Hessen Empörung über Schulessen in Frankfurt: "Nicht mal eine ganze Kartoffel"
Eine Mutter hat ein Bild des Schul-Mittagessens ihrer Tochter veröffentlicht und damit eine Welle der Empörung ausgelöst. Als Hauptgang soll der Caterer in der Frankfurter Schule noch nicht einmal eine ganze Kartoffel serviert haben - offenbar längst kein Einzelfall.
Das Foto einer Kartoffel erhitzt derzeit die Gemüter der Nutzer auf der Plattform LinkedIn. Gepostet hat es Sandra Scheuring aus Frankfurt. Es zeigt das karge Essen ihrer 13-jährigen Tochter, die das Gymnasium Musterschule im Stadtteil Nordend besucht.
Aufgenommen habe es die Tochter an diesem Montag in der Schulkantine, so Scheuring. Laut Speiseplan, der dem hr vorliegt, wurde das Gericht für diesen Tag unter dem verheißungsvollen Titel "Ofenkartoffel mit Tsatsiki und Gurkensalat" angekündigt. Das fotografisch dokumentierte Resultat auf dem Teller fällt weitaus weniger kulinarisch aus: eine einsame Kartoffel und ein trauriger Klecks Tsatsiki.
"Die Kinder werden nicht satt"
"So unfassbar es aussieht, ist es sogar noch schlimmer", schreibt Scheuring in ihrem Post. Was man auf dem Foto nicht sehe: Die Kartoffel sei unten angeschnitten, "es ist also noch nicht einmal eine ganze Kartoffel". Dazu habe es eine "Schale Gurkensalat in Wasser" gegeben.
"DAS ist das Essen für Kinder und Jugendliche im Wachstum", kritisiert die Pressesprecherin einer Krankenkasse, die früher auch als Journalistin für den hr tätig war.
Seit einem Jahr habe die Schule einen neuen Caterer, seither hätten die Probleme begonnen, erläutert Scheuring auf Nachfrage. "Die Kinder werden nicht satt, weil die Portionen so klein sind." Als ihre Tochter ihr am Montag das Bild gezeigt habe, "habe ich gedacht, mich trifft der Schlag".
Eltern melden ihre Kinder ab
Dass es sich dabei nicht um einen Einzelfall handelt, bestätigt Claudia Ehrhardt, Schulelternbeiratsvorsitzende der Musterschule. Es habe eine Umfrage durch den Caterer gegeben, bei dem sehr viel Kritik geäußert worden sei. Viele Beschwerden seien dort formuliert worden: zur Portionsgröße, zur Qualität des Essen oder wegen teilweise nur lauwarm servierter Speisen.
Im Anschluss habe es deswegen vor einigen Monaten auch ein Treffen mit dem Stadtschulamt und dem Caterer gegeben - aber es habe sich wenig geändert. "Wir sind sehr unzufrieden mit dem Schulessen und auch langsam etwas resigniert", sagt Ehrhardt.
Dabei sei ausreichend und gutes Essen besonders für die heranwachsenden Schüler mit Nachmittagsunterricht wichtig: "Die Schülerzahlen steigen weiter, der Tag wird im länger und immer mehr Kinder essen in der Schule - natürlich muss das auch entsprechend schmecken und auf ältere Schüler ausgerichtet sein." Immer mehr Eltern würden ihre Kinder von der Kantinenverpflegung abmelden.
Cateringunternehmen unterstellt bewusste Täuschung
Das unter anderem für die Musterschule zuständige Cateringunternehmen, die GEG Gastro Service GmbH mit Sitz in Lonsheim (Rheinland-Pfalz) bezeichnet die Vorwürfe gegenüber dem hr als "haltlos" und spricht von "Falschaussagen" und "Fehlinformationen".
"Das angeführte Bild könnte aus jeder beliebigen Einrichtung stammen und entspricht nicht den Speisen, die wir anbieten", schreibt Geschäftsführer Tobias Löffler und unterstellt eine bewusste Täuschung: "Leider kommt es gelegentlich vor, dass Kinder gegenüber ihren Eltern falsche Angaben machen; oft liegen hier persönliche Gründe zugrunde, die ich an dieser Stelle nicht kommentieren möchte."
Zudem dürfe jedes Kind bei Bedarf Nachschlag bekommen, mit Ausnahme einiger Hauptkomponenten wie Schnitzel. In diesem Jahr habe er an der Musterschule nur von drei Beschwerden zum Essen Kenntnis erhalten.
Das Unternehmen koche nach den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), die auch detaillierte Mengen- und Inhaltsangaben enthalten, "an die wir uns strikt halten", so Löffler.
Schlechtes Essen Thema beim Elternabend
Als "unterirdisch", bezeichnet Mutter Scheuring die Aussage des Catering-Unternehmens. An fast jedem Elternabend sei das schlechte Essen Thema. Zudem werde hier das Verhältnis zwischen Kind und Eltern diskreditiert. Im konkreten Fall ließe sich anhand der gespeicherten Geodaten aber genau belegen, wann und wo das Foto aufgenommen wurde.
