Krankenhaus Biedenkopf Luftaufnahme

Hessen Insolvenz: Muss DRK-Krankenhaus in Biedenkopf Ende 2024 schließen?

Stand: 21.08.2024 12:53 Uhr

Seit Monaten steckt das DRK-Krankenhaus in Biedenkopf in einem Insolvenzverfahren. Trotz Interessenten für eine Übernahme droht bald das Aus. Denn die Zeit, um eine Lösung für die Finanzierung des Hauses zu finden, wird knapp.

Von Sonja Fouraté

Es ist nicht so, als gäbe es keine Interessenten. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens für das DRK-Krankenhaus Biedenkopf seien Gespräche mit mehreren potenziellen Investoren geführt worden, heißt es in einem offenen Brief, den der Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) jüngst veröffentlicht hat. Demnach riskiert der Landkreis Marburg-Biedenkopf trotz Unterstützungsbekundungen das Aus des Krankenhauses.

Denn: Aufgrund der schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen traue sich keiner der Interessenten zu, das Haus - mit heute 113 Betten und rund 300 Beschäftigten - ohne die Unterstützung der öffentlichen Hand fortzuführen. Seit 1946 betreibt das DRK das Krankenhaus, das zuvor als Erholungsheim für Mitglieder von Sanitätskolonnen diente.

Schließung schon im Oktober?

Im Herbst 2023 musste das DRK Biedenkopf Insolvenz anmelden und damit die von ihm betriebenen Institutionen. Seitdem läuft der Betrieb des Krankenhauses weiter - möglicherweise aber nur noch bis Ende des Jahres. Denn dann endet die zugesagte Verlustübernahme von rund 2,7 Millionen Euro für das Jahr 2024, zu der sich der Landkreis Marburg-Biedenkopf bereit erklärt hatte.

Gäbe es bis Anfang September keine weitergehende Zusage, auch mögliche Verluste für das Jahr 2025 zu übernehmen, zwinge das Insolvenzrecht den Insolvenzverwalter dazu, einen Sozialplan zu verhandeln und den Mitarbeitenden mit Dreimonatsfrist zum Ende des Jahres zu kündigen.

Mehr noch: "Es ist davon auszugehen, dass die Mitarbeiter nach Bekanntwerden der Sozialplanverhandlungen bereits selbst die Initiative ergreifen und das Krankenhaus verlassen, sodass eine Betriebseinstellung bereits im Oktober, mangels Personals, immer wahrscheinlicher wird", heißt es seitens des DRK weiter.

Die Folgen beträfen rund 44.000 Menschen unmittelbar, da vorgegebene Hilfsfristen in der Notfallversorgung nicht mehr einzuhalten seien. Zudem sei das Haus ein Ausbildungskrankenhaus, über das sich im Kreis viele Fachärzte ansiedelten. Insgesamt seien deswegen im Einzugsgebiet rund 66.000 Menschen von der drohenden Schließung betroffen.

"Zeit schafft unumkehrbare Fakten"

Dies werde "jedoch anscheinend zurzeit nicht einmal ansatzweise in den dafür zuständigen Gremien des Landkreises diskutiert, weshalb zu befürchten ist, dass die Zeit Fakten schafft, die unumkehrbar sind", heißt es in dem offenen Brief an Landrat Jens Womelsdorf (SPD) und den Kreistag.

Der Landkreis weist das entschieden zurück. Der Landrat selbst stehe in Kontakt mit potenziellen Interessenten für das Krankenhaus. "Spekulationen über eventuelle Kündigungen verunsichern die Belegschaft und schaden dem gesamten Prozess zur Sicherung des Krankenhausstandorts Biedenkopf", schreibt er auf hr-Anfrage.

Der Plan sei, dass es nicht zu einer Schließung des Krankenhauses komme, weswegen weitere finanzielle Hilfen durch den Landkreis für das kommende Jahr 2025 angedacht seien.

