Hessen Bauwirtschaft in Hessen: Scharfe Kritik an Wohnungspolitik und Hessengeld
Verbände und Opposition vermissen von der schwarz-roten Landesregierung eine Wohnungsbauoffensive. Allein im Rhein-Main-Gebiet seien 200.000 Wohnungen in bestehenden Gebäuden möglich. Der dafür zuständige Minister kündigt Entscheidungen über Fördermittel an.
Gute Ansätze, aber zu wenig Tempo: Darauf läuft nach Ansicht des Verbands der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft (VdW Südwest) die Wohnungspolitik der CDU/SPD-Landesregierung in Hessen ein Jahr nach Beginn der Legislaturperiode hinaus.
"Die Trendwende auf dem hessischen Wohnungsmarkt ist noch nicht gelungen. Nach wie vor gibt es viel zu wenige bezahlbare Wohnungen, und der Neubau liegt nahezu brach", bilanziert Verbandschef Axel Tausendpfund am Dienstag. Die Zahl der Baugenehmigungen im Land sinke seit 2022. Allein im November 2024 habe sie um die Hälfte unter derjenigen vom Vorjahresmonat gelegen. "Was nicht genehmigt wird, kann nicht gebaut werden", sagt Tausendpfund.
Der VdW Südwest erwartet daher, dass die Lücke zwischen dem Bedarf an bezahlbarem Wohnraum und den verfügbaren Wohnungen in den kommenden Jahren größer wird. "Wir werden auf noch größere Engpässe zusteuern. Immer mehr Menschen werden kein Zuhause finden, das sie sich leisten können", warnt Tausendpfund.
"Hessengeld entlastet breite Schicht überhaupt nicht"
Der Verbandschef räumt ein, dass dies auch an den "allgemein ungünstigen Rahmenbedingungen" liege. Höhere Zinsen und Rohstoffpreise sowie die hohe Teuerungsrate haben auch die Baukosten steigen lassen. Der Verband der Wohnungswirtschaft hätte sich nach den Worten von Tausendpfund jedoch vom zuständigen Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD) "eine Wohnungsbauoffensive gewünscht, die schnell zu mehr bezahlbaren Wohnungen führt".
Stattdessen habe sich die schwarz-rote Koalition bislang mit der von Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) vorangetriebenen Einführung des Hessengelds begnügt, das Käufern von Wohneigentum einen Teil der Anschaffungskosten erstattet. "Dies entlastet jedoch eine breite Schicht überhaupt nicht - nämlich alle die Menschen, die sich kein Eigentum leisten können, die aber auch keinen Anspruch auf eine geförderte Wohnung haben", betont der VdW Südwest.
CDU und SPD hätten damit "nicht den Menschen geholfen, die mit kleineren oder mittleren Einkommen auf eine Mietwohnung angewiesen sind". Geeigneter dafür wäre nach Überzeugung des Verbands eine Absenkung der Grunderwerbsteuer, da damit die Baukosten von Wohnungsbaugesellschaften sänken.
Auf den Gesetzentwurf gegen spekulativen Leerstand, den Mansoori vorige Woche im Landtag vorstellte, geht der Verband nicht ein. Der Minister sieht darin ein Mittel gegen Wohnungsmangel. Allerdings konnte er nicht darlegen, wie viele Wohnungen von dem Verbot betroffen sein könnten und wie die Kommunen von überlange leer stehenden Domizilen erfahren könnten.
Bislang keine Bescheide über Fördermittel für 2024
Der VdW Südwest fordert außerdem geringere Anforderungen an Brand- und Schallschutz beim Dachgeschossausbau und bei Aufstockungen von Wohngebäuden. Der Ausbau von Dachgeschossen zu Wohnraumzwecken solle grundsätzlich ohne Genehmigung erlaubt sein. "Hier liegt enormes Potenzial. Allein im Rhein-Main-Gebiet könnten rund 200.000 zusätzliche Wohnungen entstehen", glaubt Tausendpfund und fordert eine rasche Novelle der Bauordnung.
Eile geboten sieht der Verbandschef auch bei der Bewilligung von Anträgen auf Landesmittel für geförderten Wohnraum, also sogenannte Sozialwohnungen. Wirtschaftsminister Mansoori habe die Bescheide für Ende 2024 angekündigt, aber nicht geliefert - dies solle aber bald geschehen, teilt das Ministerium mit.
Ministerium berichtet von ungewöhnlich hoher Nachfrage
Die Prüfung der Anträge sei inzwischen abgeschlossen. Das Ministerium weist darauf hin, dass es im vergangenen Jahr "eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach den Mitteln der sozialen Wohnraumförderung" gegeben habe. Die Förderung durch das Land biete "weiterhin eine wirtschaftliche Basis für den Neubau bezahlbarer Wohnungen". In diesem Segment gebe es daher, anders als im frei finanzierten Wohnungsbau, bislang keinen Rückgang.
Das Wirtschaftsministerium sieht für die Förderung von Wohnraum für das vergangene Jahr rund 120 Millionen Euro vor. 2021 wurden knapp 370 Millionen Euro dafür ausgegeben im Land, 2022 waren es 349 Millionen Euro - diese Summen beinhalten allerdings auch Bundesmittel, nicht allein Geld aus dem Landeshaushalt.
Erst unter Mansooris Vorgänger Tarek Al-Wazir (Grüne) wurde der langjährige Rückgang bei der Zahl der Sozialwohnungen in Hessen 2022 gestoppt, wenn auch der Zuwachs in jenem Jahr nur bei etwa 1.600 lag. Nach Ansicht des Mieterbunds fehlen derzeit im Land rund 80.000 geförderte Wohnungen mit geringeren Mieten.
Grüne: Minister verprellt wichtige Partner
"Was ist los im Wohnungsbauministerium von Herrn Mansoori?", fragt die Grünen-Landtagsabgeordnete Martina Feldmayer und kündigt an, dies den Minister selbst mit einem dringlichen Berichtsantrag im Wirtschaftsausschuss Mitte Februar fragen zu wollen. Die sozial orientierten Wohnungsbaugesellschaften seien "unsere größten Verbündeten, wenn es um die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum geht". Aber eben diese verprelle Mansoori, indem er die Förderzusagen völlig unüblich nicht am Jahresende verschickt habe.
FDP: Mansoori liefert nicht
Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Stefan Naas schließt sich der Kritik des VdW Südwest an und kommt zum Schluss: "Minister Mansoori kann Wohnungsbau nicht." Die Branche rufe nach einer Wohnungsbauinitiative und nach weniger strengen Vorschriften, doch Mansoori gebe ihnen noch nicht einmal Klarheit über die Förderung. "Es kann nicht sein, dass der Minister einerseits sozialen Wohnungsbau fordert, dann aber nicht liefert, weil er offenbar nicht genügend Geld bereitgestellt hat", bemängelt Naas.