Autos fahren im Januar 1975 durch zwei Röhren des Elbtunnels. Links die fast fertiggebaute dritte Röhre.

Achtspurige Verkehrsader Hamburg feiert 50 Jahre Neuer Elbtunnel

Stand: 10.01.2025 11:20 Uhr

Kanzler Helmut Schmidt gab heute vor 50 Jahren den Neuen Elbtunnel offiziell für den Verkehr frei. Die Bauarbeiten zum damals längsten Unterwassertunnel Europas hatten 1968 begonnen. Auch nach dem Bau einer vierten Röhre ist die Unterführung weiter ein Nadelöhr.

Von Kathrin Weber

Der Lärm von Baggern und Rammen läutet am 19. Juni 1968 in Hamburg die Arbeiten an einem der ambitioniertesten Bauprojekte der damaligen Zeit ein: Am Grund der Elbe soll der damals längste Unterwasser-Straßentunnel Europas entstehen. Über Wochen vibriert die Erde am zuvor so idyllischen Elbstrand von Övelgönne im Fünf-Sekunden-Takt.

Ein Tunnel soll Elbbrücken entlasten

Die neue Verkehrsader soll die im Osten Hamburgs gelegenen Elbbrücken entlasten, über die sich täglich 110.000 Fahrzeuge zwängen. Und sie soll den Verkehrsstrom durch die Innenstadt begrenzen. Denn wer aus Hannover kommend Richtung Norden fahren will oder umgekehrt, muss die City durchqueren, um von der A1 auf die A7 zu gelangen. Der Tunnel mit seinen zunächst sechs geplanten Fahrspuren wird Teil der neuen West-Umgehung, zu der auch ein 31 Kilometer langes Stück Autobahn und die Köhlbrandbrücke gehören werden.

Die Tunnelbohrmaschine "Otto" höhlt im Dezember 1969 die erste der damals noch drei geplanten Elbtunnelröhren aus.

Die Tunnelbohrmaschine "Otto" höhlt im Dezember 1969 die erste der vier Tunnelröhren im Uferbereich aus.

Röhrenelemente werden in der Elbe versenkt

Die Tunnelbauer fertigen die einzelnen Röhrenelemente in einem eigens dafür trockengelegten Hafenbecken an. Nach Fertigstellung der Tunnelelemente - jedes einzelne rund 48.000 Tonnen schwer - wird das Hafenbecken geflutet und die Elemente mit Schleppern auf die Elbe gezogen. Dort werden sie in eine ausgebaggerte Rinne abgesenkt und am Grund der Elbe zusammengefügt sowie abgedichtet. Bis zu 27 Meter tief unter dem Wasserspiegel liegen die Röhren nun. Der Hohlraum darunter wird im nächsten Schritt mit Kies aufgefüllt. Die Teilstücke unter dem Elbufer-Bereich werden mit einem Tunnelbohrer hergestellt.

Baustelle des Hamburger Elbtunnels im Oktober 1969.

Die Röhrenelemente mit den Fahrspuren wurden einzeln in einem trockengelegten Hafenbecken hergestellt.

An den Bauarbeiten des Neuen Elbtunnels ist damals auch der junge Mike Krüger beteiligt. Er lernt Betonbauer. Seine Karriere verläuft bekanntermaßen dann aber doch anders.

Anwohner leiden unter Lärm und Schmutz

Die Anwohnenden leiden mitunter massiv unter dem Tunnelbau. Er bringt viel Lärm und Schmutz mit sich. 1971 müssen mehr als 30 Familien ihr Zuhause verlassen. Die Erschütterungen des Bohrers haben die Häuser marode gemacht. Zwei Häuser werden sogar abgerissen.

Hunderttausende kommen zur Eröffnung

Ende 1974 sind die Arbeiten am Neuen Elbtunnel beendet. Anlässlich der Fertigstellung lädt die Baubehörde die Hamburger im Dezember 1974 zu einem Volksfest der ganz besonderen Art ein: Bevor der Elbtunnel für den Autoverkehr freigegeben wird, darf die Bevölkerung zwei der drei Röhren erkunden, und zwar zu Fuß. An der Weströhre wird derweil noch gearbeitet. Sie wird im Mai 1975 für den Verkehr freigegeben. Das Tunnelfest zur Eröffnung von Mittel- und die Oströhre dauert fünf Tage - vom 26. bis zum 30. Dezember. Bereits am ersten Tag kommen mehr als 100.000 Besucher. Sie alle wollen das Bauwerk sehen, das damals weltweit seinesgleichen sucht.

