Hessen Diskussion zu Fernwärme-Ärger in Großkrotzenburg: Mehr Fragen als Antworten
Nach der überraschend angekündigten Preissteigerung von Fernwärme in Großkrotzenburg wollte die Gemeinde bei einem Infoabend Antworten liefern. Stattdessen sind mehr Fragen geblieben.
Seit Mitte November sind die Menschen in Großkrotzenburg (Main-Kinzig) sauer. Für viele gibt es im Grunde nur ein Thema: die steigenden Kosten für Fernwärme im Ort. Das zeigt sich beim Infoabend, zu der die Gemeinde am Dienstag geladen hat.
Die 350 Stühle im Limesforum sind schon vor Beginn belegt, gut 50 weitere Menschen stellen sich an den Rand des Saals, als Sicherheitsleute die Türen schließen. Der Saal ist voll, wegen der Brandschutzverordnung darf niemand mehr rein. Gut 100 Menschen stehen draußen vor verschlossenen Türen.
Aufgeheizte Stimmung
Das heizt die Stimmung weiter an, auch unter denjenigen, die einen Platz in dem Saal ergattern können, macht sich Verärgerung breit. Alle wollen wissen, warum sich die Kosten für Fernwärme in der kleinen Gemeinde verdoppeln, teilweise um 240 Prozent steigen. Und weshalb diese deutliche Preiserhöhung zum 1. Januar erst Mitte November kommuniziert wurde, obwohl es im Frühjahr noch hieß, die Preise würden nur moderat steigen. Die Menschen fordern auf gute Neuigkeiten.
Solche hat Bürgermeisterin Theresa Neumann (CDU) zumindest teilweise in petto. Sie kündigt an, dass die Preise doch nicht so stark steigen sollen, sondern um etwa ein Drittel weniger, als bisher kommuniziert. Das habe sich aus Verhandlungen der Gemeindewerke mit Uniper, dem Betreiber des Kraftwerks Staudinger, ergeben.
Auf diese kurze, erfreuliche Nachricht folgen Ausführungen, die bei den Menschen aber für weitere Fragen sorgen.
Wirtschaftsministerium widerspricht
Zum Hintergrund: Seit vielen Jahren profitiert Großkrotzenburg vom Kraftwerk Staudinger. Das größte Kraftwerk Hessens liegt direkt vor den Toren der Gemeinde, hat dort jahrzehntelang Strom mit Kohle und Gas produziert. Die dabei entstandene Abwärme konnten die Großkrotzenburger günstig als Fernwärme nutzen. Seit einiger Zeit heißt es in Großkrotzenburg aber, diese Abwärme dürfe nach dem Energiewirtschaftsgesetz nicht mehr genutzt werden, weil das Kraftwerk Staudinger mittlerweile als Netzreserve für den Bund läuft.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat auf hr-Anfrage erklärt, dass das nicht stimme. So spreche nichts dagegen, die Abwärme weiter zu nutzen. Bürgermeisterin Neumann erklärt am Abend ihren Zuhörerinnen und Zuhörern, sie habe erst wenige Stunden vor dem Infoabend von dieser Fehlinformation erfahren. "Das Bundeswirtschaftsministerium hat mich angerufen", erklärt sie und erntet ungläubiges Staunen, gefolgt von Gemurmel.
Fragen und Vorwürfe
Sollte eine Bürgermeisterin mit Kraftwerk im Ort so etwas nicht wissen? Oder zumindest die Gemeindewerke? Es sei bisher immer so kommuniziert worden, sagt Neumann und führt fort: Weil Staudinger in der Netzreserve nur noch unregelmäßig laufe, lohne es sich nicht, die Abwärme zu nutzen.
Das Kraftwerk produziert deshalb jetzt in einem eigens von der Gemeinde angemieteten Heizkessel Fernwärme für die Großkrotzenburger Fernwärmekunden – und das koste eben, erläutert im Anschluss der Leiter der Gemeindewerke, Martin Müller, der sich in der Folge tapfer den vielen Fragen und Vorwürfen stellt.
"Ich fühle mich verarscht"
"Wir haben uns nie an Kunden bereichert und werden es auch nie tun", verspricht er, wird aber immer wieder von Zwischenrufen oder Gelächter unterbrochen. Auch, weil er keine konkreten Zahlen nennen kann oder will – ebenso wenig wie Bürgermeisterin Neumann. Warum wurden die Preissteigerungen mit Fehlinformationen begründet? Wer hat sie verbreitet? Wie stark steigen die Preise denn nun genau? Gibt es Alternativen? Und wer trägt die Schuld an der Misere? Fragen wie diese bleiben schlicht unbeantwortet.
Viele Menschen verlassen den Infoabend deshalb auch schon vor dem Ende. "Ich fühle mich verarscht", sagen danach gleich mehrere. Bürgermeisterin Neumann verspricht indes: "Es wird alles auf links gekrempelt, um zu schauen: Wo können noch Kosten gespart werden?" Den Unmut der Menschen verstehe sie.
Hanau könnte helfen
Immerhin eine Option tut sich auf an diesem Abend: Die ebenfalls anwesende Geschäftsführerin der Stadtwerke aus dem benachbarten Hanau, Martina Butz, bietet an, "dass wir uns mal zusammensetzen und tiefer ins Gespräch kommen".
Hanau, das früher auch von Staudinger versorgt wurde, aber sich frühzeitig um eine Alternative gekümmert und mittlerweile ein eigenes Kraftwerk für Fernwärme in Betrieb genommen hat, könnte womöglich künftig auch Menschen in Großkrotzenburg versorgen, so die Hoffnung vieler Anwesenden. Immerhin eine Erkenntnis dieses Infoabends, von dem ansonsten viele Menschen mit mehr Fragen nach Hause gehen, als sie gekommen sind.