Diese müssten nun mit den politischen Gremien abgestimmt, im Kreistag beschlossen und vom Regierungspräsidium Gießen genehmigt werden.

Haushaltsentwurf im November diskutiert

Auf Nachfrage schreibt der Kreis allerdings, dass der entsprechende Haushaltsentwurf erst im November im Kreistag diskutiert werde. Und weiter: "Der Zeitplan würde dann einen möglichen Beschluss in der Dezembersitzung des Kreistages vorsehen."

Was genau das für das Insolvenzverfahren bedeutet, ist nicht zu erfahren. Insolvenzverwalter Carsten Koch wollte sich auf Anfrage nicht zu dem nicht-öffentlichen Verfahren äußern. "Nach meinem Dafürhalten kommt ein Beschluss für weitere Hilfen im November deutlich zu spät", sagt die DRK-Vorstandvorsitzende Cornelia Bönnighausen.

"Der Insolvenzverwalter muss in erster Linie das Vermögen der Gläubiger schützen und keine unwirtschaftlichen Geschäftsbetriebe aufrechterhalten - er würde damit die Masse für die Gläubiger schmälern", gibt sie zu bedenken.

Zugleich müsse er einen Sozialplan erstellen und die Kündigungsfrist von drei Monaten einhalten. "Allein schon daraus ergibt sich, dass wir bis September eine Entscheidung brauchen."

CDU will baldige Klarheit

Die CDU Marburg-Biedenkopf, die Teil der großen Koalition im Kreistag ist, schreibt auf hr-Anfrage, sie habe sich bereits im März deutlich zum Erhalt des Krankenhauses bekannt. Jetzt bedürfe es eines zukunftsfähigen Konzepts, um den Standort zu sichern.

Die CDU wünsche sich einen "baldigen erfolgreichen Abschluss der Gespräche mit den potenziellen Interessenten unter Beteiligung des Landrates und damit verbunden auch Klarheit darüber, wie konkret der Betrieb des Krankenhauses in den kommenden Jahren zukunftsorientiert sichergestellt werden kann."

Vom Koalitionspartner SPD war bis zum Dienstagmittag kein Statement zu bekommen.

Unverständnis bei der Opposition

Die Opposition im Kreistag zeigte sich auf hr-Anfrage irritiert. Die Schieflage der Klinik sei seit einem Jahr bekannt, schreiben etwa die Grünen. Der Kreistag habe einstimmig seine Unterstützung zugesagt, eine gute Lösung für die Gesundheitsversorgung und die Mitarbeitenden zu suchen. "Dazu gehört selbstverständlich auch, rechtliche und haushaltstechnische Fragen zu klären." Die Partei wolle nach der Sommerpause aber konstruktiv "an einem Weg zum Erhalt des DRK-Krankenhauses Biedenkopf mitwirken".

Die AfD beschreibt die Informationspolitik des Landrates als "leider sehr einsilbig" und wenig konkret. Es hätte deutlich früher reagiert werden müssen und gegebenenfalls schon im aktuellen Haushalt an anderer Stelle gespart oder Ausgaben ausgesetzt werden müssen, heißt es weiter. Auch die FDP moniert, seit März nicht weiter informiert worden zu sein: "Wir hätten uns aber schon gewünscht, einen juristisch abgestimmten Informationsstand zu erhalten, um auch sachlich zum Thema mitzureden", heißt es von dort.

Ähnliches ist von der Fraktion der Linken zu hören, die sich wie die anderen Oppositionsparteien irritiert von der Tatsache zeigt, dass die CDU-Kreistags- und Landtagsabgeordnete und Vize-Präsidentin des DRK-Kreisverbandes, Marie-Sophie Künkel, den offenen Brief unterzeichnet habe. "Diese ist Teil der großen Koalition und man darf hoffen, dass man miteinander spricht", schreibt die Linke, die sich nun für eine Sondersitzung des Kreistags einsetzen will.