
Hessen Grundsteuer in Hessen: 280.000 Einsprüche gegen neue Sätze
Anfang des Jahres trat die Grundsteuerreform in Hessen in Kraft. Die Kommunen haben ihre Bescheide verschickt. Doch viele Bürger halten die neuen Sätze für überzogen und wollen sich dagegen wehren.
Obwohl Erich Jöckel sich als ruhigen Zeitgenossen beschreibt, ist ihm anzumerken, dass ihm die Grundsteuerreform gewaltig stinkt. Der 70 Jahre alte Pensionär wohnt in Dreieich und besitzt in Mühlheim (beides Kreis Offenbach) ein Mehrfamilienhaus, das er vermietet. Dafür soll er neuerdings jährlich rund 1.520 Euro zahlen, während es vorher etwa 490 Euro waren. "Damit hat sich die Grundsteuer verdreifacht", sagt Jöckel: "Das ärgert mich."
Den Anstieg bei der Grundsteuer will der Pensionär nicht so einfach hinnehmen. Schon 2022 wurde er aktiv, weil er bei den ersten Schritten zur neu gestalteten Ermittlung der Steuer einen Fehler vermutete.
Jöckel legte damals Einspruch ein gegen den Grundsteuermessbescheid, den das zuständige Finanzamt Offenbach verschickt hatte. Das Dokument ist ein Vorläufer zum eigentlichen Grundsteuerbescheid, den die Kommunen versenden.
"Man läuft gegen eine Wand"
Der Stein des Anstoßes war der sogenannte Bodenrichtwert, der den Wert von Grundstücken in einer Region widerspiegelt. Jöckel fand, dass dieser in seinem Fall zu hoch angesetzt sei. Er sei viel höher gewesen, als er selbst ihn angegeben habe. "Das Finanzamt hat mir bestätigt, dass mein Einspruch eingegangen ist", erzählt der 70-Jährige: "Ansonsten keine Reaktion. Man läuft gefühlt gegen eine Wand."
Das Finanzamt will sich zu dem Fall nicht äußern und verweist auf das Steuergeheimnis. Erich Jöckels Einspruch ist einer von knapp 280.000 Einsprüchen, die die hessischen Finanzämter nach Angaben der Oberfinanzdirektion Frankfurt insgesamt erhalten haben.
Bei mehr als 2,7 Millionen verschickten Bescheiden in ganz Hessen zweifelten demnach die Grundsteuerpflichtigen gut jeden zehnten an. Rund 100.000 Einsprüche hätten die Ämter schon bearbeitet, teilte die Oberfinanzdirektion mit. Wie viele Verbraucher mit ihrem Widerspruch erfolgreich gewesen seien, erfasse man nicht.
Einsprüche nur manchmal sinnvoll
Etliche Immobilienbesitzer wollen sich deshalb beraten lassen beim Eigentümerverband Haus und Grund in Hessen, wie dessen Geschäftsführer Younes Frank Ehrhardt berichtet: "Viele sind sehr verärgert, weil es für sie teurer wird, für manche merklich teurer." Grundsätzlich kann Ehrhardt allerdings nicht empfehlen, gegen die Grundsteuer Einspruch einzulegen.
Das sei nur in bestimmten Fällen sinnvoll, meint der Verbandssprecher. Etwa wenn die Berechnung der Grundsteuer fehlerhaft sei oder etwa bei der Erhebung der Werte zu einem Grundstück oder einer Immobilie Fehler aufträten. "Ansonsten haben Betroffene mit ihren Einsprüchen beim Finanzamt wenig Aussicht auf Erfolg", sagt Ehrhardt. Auch Einsprüche bei Kommunen würden kaum etwas bringen.
Stadt verweist zurück ans Finanzamt

Erich Jöckel ärgert sich über seinen Grundsteuerbescheid.
