In einem Ausstellungsraum auf der Frankfurter Buchmesse werden Bücher mit Bezug auf Italien gezeigt.

Eröffnung der Frankfurter Buchmesse Gastland Italien sorgt für Irritationen

Stand: 15.10.2024 12:53 Uhr

Die Frankfurter Buchmesse legt in diesem Jahr einen Schwerpunkt auf Liebesromane für junge Erwachsene. Für Irritationen sorgt das Gastland Italien: Regierungskritische Autoren sind nicht Teil der offiziellen Delegation.

Wenn an diesem Mittwoch die Buchmesse in Frankfurt (16. bis 20. Oktober) startet, strömen wieder täglich zehntausende Besucher und Besucherinnen auf das Messegelände. Zunächst ist die weltweit größte Bücherschau nur für das Fachpublikum geöffnet, am Freitag um 14 Uhr öffnet die Buchmesse für alle Interessierten.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) und Italiens Kulturminister Alessandro Giuli eröffnen die 76. Buchmesse mit dem Motto "Read. Reflect. Relate." am Dienstagnachmittag.

Das diesjährige Buchmesse-Gastland Italien hatte bereits im Vorfeld für einen Eklat in der Heimat gesorgt: Der Ehrengast bringt in den kommenden Tagen rund 100 Autoren und Autorinnen mit nach Frankfurt – doch einige bekannte regierungskritische Literaten sind nicht darunter.

Sie waren von italienischer Seite nicht für die Autoren-Delegation ausgewählt worden. Verantwortlich für den Ehrengast-Auftritt ist der Buchmesse-Sonderbeauftragte der italienischen Regierung Mauro Mazza.

Regierungskritische Autoren reisen separat an

Nachdem der regierungskritische Mafia-Enthüllungsautor Roberto Saviano nicht eingeladen worden war, hatten sich dutzende Autoren und Autorinnen aus Italien mit einem offenen Brief gegen den Gastland-Auftritt gewandt und aus Solidarität ihre Teilnahme abgesagt.

In dem Brief warfen sie der ultrarechten Regierung unter Giorgia Meloni vor, nicht genehme und regierungskritische Stimmen von der Buchmesse auszuschließen und sich zunehmend in den Kulturbetrieb einzumischen. 

So treten Saviano und Schriftsteller Antonio Scurati, der die Ministerpräsidentin Meloni schon mal als Erbin Mussolinis bezeichnete, nicht im Pavillon des Ehrengastes auf. Sie reisen auf Einladung ihrer Verlage an und sind zu Gesprächen bei der Schriftstellervereinigung PEN Berlin und auf der Literaturbühne von ARD, ZDF und 3sat (Forum, Ebene 0) geladen.

Auch der Physiker und Autor Carlo Rovelli war zwischenzeitlich von Italiens Delegation ausgeladen worden. Er hatte bei einer Veranstaltung in Italien Melonis Verteidigungsminister kritisiert. Am Dienstag spricht er als Gastredner bei der Eröffnungsfeier – nun wieder als Teil des Ehrengast-Auftritts.

Seien Sie bei der Eröffnung live dabei

Sie können die Eröffnungsfeier der 76. Frankfurter Buchmesse entspannt von zu Hause verfolgen: Die Buchmesse streamt die Veranstaltung von 17 bis 18.30 Uhr auf ihrem YouTube-Kanal. Zur Feier auf dem Messegelände dürfen nur geladene Gäste und akkreditierte Medienvertreter kommen.

"Frankfurt Calling" für weltpolitische Themen

An den fünf Messetagen erwarten die Besuchenden laut Veranstalter rund 1.000 Autoren und Sprecherinnen bei 650 Veranstaltungen auf 15 Bühnen. Für die politischen Debatten hat sich die Messe eine neue Dachmarke ausgedacht: "Frankfurt Calling".

Der israelische Historiker Yuval Noah Harari ("Nexus") diskutiert zum Beispiel mit dem japanischen Philosophen Kohei Saito ("Systemsturz") über unsere Optionen für die Zukunft. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Philosoph Michel Friedman, der die AfD zuletzt bei einer Gedenkfeier im Landtag scharf attackierte, reden über das Spannungsfeld von Freiheit und innerer Sicherheit – und die Folgen für unsere Demokratie.