Als Nachschlag gebe es nach ihrer Kenntnis meist anders als von GEG dargestellt keine Komponenten der Hauptmahlzeit, sondern im besten Fall matschige Nudeln. "Und auch davon ist schnell nichts mehr da."
Schüler beklagen schimmliges Obst und Haare im Essen
Die 15-jährige Olivia Piazza, Schulsprecherin der Musterschule, bestätigt den Eindruck von Sandra Scheuring. Sie selbst esse mittlerweile nicht mehr in der Schulkantine. "Das Essen hat mir nicht geschmeckt. Ich kann rausgehen und mir selbst etwas kaufen", sagt Piazza. Aber gerade von den jüngeren Jahrgängen, die nicht so einfach in den Pausen den Supermarkt oder den Bäcker als Alternative aufsuchen könnten, sei der Wunsch nach einem neuen Caterer geäußert worden.
Nicht unbedingt zum Anbeißen: Dieser schimmlige Apfel soll als Nachtisch in der Musterschule serviert worden sein.
Es gebe nahezu täglich Beschwerden von Schülerinnen und Schülern über die Zustände in der Mensa, ergänzt die stellvertretende Schulsprecherin Matea Franjic. Die Beanstandungen reichten neben kurzfristig abgeänderten Essensplänen, zu kleinen und teils unappetitlichen Portionen bis hin zu schimmelndem Obst und Haaren im Essen. "Ein Zustand, der aus hygienischer Sicht absolut untragbar ist", bemängelt Franjic.
Die Schulleitung habe auf Druck von Eltern und Schülervertretern bereits mehrfach bei der Stadt Beschwerde eingelegt. Maßnahmen seien bislang aber nicht ergriffen worden. Immerhin solle es demnächst ein Treffen zwischen Schule und Caterer geben.
Auch anderes Gymnasium bemängelt Catering-Service
Klagen über das Mittagessen gibt es auch am Frankfurter Gymnasium Römerhof. Es wird ebenfalls von GEG Gastro Service zubereitet, wie Stadtelternbeiratsvorsitzende Katja Rininsland berichtet. Und auch hier habe es in dieser Woche Ofenkartoffel mit Tsatsiki gegeben. Ein von Schülern aufgenommenes Foto, das besagtes Gericht abbilden soll, zeigt eine recht spärliche Portion.
Auch im Gymnasium Römerhof habe es in dieser Woche die spärliche Kartoffelmahlzeit mit Tsatsiki gegeben.
Drei Euro steuern Eltern laut Rininsland am Gymnasium Römerhof pro Mahlzeit bei. Der Rest - nach Angaben der Stadtelternbeiratsvorsitzenden sieben Euro - werde von der Stadt Frankfurt bezahlt, welche auch die Auswahl des Caterers verantwortet.
10-Euro-Menü in Esslöffelgröße?
Handelt es sich bei den gereichten Speisen also tatsächlich um ein 10-Euro-Menü? "Weil es so viele Beschwerden gab, haben wir kurz vor den Sommerferien die Schüler dazu aufgerufen, Fotos vom Essen zu machen", so Rininsland. "Manche Portionen des Hauptgangs hatten nur Esslöffelgröße." Oft hätten auch angekündigte Komponenten schlicht gefehlt oder seien durch andere ersetzt worden.
Die Fotos hätten sie dem Stadtschulamt vorgelegt. Dort sei man auch entsetzt gewesen, so Rininsland. Dabei habe sich anhand der Bilder noch nicht einmal dokumentieren lassen, wenn das Essen zum Beispiel kalt oder zu salzig war oder die Kartoffeln fast roh ausgegeben wurden. Letzteres sei häufiger der Fall gewesen.
Daraufhin sei ein Koch entlassen worden, die Portionen seien größer geworden, es habe an der Schule auf Wunsch sogar Nachschlag gegeben. Aber mittlerweile habe sich das Essen wieder verschlechtert. Ein Gesprächstermin mit dem Caterer sei deswegen für nächste Woche angesetzt.
Stadt schweigt zu Vergabe-Praxis
Das zuständige Bildungsdezernat der Stadt Frankfurt ließ mehrfache hr-Anfragen zum Caterer GEG Gastro Service und der allgemeinen Vergabe-Praxis unbeantwortet. Auch wie viele verschiedene Cateringunternehmen die städtischen Schulen beliefern und ob es bei anderen Anbietern zu ähnlichen Beschwerden kommt, blieb offen.
Der Post von Sandra Scheuring hat indessen hunderte Kommentare und Reaktionen bei LinkedIn bekommen. Viele stammen von Eltern auch aus anderen Regionen, die die Empörung Scheurings teilen oder von ähnlichen Erfahrungen berichten. "Dass sich so viele Menschen aus der Arbeitswelt dazu melden, und zwar Männer wie Frauen", so Scheuring, "das zeigt doch, dass hier ein Missstand ist."