlässen. Wir sind bis heute freundschaftlich miteinander verbunden", sagte Günther. Man sehe sich zu runden Geburtstagen, Hochzeiten oder Weihnachtsfesten.
 
Nach Informationen von rbb24 Recherche traf man sich noch im Juni dieses Jahres zu einem runden Geburtstag. Nachdem die mögliche Interessenkollision wegen Schütts Ehemann bekannt geworden war, informierte die damals designierte Programmdirektorin Günther sowohl den Rundfunk- als auch den Verwaltungsrat. Schütt selbst hatte sich in Bezug auf Günther bereits im April bei einer Abstimmung im Verwaltungsrat enthalten.

Archivbild: Juliane Schütt, Rechtsanwältin. (Quelle: dpa/Carsten Koall)

435630280 Juliane Schütt

rbb media: weitere Interessenkollision?

Juliane Schütt wurde vom Verwaltungsrat zu Beginn ihrer Amtszeit im April 2023 auch in den Aufsichtsrat der rbb-Werbetochter rbb media entsandt. Dort überwachte sie bis vor Kurzem die Arbeit der Geschäftsführung der rbb media. Diese ist eine hundertprozentige Tochterfirma des rbb und unter anderem zuständig für die Vermarktung des Senders.
 
Außerdem hält die rbb media Beteiligungen an anderen Unternehmen. Eine dieser Beteiligungen ist die Film- und Fernsehproduktionsgesellschaft DOKFILM. In deren Geschäftsleitung arbeitet der Ehemann der rbb-Programmdirektorin Katrin Günther. Die rbb media-Geschäftsführerinnen teilten auf Nachfrage mit, dass sie keine Kenntnis über private Kontakte Schütts zur Geschäftsführung der DOKFILM hatten. Die Amtszeit von Schütt im Aufsichtsrat der rbb media endete am 1. August dieses Jahres.
 
Ob der Verwaltungsrat, der Schütt in das Gremium entsandte, von den Kontakten Schütts in die DOKFILM Kenntnis hatte, bleibt offen. Auf detaillierte Fragen gab es vom rbb-Verwaltungsrat mit Verweis auf das laufende Verfahren keine Antworten. Juliane Schütt hat sich zu Detailfragen ebenfalls mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht geäußert.

Der rbb-Verwaltungsrat

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Schütt kämpft um ihr Amt

Für Juliane Schütt scheint aber weiterhin klar zu sein, dass sie ihr Amt als rbb-Verwaltungsrätin nicht freiwillig niederlegen will. Auf die Tätigkeit ihres Ehemanns für radio3 angesprochen, erklärte die hauptberufliche Rechtsanwältin gegenüber rbb24 Recherche im Juli, dass sie keinen Interessenkonflikt sehe. Dass ihr Mann als freier Mitarbeiter für den rbb tätig sei, sei keine Tatsache, die die Erfüllung ihrer Aufgabe als Mitglied des rbb-Verwaltungsrates gefährden würde.
 
Der Rundfunkrat, also das Gremium, das die Verwaltungsräte wählt und auch wieder abberufen kann, scheint dies differenzierter zu sehen: Der Rundfunkratsvorsitzende Oliver Bürgel erklärte damals, er habe das Justitiariat des Senders um eine rechtliche Einschätzung gebeten. Als Reaktion auf die Veröffentlichungen und die Diskussion um Juliane Schütt hat der Verwaltungsrat inzwischen eine "rechtsgutachterliche Stellungnahme" erarbeiten lassen. Verfasser: Verwaltungsratsmitglied Prof. Bernd Holznagel.
 
Die Stellungnahme liegt auch den Mitgliedern des Rundfunkrats vor. Tenor: Der Verwaltungsrat werde unter Druck gesetzt, im Fall Schütt sei aber alles rechtens gelaufen. Schütt selbst soll inzwischen mitgeteilt haben, im Falle einer Abberufung durch den Rundfunkrat gegen diese Entscheidung klagen zu wollen. Holznagel sei laut internen Dokumenten bereit, sie in dem Verfahren zu vertreten.

rbb, Haus an der Masurenallee in Berlin (Quelle: dpa/Reuhl)
Rundfunkratsvorsitzender setzt Verwaltungsrätin unter Druck

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rbb-Verwaltungsrat stärkt Schütt den Rücken

Juliane Schütt kann sich in ihrer Haltung der Rückendeckung des gesamten Verwaltungsrates sicher sein. In einer Erklärung des Gremiums vom 22. Juli dieses Jahres heißt es: "Wir betrachten die Arbeit des rbb-Rechercheteams als Ausdruck der von uns unterstützten neuen Unternehmenskultur, sehen darin aber keinen Grund, Juliane Schütt von der Arbeit in unserem Gremium auszuschließen, oder sie aufzufordern, ihr Amt ruhen zu lassen."
 
Schütt sei, so heißt es weiter, ein geschätztes Mitglied des Gremiums, das sich "weit über das zu erwartende Engagement hinaus um den Aufarbeitungsprozess des rbb-Skandals verdient gemacht hat." Ihr kritischer juristischer Blick trage entscheidend dazu bei, "dass der Verwaltungsrat seiner Aufgabe gerecht werden kann, über eine wirtschaftliche und sparsame Haushalts- und Wirtschaftsführung im rbb zu wachen."
 
Der Rundfunkrat soll sich am kommenden Mittwoch (21. August 2024) in einer Sondersitzung mit der Personalie Schütt auseinandersetzen.