Hessen Bürgermeisterwahl in Löhnberg: Wie diese Männer die Pleite-Kommune retten wollen
Ein dickes Minus auf den Gemeindekonten, verschollene Aktenordner, jetzt sogar eine Razzia im Rathaus. Die mittelhessische Gemeinde Löhnberg steckt tief im Schlamassel. Trotzdem wollen drei Kandidaten hier Bürgermeister werden. Warum nur?
Die mittelhessische Gemeinde Löhnberg (Limburg-Weilburg) ist aufgrund ihrer desolaten Finanzlage und vieler Unklarheiten seit Monaten in den Schlagzeilen.
Die Gemeinde legte offenbar jahrelang keine vollständigen Jahresabschlüsse vor, wozu sie aber verpflichtet gewesen wäre. Gleichzeitig häufte sie über Jahre hinweg Schulden an, bis im Mai öffentlich bekannt wurde, dass sie nicht mehr alle ihre Rechnungen zahlen kann.
Der damalige Bürgermeister war zunächst lange krankgeschrieben und ging dann in den vorzeitigen Ruhestand. Inzwischen ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des Verdachts der Untreue.
Derzeit wird die Kommune übergangsweise von einem staatsbeauftragten Bürgermeister geführt. Die Aufklärung gestaltet sich jedoch als schwierig. Denn: Auch Akten sollen aus dem Rathaus verschwunden sein.
Finanziell gibt es in Löhnberg wohl in Zukunft wenig Gestaltungsspielraum: Die Gemeinde hat Sparauflagen bekommen und muss Gebühren und Steuern deutlich erhöhen.
Trotz der schwierigen Lage wollen drei Männer am 9. Februar in Löhnberg zum Bürgermeister gewählt werden. hessenschau.de hat sie gefragt, warum. Hier sind die Antworten der Kandidaten:
Reiner Greve (parteilos)
61 Jahre, Angestellter im öffentlichen Dienst
hessenschau.de: Löhnberg stehen harte Jahre bevor. Wieso stellen Sie sich dieser außergewöhnlichen Herausforderung?
Reiner Greve (parteilos), 61, Angestellter im öffentlichen Dienst, bislang nicht im Gemeindeparlament
Greve: Als Löhnberger mit Familie und Eigenheim verstehe ich die Sorgen und Ängste der Mitbürger. In jeder Krise stecken Chancen und meine Überzeugung ist, dass eine erfahrene Kraft der Verwaltung enormes Entwicklungspotential bietet. Ich halte es für zwingend notwendig, dass eine neutrale, parteilose Person dieses Amt bekleidet, um politische Gräben zu überwinden und gemeinsame Ziele zu entwickeln.
hessenschau.de: Was bringen Sie dafür mit?
Greve: Zunächst einmal 30 Jahre Berufserfahrung in der öffentlichen Verwaltung in leitender Funktion. Als unabhängiger Kandidat mit der Expertise aus einer großen Kommune mit Mentoren auf allen Ebenen, möchte ich Windmühlen errichten, wo andere Mauern bauen. Transparenz, Planbarkeit und ein Dialog auf Augenhöhe sind Werte, für die ich stehe und die es gilt zu leben. Ich verstehe mich als Mitstreiter, der gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern nach Lösungen sucht.
hessenschau.de: Welche drei Punkte würden Sie als Erstes angehen, wenn Sie zum Bürgermeister gewählt werden sollten?
Greve:
- Gespräche führen mit Mitarbeitern, der Politik, den Vereinen und den Bürgern.
- Bürger, die sich engagieren wollen, sollen dies mit Enthusiasmus und Begeisterung machen können, ohne Angst zu haben, ihre Meinung offen zu äußern. Hierfür steht eine App bereit.
- Einen Beschluss herbeiführen, die Aufarbeitung des finanziellen Desasters in neutrale Hände zu geben und mit einer unabhängigen Kämmerei alte Haushalte abschließen und neue aufstellen.
hessenschau.de: Die Gemeinde wird voraussichtlich in den kommenden Jahren wenig finanziellen Spielraum haben, sondern in erster Linie sparen müssen. Wie wollen Sie als Bürgermeister trotzdem gestalten?
