HSV-Kapitän Sebastian Schonlau (r) nach dem Schlusspfiff und der 1:3-Niederlage in Braunschweig.

Hamburg Der HSV im Herbst '24 - ein großes Rätsel

Stand: 10.11.2024 15:37 Uhr

Seit den Erfolgen gegen die Topteams Düsseldorf und Magdeburg läuft beim Fußball-Zweitligisten HSV fast nichts mehr. Das 1:3 in Braunschweig war das vierte Pflichtspiel in Folge ohne Sieg. Der Aufstiegskandidat steckt in der Herbstkrise und steht nach der Länderspielpause unter großem Erfolgsdruck.

Von Christian Görtzen

Da standen sie nun und wirkten ratlos. HSV-Kapitän Sebastian Schonlau stemmte nach dem Schlusspfiff in Braunschweig die Hände in die Hüften und blickte ins Leere. Angreifer Davie Selke bedankte sich zu einer "Wir haben es versucht, aber es war nicht doll heute"-Miene mit Applaus bei den eigenen Fans für deren Unterstützung. Und Mittelfeldspieler Jonas Meffert schien mit seinen Gedanken einfach nicht von dieser vermaledeiten 35. Minute wegzukommen, als er den Ball verstolpert und Braunschweigs herausragender Angreifer Rayan Philippe zuerst mit Tempo an Schonlau vorbeizogen war und dann zur Führung eingeschossen hatte.

Vorgezogener Eintracht-Karneval in Braunschweig

Noch zwei weitere Male durften die Spieler und Fans der Eintracht Tore feiern. Und als dann der Schlusspfiff ertönte und der verdiente 3:1-Sieg der zuvor so gar nicht als Abstiegskandidat aufgetretenen "Löwen" feststand, schien es, als liefen die Uhren in Braunschweig plötzlich anders, als sei der Karneval vordatiert worden - vom 11.11. um 11.11 Uhr auf den 08.11. um 20.23 Uhr. Jubel, Trubel und ganz viel Heiterkeit im Stadion an der Hamburger Straße. Nur nicht im Gästeblock und bei den HSV-Spielern, die - um im Bild zu bleiben - wie Karnevalsmuffel ohne Kostüm mit gesenkten Köpfen in die Kabine trotteten.

Drei Ligaspiele in Folge ohne Sieg

Der Herbstblues beim HSV hat sich ausgewachsen - zu einer Herbstkrise. Seit drei Ligaspielen ist die Mannschaft von HSV-Trainer Steffen Baumgart nun schon sieglos und kommt im siebten Zweitligajahr auf ihrem angestrebten Weg in Richtung Bundesliga nicht voran. Durch die magere Ausbeute von lediglich einem von neun möglichen Punkten aus den vergangenen drei Partien ist die Mannschaft von Trainer Steffen Baumgart am zwölften Spieltag auf Rang fünf abgerutscht. Dabei wäre durch ein Sieg in Braunschweig der Sprung auf Rang eins möglich gewesen.

Wettbewerbsübergreifend ist die Erfolglosserie sogar noch etwas länger. Es kommt schließlich noch das Aus im DFB-Pokal in Freiburg hinzu. Der letzte HSV-Sieg datiert vom 20. Oktober, als die Hamburger den 1. FC Magdeburg bezwangen.

"Wir dürfen Ergebnis nicht verwechseln mit Einstellung."
— HSV-Trainer Steffen Baumgart

Trainer Baumgart stellt sich vor das Team

Nach der trotz starker Schlussphase insgesamt enttäuschenden Vorstellung in Braunschweig schien es, als wollten sie es im HSV-Team jetzt partout vermeiden, durch zu viel Selbstkritik die Situation noch zusätzlich zu verschärfen. Baumgart stellte sich vor seine Spieler: "Wir dürfen Ergebnis nicht verwechseln mit Einstellung", sagte der 52-Jährige. "Ich habe heute keinen gesehen, der danebengelegen hat, was Intensität und Laufbereitschaft angeht. Wir haben zu viele Fehler gemacht. Es ist aber ein Unterschied zwischen Mentalität und individuellen Fehlern. Diese individuellen Fehler kosten uns im Moment zu viel."

HSV taumelt in Braunschweig phasenweise

Sicherlich, insgesamt war es aber schon in der ersten Hälfte so, dass die Braunschweiger mit deutlich mehr Leidenschaft auftraten. Und nach dem 0:2 per Traumtor durch Fabio Di Michele Sanchez (49.) kurz nach Wiederbeginn lief bei den Hamburger nichts mehr. Der HSV hing wie ein angeschlagener Boxer in den Seilen. Und nach dem 0:3 (65.), wieder durch Philippe, wandelten die Gäste kurz an der Grenze, von den als Tabellenvorletzter in den Spieltag gegangenen "Löwen" gar vorgeführt zu werden.

Länderspielpause kommt gelegen

Ernüchternd war vor allem die Defensivleistung - allein Philippe traf zweimal auf nicht viel Gegenwehr. Schonlau wollte aber genauso wie Baumgart nicht zu hart mit dem Team ins Gericht gehen. "Nichtsdestrotz glaube ich, die Mannschaft hat bis zum Schluss gezeigt, dass sie sich gewehrt hat und unbedingt den Punkt mitnehmen wollte. Wir hatten dann die zwei Pfostenschüsse, aber es hat dann nicht gereicht", sagte der Abwehrchef dem NDR.

Er räumte auch ein: "Für uns kommt die Länderspielpause jetzt gelegen. Da können wir uns noch mal sammeln. Danach müssen wir noch mal angreifen."

Baumgart und sein Team gegen Schalke unter Druck

Sicher ist aber auch: Die ganze Mannschaft nimmt durch diese Niederlage nun viele Gedanken mit in die Länderspielpause. Schließlich könnte sich der HSV, der sich in den vergangenen Jahren regelmäßig im Frühjahr um alle Aufstiegschancen gebracht haben, nun schon im Herbst sehr viel zunichte machen - sofern nicht schnell die Wende gelingt.

Die nächste Gelegenheit dazu bietet sich am 23. November, einem Sonnabend, im Abendspiel zu Hause gegen den FC Schalke 04. Sollte gegen die "Königsblauen" kein Sieg gelingen, könnte auch Baumgart stark in die Kritik geraten - und das trotz der Siege gegen Düsseldorf und Magdeburg im Oktober.

Dieses Thema im Programm:
Sportclub | 10.11.2024 | 22:50 Uhr