Hessen Morddrohungen gegen Pfarrer nach Antisemitismus-Eklat auf Darmstädter Weihnachtsmarkt
Nach einem Weihnachtsmarkt in einer Darmstädter Gemeinde mit ausliegendem antisemitischen Material hat die Evangelische Kirche dem Pfarrer die Amtsausübung untersagt. Der Mann reagierte darauf erleichtert.
Nach der Veröffentlichung antiisraelischer und antisemitischer Symbole auf einem Weihnachtsmarkt der evangelischen Michaelsgemeinde in Darmstadt gibt es mehrere Strafanzeigen deswegen. Am Donnerstag hat die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) dem verantwortlichen Pfarrer vorläufig die Ausübung seines Amtes untersagt.
Damit dürfe der Theologe beispielsweise keine Weihnachtsgottesdienste in seiner Gemeinde leiten, teilte eine EKHN-Sprecherin dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit. Sollten sich die Anschuldigungen bestätigen, behalte sich die Kirche vor, weitere rechtliche Schritte einzuleiten.
Pfarrer: Morddrohungen am Telefon
Pfarrer Manfred Werner konnte eine entsprechende Mitteilung am Donnerstag nicht bestätigen. "Ich würde es begrüßen, in dieser Situation von der Ausübung meines Amtes entbunden zu werden", sagte er dem epd. Er habe Morddrohungen gegen ihn und seine Familie von mehreren Personen am Telefon und von einer Person per SMS erhalten.
Er habe dies der Polizei mitgeteilt und die Kirchenleitung um Unterstützung gebeten. Werner sagte, er hoffe, dass die Kirche ihn aus seinem Dienst herausnehme und ihn schütze. "Ich sehe mich in eine Ecke gedrängt, gegen die ich immer gekämpft habe", sagte der Pfarrer. Mehrere Künstler hätten ihm unterstützende Botschaften geschickt.
Das für die Organisation des Weihnachtsmarkts zuständige Mitglied des Gemeindevorstands ist unterdessen zurückgetreten, wie am Freitag bekannt wurde. Damit wolle der ehrenamtliche Mitarbeiter Schaden von der Gemeinde abwenden.
Mehrere Strafanzeigen
Der Antisemitismus-Eklat auf einem Darmstädter Weihnachtsmarkt hat für die Beteiligten auch ein juristisches Nachspiel. Der Staatsanwaltschaft Darmstadt liegen mehrere Strafanzeigen vor.
Die EKHN erstattete am Mittwoch Strafanzeige gegen die Michaelsgemeinde. "Wir haben den Gemeindevorstand wegen des Verdachts auf Volksverhetzung angezeigt", bestätigte eine Sprecherin der Landeskirche dem hr. Auch der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker (CDU) erstattete Strafanzeige wegen mutmaßlichem Antisemitismus.
Bereits am Dienstag gingen die Jüdische Gemeinde und mehrere Privatpersonen juristisch gegen die evangelische Gemeinde und den Mitveranstalter "Darmstadt4Palestine" vor. Die Anzeigen richteten sich gegen das Ausstellen verfassungswidriger und terroristischer Symbole, sagte der Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Daniel Neumann.
Michaelsgemeinde fühlt sich getäuscht
Unterdessen erwägt auch die Michaelsgemeinde selbst, gegen die mutmaßlich verantwortliche Palästina-Solidaritätsgruppe "Darmstadt4Palestine" Anzeige zu erstatten. Die Gruppe habe ihn und die Gemeinde getäuscht, sagte Pfarrer Manfred Werner am Donnerstag: "Ich bin tief enttäuscht, dass das Vertrauen der Gemeinde missbraucht wurde."
Die "Zurschaustellung dieser Symbole" sei mit ihm nicht abgesprochen gewesen, betonte er: "Und sie wäre, da menschenverachtend, von mir auch nie gestattet worden." Werner betonte, die Gemeinde werde in jeder Hinsicht mit der Staatsanwaltschaft kooperieren.
In einem Statement auf der Seite der Gemeinde äußerte sich der Pfarrer am Mittwoch zu dem Vorfall. Er habe Verständnis für die Empörung und entschuldige sich bei der Jüdischen Gemeinde.
Zusammen mit "Darmstadt4Palestine" hatte die Gemeinde am vergangenen Wochenende den "Anti-Kolonialen Friedens-Weihnachtsmarkt" veranstaltet. Die Gruppe fühlt sich durch die Bericherstattung und die Reaktionen "diffamiert", wie "Darmstadt4Palestine" am Donnerstag auf Instagram schreibt. Zum konkreten Antisemitismus-Vorwurf äußert sich die Gruppe nicht.
Antisemitische Symbole und Parolen
Auf dem Weihnachtsmarkt im Martinsviertel waren am Wochenende etwa Lebkuchenherzen oder Schlüsselanhänger mit Slogans und dem roten Dreieck aufgetaucht - das Dreieck ist das Erkennungszeichen der verbotenen Terrororganisation Hamas. Auch Stofftaschen, auf denen eine Landkarte Israels mit dem Schriftzug "Palästina" darüber zu sehen ist, wurden angeboten. Eine Grafik, die das Existenzrecht Israels infrage stellt.
Auf Flyern war der Spruch "From the river to the sea" zu lesen, über dessen Strafbarkeit die Gerichte seit Monaten diskutieren. Mit der Parole wird ein freies Palästina gefordert - und damit nach der Überzeugung vieler die Auslöschung Israels.
Bilder "zutiefst verstörend"
Die Landeskirche distanzierte sich am Mittwoch deutlich von dem Vorfall. Grundsätzlich sei es legitim, auf das Anliegen der notleidenden Menschen in Gaza aufmerksam zu machen, so die EKHN. Der Verkauf von Gegenständen mit Symbolen, die in Verbindung mit der Terrororganisation Hamas stehen, sei aber inakzeptabel: "Antisemitismus darf in unserer Kirche keinen Platz haben."
Darmstadts Oberbürgermeister Hanno Benz (SPD) nannte die Bilder "zutiefst verstörend" und kritisierte die Michaelsgemeinde scharf. Eine solche Veranstaltung unter dem Dach einer evangelischen Gemeinschaft durchzuführen, sei "unerträglich", so Benz. Der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker (CDU) sagte am Mittwoch, man habe hier Weihnachten zur Verbreitung von Judenhass missbraucht.