Erich Jöckel aus Dreieich hat auch das probiert. Als er Anfang des Jahres von der Stadt Mühlheim seinen Grundsteuerbescheid bekommen hatte, legte er dort ebenfalls Einspruch ein. Mit der Begründung, die Erhöhung grenze an Wegelagerei. Die Antwort hat ihn ernüchtert. "Ich müsse mich wieder ans Finanzamt wenden - das ist ein klassischer Kreisverkehr", sagt der Vermieter und schüttelt den Kopf.
Die Stadt Mühlheim will zu Jöckels Fall nichts sagen. Es gebe solche Einsprüche häufiger, heißt es, Zahlen dazu habe man nicht.
Teils deutliche Erhöhungen
Der Bund der Steuerzahlen Hessen hat eine Aufstellung zu den neuen Hebesätzen in Kommunen im Land gemacht. Der höchste gilt in Heusenstamm (Offenbach) mit 1.327 Punkten. Die üppigste Erhöhung mit plus 131 Prozent gab es in Löhnberg (Limburg-Weilburg).
In Löhnberg haben Steuerpflichtige von den rund 2.800 verschickten Bescheiden etwa 260 angezweifelt. Heusenstamm spricht rund hundert Anrufern, die ihrem Ärger Luft gemacht hätten. Dazu habe es knapp 70 schriftliche Widersprüche gegeben, von denen man zusammen mit dem Finanzamt bei sieben habe Abhilfe schaffen können.
"Kommunen mit dem Rücken zur Wand"
Auch im Fall Heusenstamm wird deutlich: Einsprüche bringen nur etwas, wenn es bei der Grundsteuer um Rechenfehler oder falsche Angaben geht. Ein Widerspruch gegen die Höhe der Abgabe an sich nutzt laut Stadt dagegen wenig, weil sie das neue Grundsteuerrecht korrekt angewendet habe.
Die Stadt Lindenfels (Bergstraße) hätte den Hebesatz nach Empfehlung des Finanzministers Alexander Lorz (CDU) senken sollen. Stattdessen hat sie ihn um mehr als 380 auf 990 Punkte erhöht. Dadurch nehme die Stadt mehr Grundsteuer ein, nämlich 1,9 Millionen Euro, sagt Bürgermeister Michael Helbig.
Aber selbst damit sei die Sanierung beispielsweise von Straßen, Feuerwehren und dem Schwimmbad kaum zu bezahlen, räumt der SPD-Politiker ein. "Die Kommunen stehen mit dem Rücken zur Wand", sagt Helbig. In Lindenfels habe man 50 Einsprüche bekommen, trotzdem müssten die Betroffenen die Grundsteuer fristgerecht bezahlen.
Haus und Grund fordert Grundsteuerbremse
Wie der Bund der Steuerzahler ermittelt hat, haben 60 Prozent der hessischen Kommunen ihre Hebesätze über die Empfehlungen des Landes hinaus erhöht. Es seien eben keine verbindlichen Vorgaben gewesen, betonte Finanzminister Lorz bei einer Landtagsdebatte Ende Februar. Das Land hatte in Aussicht gestellt, dass die Kommunen im Zuge der Reform nicht mehr Grundsteuer verlangen würden als vorher, und hatte die dazu passenden Hebesätze berechnet.
Haus und Grund fordert von der Landesregierung eine Grundsteuerbremse. "Wir brauchen bei den Hebesätzen einen Maximalwert", findet Verbandssprecher Ehrhardt. Außerdem soll es aus seiner Sicht Härtefallregelungen geben, die Immobilienbesitzer und gegebenenfalls ihre Mieter entlasten.
Über Nebenkosten weitergereicht an Mieter
Dafür wäre auch Erich Jöckel dankbar. Trotz allem Unmut hat er die gestiegene Grundsteuer bereits überwiesen und wird sie weiterreichen an die Familien, die in seinem Haus in Mühlheim wohnen - über die Nebenkosten.
"Die werden allmählich zur zweiten Miete", sagt der 70-jährige Pensionär und wirkt unzufrieden. Obwohl er viel in Bewegung gesetzt hat, hat er kaum etwas erreicht.