Bekannte Gesichter sind in diesem Jahr Moderatorin Judith Rakers, Peter Maffay, Thomas Gottschalk, Max Mutzke, Tierschützer und Influencer Malte Zierden, Astronaut Matthias Maurer, Mai Thi Nguyen-Kim sowie Autoren wie Sebastian Fitzek, Caroline Wahl, Elif Shafak und Saša Stanišić.

Eine riesige Bühne für "New Adult"

In den ersten drei Quartalen dieses Jahres bewege sich der Umsatz der Buchbranche leicht über dem Vorjahr und damit auf einem stabilen Niveau, sagte Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, bei der Eröffnungspressekonferenz am Dienstagvormittag. Gerade viele junge Leserinnen und Leser seien "im Lesefieber".

Auch deshalb setzt die Buchmesse in diesem Jahr einen Schwerpunkt auf das Trend-Genre "New Adult". Das sind romantische Romane für junge Erwachsene, wahlweise erotisch oder mit Fantasy vermischt.

Auf 8.000 Quadratmetern finden in Halle 1.2 in diesem Jahr Lesungen, Signierstunden, Vorträge zum Selfpublishing und Treffen von "New Adult"-Fans statt. Gefeierte Autorinnen wie Jane S. Wonda, D.C. Odesza und Yasmin Shakarami treten dort auf.

Die Buchmesse habe auf dieser Ebene "eher den Charakter einer Convention als einer Messe", sagte Direktor Juergen Boos. Das Genre New Adult sei eine Art "selbstbestimmte Realitätsflucht", die Leser wahre Fans.

Netflix als Aussteller, neue "Asia Stage"

Auch andere Trendthemen werden bedient: Zum ersten Mal gibt es eine "Asia Stage". Ein "Games Business Center" will Verlage und Spielehersteller zusammenbringen. Das "Audio"-Areal für Hörbücher und Podcasts ist doppelt so groß wie bisher.

Streaming-Anbieter Netflix ist in diesem Jahr erstmals mit einem eigenen Stand auf der Messe vertreten. Die Plattform Tiktok vergibt wieder ihre TikTok BookTok Awards, für die auf der Videoplattform selbst abgestimmt wird.

Debatte aus 2023 endete mit Stillstand

Traditionell endet die Buchmesse am Sonntag mit der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. Die Historikerin Anne Applebaum erhält den Preis in diesem Jahr bei der Feier in der Frankfurter Paulskirche. Begonnen hatte die Woche mit der Verleihung des Deutschen Buchpreises an Martina Hefter für ihren Roman "Hey guten Morgen, wie geht es dir?".

Nicht verliehen wird in diesem Jahr der LiBeraturpreis vom Verein Litprom, der 2023 in Zentrum einer Debatte stand. Wegen einer Antisemitismus-Kontroverse über den Roman der Preisträgerin hatte Litprom die Preisvergabe an die palästinenische Autorin Adania Shibli zunächst auf einen ungenannten Zeitpunkt nach der Buchmesse verschoben.

Weil man sich mit Shibli nicht auf ein nachträgliches Format einigen konnte, wolle man in diesem Jahr das Vergabeverfahren überdenken und aussetzen, teilte Litprom auf Anfrage mit.

Rekord-Besucherzahl weit entfernt

Ein neuer Besucher-Rekord dürfte für die Buchmesse auch in diesem Jahr schwer werden: 2023 lag die Besucherzahl mit rund 215.000 Besuchern und Besucherinnen noch weit unter dem Vor-Corona-Rekordjahr 2019. Damals waren rund 300.000 Menschen zur Messe gekommen.

Die Vorverkaufszahlen stimmten Buchmesse-Chef Boos Ende September zumindest hoffnungsvoll auf steigende Besucherzahlen: Sie hatten zu dem Zeitpunkt 30 bis 40 Prozent über dem Vorjahr gelegen.

Privatbesucherinnen und Privatbesucher können die Tickets in diesem Jahr erstmals nur online kaufen. Was die Tickets kosten und wie Sie am besten zum Messegelände kommen – hier haben wir Service-Informationen für Ihren Besuch zusammengestellt.