Der einsam gelegene Fußballplatz von Qeqertarsuaq auf Grönland.

Hamburg Fußball und Eisberge: Groundhopper Schrader will mehr als nur den HSV

Stand: 28.10.2024 11:22 Uhr

Groundhopper Dennes Schrader aus Hamburg hat schon Hunderte von Fußball-Stadien gesehen - auf der ganzen Welt ganze Welt. Aber so etwas Verrücktes wie die Meisterschaft in Grönland hat der HSV-Fan noch nie erlebt.

Von Andreas Bellinger und Thorsten Vorbau

Seine Leidenschaft hat ihn in 124 Länder rund um den Erdball geführt, in mehr als 1.500 Stadien hat er Fußballspiele gesehen - aber erst der Trip zu den grönländischen Meisterschaften hat dem Hamburger Dennes Schrader fast die Sprache verschlagen. "Sowas habe ich noch nie erlebt in den 24 Jahren, seit ich zum Fußball fahre", sagt der Groundhopper einigermaßen überwältigt, zeigt auf den Rasenplatz direkt am Meer und ergötzt sich an dem grandiosen Panorama mit turmhohem Eisberg als Fixpunkt.

Grönlands Fußball-Meisterschaft mit Insel-Feeling

"Wahnsinn, echt Wahnsinn", schwärmt Schrader in der Sportclub Story des NDR nach einer zweieinhalbstündigen Schiffstour von Ilulissat an der Westküste zur Diskoinsel, der mit einer Fläche von 8.578 Quadratkilometern (fast zehnmal so groß wie Berlin) größten Nebeninsel Grönlands, dem autonomen Bestandteil von Dänemark. Hier wurde im August (03. bis 10.) binnen einer Woche die Fußball-Meisterschaft des Landes ausgetragen.

Man kennt sich in der Groundhopper-Szene

Der Verwaltungsangestellte aus der Hansestadt ist nicht der einzige Groundhopper, der in diesem Sommer nach Qeqertarsuaq am Polarkreis gekommen ist. Aber sicher einer der bekanntesten. "Man kennt sich", sagt der in der Szene allenthalben "Prof" genannte Fan des Hamburger SV, dem es einst in den Sinn kam, dass die Fahrten mit den Rothosen zwar "cool sind, aber für ihn doch noch mehr kommen muss".

Der Hamburger Gorundhopper Dennis Schrader.

Dennes Schrader war schon in mehr als 1.500 Stadien in 124 Ländern.

Groundhopper wollen für ihre Sammlung möglichst viele Stadien und Spiele weltweit besuchen. Das teure Hobby - gut 130.000 Euro hat er schon investiert - habe er wohl von seinem Vater geerbt, denkt Schrader. Die Liebe zum Fußball wohl weniger, "aber die Sehnsucht nach fremden Ländern und das Reisen schlechthin stecken mir im Blut".

Dennes Schrader - ein "verrückter Hund"

Dass diese Liebe nicht jeder teilt, musste der alleinlebende Vater einer 14-jährigen Tochter leidvoll erfahren: "Es ist halt schwer, eine Frau zu finden, die solch einen verrückten Hund wie mich an ihrer Seite zu schätzen weiß." Man könne keiner Partnerin oder keinem Partner vermitteln, fügt er hinzu, "dass du gerne Urlaub in Nordkorea machst, oder im Niger oder im Tschad. Das wird schwierig - und ist niemandem zu empfehlen. Aber es ist halt meine Leidenschaft."

Mehr noch, gibt Schrader unumwunden zu: "Ich bin ein Fußball-Junkie, muss mir den Kick irgendwo holen und sehe eigentlich immer und überall zu, Fußball gucken zu können." Ein Tag ohne Fußball sei immer schwer, wenn nicht sogar "ein verschenkter Tag". Der "Prof" kickt währenddessen auf dem malerisch gelegenen Platz am Arktischen Ozean mit drei Stuhlreihen am Spielfeldrand für die paar Zuschauer. Mütze und Schal zu einer wärmenden Daunenjacke gehören wie selbstverständlich dazu - trotz grönländischen Sommers. Fußballschuhe statt wärmender Stiefel aber auch.

Groundhopper sind überall

"Man ist schon irgendwo Außenseiter", sagt er ohne Unterton. "Man muss eben manchmal allein reisen, weil die Kumpels keine Zeit haben. Oder in dem Land schon waren, oder das Stadion schon gesehen haben. Aber es ist auch immer eine Chance, neue Leute kennenzulernen." Groundhopper sind überall. Auch auf der Diskoinsel. "Du kannst selbst zu den Eisbergen fahren und findest trotzdem jemanden, den du kennst." Die Basti aus Nürnberg zum Beispiel, mit der er in Angola mal auf einem Boot war.