Greve: Letztendlich muss jeder Stein umgedreht und jede Investition auf den Prüfstand kommen. Es werden sich Gestaltungsspielräume ergeben, da nicht immer alles eine Frage des Geldes ist. Es gilt kreativ zu sein, um neue Einnahmequellen zu finden und an Stellen zu sparen, wo es problemlos möglich ist. Wer mich kennt weiß, Stillstand ist keine Option. Die Infrastruktur und Lebensqualität unserer Gemeinde muss erhalten bleiben.
hessenschau.de: Sie hatten bislang kein politisches Amt in Löhnberg. Wie würden Sie als Bürgermeister die Aufarbeitung der vergangenen Jahre angehen?
Greve: Meine Beweggründe sind nicht durch persönliche Motive bestimmt. Daher ist für mich klar, dass die Aufarbeitung nur in neutrale Hände gelegt werden kann. Parteilos bedeutet für mich 100 Prozent Neutralität und eine Politik die ausschließlich sachorientiert ist. Darüber hinaus ist der emotionale Schaden sehr viel schwerwiegender zu bewerten. Hier gilt es alles daran zu setzen, dass die Menschen wieder Vertrauen entwickeln.
Wolfgang Grün (parteilos)
64 Jahre, Unternehmer und Landwirtschaftsmeister
Wolfgang Grün, 64 Jahre, Unternehmer und Landwirtschaftsmeister, seit etwa 30 Jahren im Gemeindeparlament
hessenschau.de: Löhnberg stehen harte Jahre bevor. Wieso stellen Sie sich dieser außergewöhnlichen Herausforderung?
Grün: Die Gemeinde ist ein einziger Scherbenhaufen. Der Bürgermeister war lange abwesend, die ersten beiden Stellvertreter wollten die schweren Herausforderungen der finanziellen Lage Löhnbergs nicht angehen. Im Ehrenamt habe ich mich dieser Herausforderungen bereits gestellt und einiges auf dem Weg gebracht. Dabei wurde mir klar, dass Löhnberg einen erfahrenden Praktiker benötigt, der die Menschen, die Region und die Gemeindeverwaltung ein Leben lang kennt. Denn Löhnberg braucht mehr als einen Finanzverwalter.
hessenschau.de: Was bringen Sie dafür mit?
Grün: Der Kindergarten in Niedershausen sollte für ca. 500.000€ erweitert werden. Geld, das wir nicht haben, aber für unsere Kinder dringend benötigt wird. Mein Vorschlag, eine Fensterfront mit zusätzlicher Fluchttür einzubauen, ist auf den Weg gebracht, Zuschüsse sind beantragt, und das kostet nach Abzug der Zuschüsse 30.000 Euro. Das sind Lösungen, die Löhnberg benötigt: pragmatisch, ziel- und lösungsorientiert!
hessenschau.de: Welche drei Punkte würden Sie als Erstes angehen, wenn Sie zum Bürgermeister gewählt werden sollten?
Grün:
- Finanzielle Stabilität der Gemeinde sichern.
- Die Steuererhöhung für 2025 zu reduzieren. Nicht die Bürger Löhnbergs zur Kasse bitten!
- Keine Windkrafträder vor Löhnbergs Tür, um Haushaltslöcher zu stopfen.
hessenschau.de: Die Gemeinde wird voraussichtlich in den kommenden Jahren wenig finanziellen Spielraum haben, sondern in erster Linie sparen müssen. Wie wollen Sie als Bürgermeister trotzdem gestalten?
Grün: Es ist richtig, dass finanzielle Mittel knapp sind. Das bedeutet, wir müssen kreative und durchdachte Lösungen finden. Sparen ja, aber nicht blind und zu Lasten der Bürger Löhnbergs. Es gilt, Projekte neu zu überdenken, die interkommunale Zusammenarbeit zu stärken, um hier Kosten einzusparen. Gleichzeitig müssen wir Fördermittel konsequent nutzen, um die Belastung der Gemeinde zu minimieren. Eine vorausschauende Planung hilft uns, auch mit begrenztem Spielraum wichtige Verbesserungen umzusetzen. Die Familien und Bürger Löhnbergs dürfen nicht, weil es der einfache Weg ist, das Finanzdesaster ausbaden!
hessenschau.de: Sie gehören als Erster Beigeordneter bereits seit Jahren zum Gemeindevorstand. Wie würden Sie als Bürgermeister die Aufarbeitung der vergangenen Jahre angehen?