Hamburger feiern ihren Neuen Elbtunnel

Wer den kompletten Tunnel durchwandern möchte, muss damals gut zu Fuß sein. Knapp drei Kilometer ist jede Röhre lang. Und wie die Autos müssen sich auch die Besucher an den Richtungsverkehr halten, dürfen in der Röhre also nicht umkehren. Lediglich drei schmale Durchlässe ermöglichen einen Wechsel in die Nachbarröhre und damit einen möglicherweise schnelleren Weg zurück nach draußen. Stärken können sich die Besucher im Tunnel nicht - denn sie sollen ihn möglichst schnell durchqueren. Dafür spielt dort die Musik: 14 Spielmannszüge mit insgesamt 850 Musikern marschieren durch die Röhren, auch mehrere Jazz-Bands spielen auf.

Große Unterwassertunnel, ihre Fertigstellung und ihre Nutzung


  • 2033 (geplant): Rogfast/Boknafjord-Tunnel (Norwegen) - 27 km lang, 392 Meter unter Meeresspiegel (muh) -> Straßentunnel
  • 2029 (geplant): Fehmarnbelttunnel (Deutschland/Dänemark) - 18 km lang -> Straßen- und Eisenbahntunnel
  • 2020: Eysturoyartunnilin (Färöer) - 11 km lang, 189 muh -> Straßentunnel
  • 2019/2020: Ryfylketunnel (Norwegen), zum Ryfast-Tunnelsystem gehörig - 14,3 km lang, 291 muh -> Straßentunnel
  • 2009: Shanghai Changjiang Daqiao (Schanghai) - 8,9 km lang plus eine 16,6 km lange Brücke -> Straßentunnel
  • 1999: Nordkap-Tunnel (Norwegen) - 6,9 km lang, 212 muh -> Straßentunnel (auch für Radfahrer freigegeben)
  • 1997: Großer Belt-Bahntunnel (Dänemark) - 8 km lang -> Eisenbahntunnel
  • 1997: Tokyo-wan-Aqua-Line (Japan) - 9,6 km lang plus eine 4,4 km lange Brücke -> Straßentunnel
  • 1994: Eurotunnel (England/Frankreich) - 50,4 km lang -> Eisenbahntunnel
  • 1988: Seikan-Tunnel (Japan) - 53,8 km lang, 240 muh -> Eisenbahntunnel
  • 1974/2002: Neuer Elbtunnel Hamburg (Deutschland) - 3,3 km lang -> Straßentunnel
  • 1911: Alter Elbtunnel Hamburg / St. Pauli-Elbtunnel (Deutschland) - 426 Meter lang -> Straßen- und Fußgängertunnel (heute nur noch für Fußgänger und Radfahrer)

Postkarten, Münzen und Broschüren

An den beiden Tunnelausgängen warten Würstchenbuden, Bierausschank und Karussells auf die Besucher. In Containern können sie Erinnerungsstücke kaufen: Zur Auswahl stehen die Farbbroschüre "Der Tunnel", Gedenkmünzen zu je einer Mark sowie die Farbpostkarten "Hamburgs neuer Elbtunnel mit Kinderaugen" für zwei Mark. Mobile Postämter geben Sonderstempel mit Tagesangabe aus.

Ab 10. Januar 1975 rollt der Verkehr

Etwa 600.000 Fußgänger bevölkern an den fünf Tagen den Elbtunnel. Am 10. Januar 1975 schließlich gibt Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) den Tunnel offiziell für den Verkehr frei. Im trüben Hamburger Winterwetter hebt er die Bedeutung des staatlichen Verkehrswegebaus für die Privatwirtschaft und die Schaffung von Arbeitsplätzen hervor.

Mit einem Hebeldruck übergibt Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) am 10. Januar 1975 in Hamburg den neuen Elbtunnel dem Verkehr.

Mit einem Hebeldruck übergibt Bundeskanzler Helmut Schmidt den Neuen Elbtunnel am 10. Januar 1975 dem Verkehr.

Hamburgs Erster Bürgermeister Hans-Ulrich Klose sagt in seiner Eröffnungsrede: "Der Tunnel rückt Länder, Regionen, Stadtteile, das heißt: Menschen näher zusammen. Dieser Tunnel war sozusagen das Missing Link in der internationalen Verkehrsverbindung zwischen Skandinavien, West- und Südeuropa." Der Nord-Süd-Durchgangsverkehr brauche sich nicht mehr durch das Nadelöhr Elbbrücken und durch die überlasteten innerstädtischen Hauptverkehrsstraßen zu zwängen. "Das spart viel Zeit und auch Nerven." Er verleiht der Hoffnung Ausdruck, der Neue Elbtunnel möge die Verkehrsprobleme der Stadt lösen: "Dieser Tunnel ist für uns ein Stück Zuversicht und Optimismus, er ist ein Stück Hamburg."