Der einsam gelegene Fußballplatz von Qeqertarsuaq auf Grönland.

Der Fußballplatz auf der Diskoinsel gehört zu den skurrilsten der Welt.

Barbara "Basti" Kowalski und er stehen eingemummelt auf einem schwarzen Haufen aus Basalt, frönen ihrer Leidenschaft - und beobachten das Treiben auf dem Fußballplatz. "Für mich gibt es nichts Besseres", meint die Ingenieurin aus Franken und gibt zu verstehen: "Das Schönste sind die Kontraste, jetzt hier zu sein mit den imposanten Eisbergen im Hintergrund, nachdem wir vor vier Monaten noch in Spanien in der Sonne waren."

Nationaltrainer Rutkjaer denkt groß

Der Kontrast zwischen der dänischen Profiliga und dem Amateur-Fußball in Grönland schreckte Morten Rutkjaer nicht. Er ist seit vier Jahren Manager des Nationalteams, war Profi in Kopenhagen, spielte einmal in der U19-Nationalmannschaft Dänemarks und hat die höchste Trainerlizenz der Europäischen Fußball-Union (UEFA). "Jeder Spieler will Champion in Grönland werden. Hier auf diesem fantastischen Fußballplatz", sagt der 50-Jährige am Rande des Meisterschaftsfinals der sieben besten Mannschaften.

Grönland stellt Aufnahme-Antrag bei der FIFA

Als Rutkjaer das Angebot des grönländischen Verbandes bekam, musste er nicht lange überlegen. Während die Kollegen seiner Zunft die Entscheidung belächelten, sah er das Potenzial. "Es hat sieben Minuten gedauert, bis ich den Vertrag unterschrieben habe." Erstes Ziel sei nun, Grönland auf die Weltkarte des Fußballs zu bringen. Endlich FIFA-Länderspiele als Mitglied des Kontinentalverbands CONCACAF (für Nord- und Zentralamerika sowie die Karibik) machen zu dürfen. "Wir sind bereit, hoffentlich klappt es in den kommenden Jahren." Der Aufnahme-Antrag ist im vergangenen Mai abgegeben worden.

groenlands fussballer spielen vor Eisberg

Fußball ist in Grönland Sportart Nummer eins.

Für Fußball-Halle "Airdome" fehlt noch Geld

Überdies soll eine Fußball-Halle entstehen, damit nicht nur in der kurzen (eisfreien) Zeit gespielt und trainiert werden kann. Fußball ist schließlich Sportart Nummer eins in Grönland. 39 Clubs gibt es im Verband mit dem Namen "Kalaallit Arsaattartut Kattuffiat". Von den etwa 55.000 Einwohnern spielt jeder Zehnte im Verein. Alles Amateure, denn Geld verdienen kann man auf der größten Insel der Erde mit Fußball nicht, auch wenn die finalen Spiele im TV zu sehen sind. "Wir planen einen Airdome", erzählt Rutkjaer. Nur das nötige Geld fehle noch.

Schrader: "Ökologischer Fußabdruck nicht vorzeigbar"

Zum Finale der kürzesten Meisterschaft der Welt sind drei weitere Groundhopper hinzugekommen. Für ihr Hobby fliegen sie Zigtausende Kilometer um den Erdball. Keine gute Idee in Zeiten des Klimawandels, bekennen sie selbstkritisch. "Wir wissen alle, dass es nicht gut ist, was wir machen", so Schrader im NDR. Doch im selben Atemzug spricht er auch von dem, was sie gerne unternehmen und was sie erfüllt. Ein Zwiespalt - zugegeben - angesichts des bedenklichen ökologischen Fußabdrucks, den sie dabei hinterlassen: "Das ist natürlich nicht vorzeigbar."

Nuuk-Spieler feiern Meisterschaft mit Eisbad im Meer

Doch der Reiz und die Leidenschaft obsiegen. Besonders, wenn der Spielplatz, das Panorama und das Ambiente so außergewöhnlich sind wie in der ebenso schönen wie beruhigenden Einöde Grönlands. "Es ist ein dörflicher Charakter, aber trotzdem fühlt man sich wie bei einer ganz großen Nummer. Ich habe noch nie sowas Verrücktes wie die grönländische Meisterschaft gesehen", sagt Schrader zutiefst zufrieden, während Mannschaft und Anhänger des alten und neuen Meisters B-67 aus Nuuk vor der atemberaubenden Eisberg-Kulisse ihren 15. Titelgewinn feiern - und im Überschwang sogar ein Bad im bitterkalten Meer nehmen.

Ein "Groundhopper" auf dem Weg nach Grönland

Dieses Thema im Programm:
Sportclub Story | 27.10.2024 | 23:35 Uhr