Hessen 100 neue Stellen für überlastete Staatsanwaltschaften in Hessen
Immer mehr Fälle, aber zu wenig Personal: In Hessens Staatsanwaltschaften wachsen die Aktenstapel und der Frust. Justizminister Heinz will nun für spürbar mehr Personal sorgen.
Mehr als 100.000 unerledigte Ermittlungsverfahren zählte die Justiz Mitte dieses Jahres in Hessen. Denn ob häusliche Gewalt, Delikte im Internet oder Antisemitismus: Die Kriminalität stieg zuletzt. Weil ihr Personal chronisch überfordert ist, schlugen die Chefs und Chefinnen der hessischen Staatsanwaltschaften schon vor Monaten intern Alarm.
Sie taten es direkt bei Hessens Justizminister Christian Heinz. In einem Brief an den CDU-Politiker riefen sie im Mai "mit einer dringenden Bitte" nach mehr Personal. "Der Rechtsstaat gerät in Gefahr", hieß es zu den Folgen der Überlastung. Kommt der Staatsanwalt mit der Arbeit nicht nach, wird auch das Urteil später gefällt.
Nun will das Land nach hr-Informationen in größerem Umfang reagieren. Justizminister Heinz wird am Dienstag in einer Regierungserklärung vor dem Landtag bekanntgeben, dass der Etatentwurf für 2025 die Schaffung von 100 neuen Stellen für die Staatsanwaltschaften vorsieht.
Vertrauen in Rechtsstaat soll gestärkt werden
Mit 50 Stellen ist die eine Hälfte für Staatsanwälte und Staatsanwältinnen vorgesehen, die andere für Beschäftigte in den Geschäftsstellen.
Die Aufstockung packt Heinz am Dienstag in seine erste Regierungserklärung. Er ist seit Mitte Januar im Amt, als die CDU/SPD-Landesregierung ihre Arbeit aufnahm. Die Regierungserklärung verspricht im Titel "In herausfordernde Zeiten: Das Vertrauen in den Rechtsstaat stärken".
Der neue Justizminister: Christian Heinz
Gekürzt wird woanders
In den neuen Stellen sieht Heinz dieses Versprechen erfüllt, zumal die Haushaltslage des Landes wegen des Einbruchs der Steuereinnahmen angespannt ist. CDU-Regierungschef Boris Rhein hat gerade angekündigt, 180 Millionen Euro sparen zu wollen, indem der zweite Schritt einer Besoldungserhöhung für die Landesbeamten verschoben wird.
Außerdem soll nur jede dritte Beamtenstelle, die frei wird, nachbesetzt werden. Heinz geht davon aus, dass die Justiz von dieser Sparmaßnahme ausgenommen wird, wie er dem hr vergangene Woche sagte.
Der Minister hat den Fokus in den Haushaltsberatungen auf die Staatsanwaltschaften gelegt, weil die Belastung dort auch nach seiner Meinung "außergewöhnlich hoch" ist. Das bedeute aber nicht, dass an Gerichten und im Justizvollzug Stellen gekürzt werden. Man wolle vielmehr auch dort verstärkt um Personal werben.
Staatsanwaltschaften noch nicht am Ziel
Erfüllt sind die Wünsche der Leitungen der Staatsanwaltschaften mit den 100 angekündigten neuen Stellen aber noch nicht. In ihrem Alarm-Brief an den Minister hielten sie insgesamt 374 neue Stellen für erforderlich: 177 für Staatsanwälte und 197 in den Geschäftsstellen.
Könnte das Land die laut Justizminister Heinz geplanten neuen Stellen alle besetzen, würden demnach noch 274 weitere fehlen: 127 für Staatsanwälte, 147 in den Geschäftsstellen.
In ihrer Berechnung beziehen sich die Staatsanwaltschaften auf das im Koalitionsvertrag von CDU und SPD ausgegebene Ziel, die Belastungsquote auf das Idealmaß von 100 Prozent zu drücken. Aktuell liege sie bei 140 Prozent. Das bedeutet: In Hessen arbeitet jeder Staatsanwalt das Pensum von fast anderthalb Stellen ab.
Dass das Idealmaß für gute Arbeitsbedingungen noch nicht erreicht sei, führe nicht nur dazu, dass die Qualität nachlasse und es zu Rückständen in der Arbeit komme. Auch die Gesundheit der Mitarbeiter leide, so die Leitenden Oberstaatsanwälte in ihrem Brandbrief. Aus dem Justizministerium wird darauf verwiesen, dass in den Jahren 2023 und 2024 bereits 47 neue Stellen für Staatsanwälte hinzukamen.
Parlamentsberatung kommt noch
Der Etatentwurf von CDU und SPD für das kommende Jahr mit den Personalplänen für die Staatsanwaltschaften wird voraussichtlich im Dezember erstmals Thema im Landtag sein. Mit einer Verabschiedung ist erst Anfang des kommenden Jahres zu rechnen.