Ein Smartphone-Nutzer wählt mit seinem Finger die App der sozialen Plattform X an.

Hessen Hochschulen in Hessen verlassen X: "Kein Umfeld für demokratischen Diskurs"

Stand: 10.01.2025 16:53 Uhr

Rund 60 Universitäten und Forschungseinrichtungen kehren dem Kurznachrichtendienst den Rücken zu. Sie werden künftig nichts mehr posten. Die Frankfurter Goethe-Uni schließt einen faktenorientieren Austausch auf X inzwischen aus.

Viele Universitäten, Hochschulen und Forschungsinstitutionen in Hessen ziehen sich gemeinsam von der Plattform X zurück. Damit ziehe man die Konsequenz aus den Entwicklungen bei der Plattform, teilte die Goethe-Universität Frankfurt mit. 

"Wissenschaftliche Einrichtungen brauchen für eine sinnhafte Kommunikation ein Umfeld, in dem Diskurs faktenorientiert, transparent und demokratisch erfolgt", teilte ein Sprecher der Goethe-Universität mit.

Werte wie Vielfalt, Freiheit und Weltoffenheit gehörten beachtet und gewahrt. Dies sei auf X nicht mehr der Fall. Insgesamt 60 Hochschulen in Deutschland beteiligen sich an dem gemeinsamen Ausstieg von X.

Tech-Milliardär Musk steht hinter X

Der Kurznachrichtendienst X gehört inzwischen dem US-amerikanischen Tech-Milliardär Elon Musk, der am Donnerstagabend zu einem öffentlichen Gespräch mit AfD-Chefin Alice Weidel auf X geladen hatte.

Ihr erster Austausch wurde weltweit verfolgt und stand angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl am 23. Februar wegen Vorwürfen der Wahleinmischung auch unter besonderer Beobachtung von der Europäischen Union (EU) und der Bundestagsverwaltung.

Unter Musk folgten Regel-Änderungen

Vor der Übernahme war die Plattform noch als Twitter bekannt - seit Musks Einstieg im Jahr 2022 änderten sich zentrale Bestimmungen des Netzwerks wie zum Beispiel zum Umgang mit Hassrede und Falschinformationen.

Musks öffentliche politische Äußerungen böten Anlass zur Sorge, "wie der reichste Mann der Welt seinen Einfluss nutzt, um bestimmte Stimmen auf seiner Plattformen zu verstärken oder zu unterdrücken", kritisierte das Alexander von Humboldt-Institut für Internet und Gesellschaft bereits Ende Oktober vergangenes Jahr.

Seit Herbst 2023 trägt die Plattform den neuen Namen X. Zu Musks Tech-Imperium gehören auch der Elektroauto-Hersteller Tesla und das Weltraum-Unternehmen SpaceX.

X-Accounts werden nicht gelöscht

Die an dem koordinierten Ausstieg beteiligten Hochschulen lassen ihre X-Accounts zunächst im "eingefrorenen" Zustand bestehen – ohne aktive Inhalte, jedoch weiterhin sichtbar. Dadurch soll auch der Missbrauch ihrer Accountnamen durch Dritte vermieden wird.

So handhabt es etwa die Uni Kassel schon seit vergangenen Mai, wie sie dem hr am Freitag mitteilte. Die Uni nutzt stattdessen Kurznachrichten-Dienste wie Mastodon und Bluesky. Auch die Hochschule Geisenheim hat nur noch einen inaktiven Kanal auf X.

Auch Gewerkschaften kehren X den Rücken

Neben der Universität Frankfurt ziehen sich etwa auch die Hochschule Darmstadt, die Hochschule RheinMain in Wiesbaden, die Gießener Justus-Liebig-Gesellschaft, die Justus-Liebig-Universität Gießen, die Philipps-Universität Marburg und die Technische Universität Darmstadt von der Plattform zurück. 

Die Hochschule Mittelhessen bliebt vorerst noch auf X, der Ausstieg von der Plattform ist aber geplant, wie sie dem hr mitteilte. Die Kunsthochschule Offenbach indes schon länger den Account deaktiviert. Als Grund nannte die Hochschule dem hr die Veränderungen auf der Plattform seit Musks Übernahme.

Neben Forschungseinrichtungen wenden sich auch Gewerkschaften von der Plattform ab. Unter anderem teilten die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Verdi und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mit, ihre Aktivitäten dort einzustellen.

Musk-Übernahme sorgte für Austritte

Als erste hessische Stadt hatte sich bereits Ende 2023 die Stadt Hanau von X verabschiedet. Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) fand damals deutliche Worte: Die Plattform sei "längst kein soziales" Netzwerk mehr.

Seit der Musk-Übernahme 2022 hatten weltweit immer mehr Institutionen, Medienschaffende, Politiker und Vereine dem Kurznachrichtendienst den Rücken gekehrt. Donald Trumps Sieg bei der US-Präsidentschaftswahl verschaffte der anhaltenden Austrittswelle nochmals eine neue Dynamik.

Nach seinem Wahlsieg hatte Trump Musk für einen Leitungsposten einer neuen Abteilung für Regierungseffizienz vorgesehen.