Grün: Ich werde ehrlich und lösungsorientiert vorgehen. Es bringt nichts, nur zurückzuschauen oder Schuldige zu suchen – wichtig ist, aus Fehlern zu lernen und nach vorne zu schauen. Ich stehe für einen respektvollen Umgang miteinander, für eine sachliche Politik, die alle einbindet. Mein Ziel ist es, die Bürger wieder stärker mitzunehmen, Vertrauen zurückzugewinnen und gemeinsam einen neuen Weg für Löhnberg zu gestalten.
Carsten Kaps (Freie Wähler)
63 Jahre, Kaufmann
Carsten Kaps, X Jahre
hessenschau.de: Löhnberg stehen harte Jahre bevor. Wieso stellen Sie sich dieser außergewöhnlichen Herausforderung?
Kaps: Löhnberg ist meine Heimat, und ich möchte Verantwortung übernehmen, um das verlorene Vertrauen der Bürger in die Verwaltung zurückzugewinnen und unsere Gemeinde wieder zusammenzuführen. Trotz der Herausforderungen sehe ich großes Potenzial, Löhnberg mit seinen vier Ortsteilen in eine bessere Zukunft zu führen – mit Ehrlichkeit, Mut und einem klaren Plan.
hessenschau.de: Was bringen Sie dafür mit?
Kaps: Ich bin seit fast vier Jahren Fraktionsvorsitzender der Wählervereinigung "Freie Wähler – Bürger für Bürger" und habe intensiv zur Aufklärung des Finanzskandals beigetragen. Ich kenne die Strukturen der Gemeindepolitik genau und bringe als Betriebswirt Sachkenntnis, Tatkraft und eine transparente Arbeitsweise mit. Mein Ziel ist es, Offenheit zu schaffen und die Bürger aktiv einzubinden.
hessenschau.de: Welche drei Punkte würden Sie als Erstes angehen, wenn Sie zum Bürgermeister gewählt werden sollten?
Kaps:
- Ein klares Konzept zur Stabilisierung der Gemeindefinanzen entwickeln.
- Die Gemeinschaft stärken, um Spaltungen zu überwinden und ein neues Miteinander zu fördern.
- Die Missstände aufarbeiten und möglichst alle Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.
hessenschau.de: Die Gemeinde wird voraussichtlich in den kommenden Jahren wenig finanziellen Spielraum haben, sondern in erster Linie sparen müssen. Wie wollen Sie als Bürgermeister trotzdem gestalten?
Kaps: Mit Kreativität und klaren Prioritäten: Ressourcen effizient nutzen, Bürger stärker einbinden, Ortsbeiräte bilden und Ehrenamtsprojekte fördern. Sparmaßnahmen dürfen nicht auf Kosten von sozialen und kulturellen Angeboten gehen. Durch kluge Planung und Dialog schaffen wir dennoch Gestaltungsspielraum für z.B. die Reaktivierung von Dorffest und Weihnachtsmarkt.
hessenschau.de: Sie waren bislang in der Opposition und Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler. Wie würden Sie als Bürgermeister die Aufarbeitung der vergangenen Jahre angehen?
Kaps: Die Aufarbeitung wird ein zentrales Thema bleiben. Ich werde alle Informationen offenlegen, Verantwortliche benennen, sie zur Rechenschaft ziehen und dafür sorgen, dass solche Fehler nicht wiederholt werden. Offenheit, Transparenz und Ehrlichkeit sind die Grundlage. Gleichzeitig müssen wir den Blick nach vorn richten und unsere Gemeinde finanziell stabilisieren.
Die Fragen wurden schriftlich gestellt und beantwortet.