Der Neue Elbtunnel in Daten und Fakten


Baubeginn: 19. Juni 1968
Eröffnung: 10. Januar 1975
Länge: 3.325 Meter, davon 2.653 Meter geschlossen
Tiefe (Fahrbahn): bis zu 27 Meter
Röhren: 3 à 2 Spuren (seit 2002 4 Röhren)
Bauverfahren: Schildvortrieb, eingeschwommene Tunnelelemente, offener Tagebau
Baukosten:
500 Mio D-Mark für die ersten drei Röhren
550 Millionen Euro für die vierte Röhre
Nutzung:
1975: 55.000 Fahrzeuge pro Tag
heute: 152.000 Fahrzeuge pro Tag

Eine vierte Röhre muss her: "Trude" bohrt sich durch

Doch die Rechnung geht nicht lange auf. Die ersehnte langfristige Entlastung bringt der Tunnel nicht. 45 Monitore überwachen den Verkehr auf der sechsspurigen Unterführung sowie die Ein- und Ausfahrten. Die Zahl der Pkw und Lkw wird erfasst: Fahren 1975 täglich noch etwa 55.000 Fahrzeuge hindurch, sind es einige Jahre später schon 100.000. Dabei sind die drei Röhren eigentlich nur für rund 70.000 Pkw und Lkw ausgelegt. Regelmäßige Staus sind das Ergebnis. Zu der Fülle an Fahrzeugen gesellt sich bei den Autofahrenden auch regelmäßig das Phänomen, dass sie vergessen, an der Steigung wieder Gas zu geben, um nicht an Geschwindigkeit zu verlieren. Die Folge: weitere Staus.

Der anfänglichen Begeisterung für den Tunnel folgt Ernüchterung. 1982 beschließt der Hamburger Senat den Bau einer vierten Röhre und beantragt das Projekt beim Bundesverkehrsministerium - acht Jahre vergehen bis zum Planfeststellungsbeschluss, weitere fünf bis zum Baubeginn. Zum Einsatz kommt diesmal die mit einem Außendurchmesser von gut 14 Metern seinerzeit größte Tunnelbohrmaschine der Welt - von den Hamburgern liebevoll "T.R.U.D.E." (Tief runter unter die Elbe) genannt. Rund sechs Meter pro Tag bohrt sich der 2.300 Tonnen schwere Koloss unter der Elbe durch.

Ein Schweißarbeiter 1997 auf der Baustelle zur vierten Elbtunnelröhre in Hamburg vor dem Bohrkopf der Tunnelbohrmaschine "Trude".

Rund sechs Meter frisst sich die damals größte Tunnelbohrmaschine der Welt Ende der 90er unter der Elbe durch.

Rund sieben Jahre und 550 Millionen Euro später wird die vierte Elbtunnelröhre am 27. Oktober 2002 eingeweiht. Abermals sind die Hamburger eingeladen, sie zu Fuß zu durchqueren, und Tausende Neugierige kommen. Tags darauf werden die neuen Fahrbahnen für den Verkehr freigegeben. Dass alle vier Röhren gleichzeitig befahrbar sind, ist aber erst am 19. Mai 2004 der Fall.

Der Elbtunnel - bis heute ein Nadelöhr

Ein Nadelöhr bleibt der Elbtunnel aber trotz der Erweiterung. Denn der Verkehr nimmt weiter zu - rund 165.000 Fahrzeuge täglich prognostizieren Experten für das Jahr 2025. Zudem müssen die alten Röhren saniert und modernisiert werden, sodass nicht ständig alle vier geöffnet sind.

Immer wieder wird den Autofahrenden Geduld abverlangt. Aktuell wird die A7 weiter ausgebaut und bekommt im Hamburger Stadtgebiet sogenannte Autobahn-Deckel - als Schutz gegen Lärm. Im Rahmen der Baumaßnahmen sind Staus rund um den Tunnel daher weiterhin an der Tagesordnung. Die Arbeiten sollen bis 2028 dauern.

Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Unsere Geschichte | 09.01.2025 | 20:15 Uhr