Im Ukraine Coordination Center (UCC) in Frankfurt werden Kriegsflüchtlinge beraten.

Hessen Integrationsmonitor 2024: Hessen will Ukrainer mehr fördern - und mehr von manchen fordern

Stand: 15.07.2024 18:43 Uhr

Die Zahl der Zuwanderer in Hessen wächst stetig. Für Sozialministerin Heike Hofmann belegt ein aktueller Bericht, dass Integration häufig gelinge. Aber sie wünscht sich mehr - auch im Umgang mit ukrainischen Bürgergeld-Beziehern.

Hessen will mehr für die Bildung von zugewanderten Menschen und deren Integration in den Arbeitsmarkt tun. Das kündigte Sozialministerin Heike Hofmann (SPD) am Montag in Wiesbaden an. Anlass war die Vorstellung des Integrationsmonitors 2024 der Landesregierung.

Der Bericht dokumentiert einen weiter steigenden Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in Hessen. Dazu tragen vor allem die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine bei, deren Daten erstmals in einen Integrationsmonitor einflossen.

Ende 2023 waren in Hessen 90.000 Schutzsuchende aus der Ukraine registriert. In der laufenden Debatte über die Zahlung von Bürgergeld an viele dieser Menschen schloss sich Hofmann der Forderung an, mehr für deren Integration in den Arbeitsmarkt zu tun.

Ministerin: "Auch etwas zurückgeben"

Dazu gehört nach Meinung der Sozial- und Arbeitsministerin auch, mehr Bereitschaft von Ukrainern zur Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses zu fordern und gegebenenfalls Sanktionen beim Bezug von Bürgergeld auszusprechen.

"Ich finde es richtig, zu signalisieren: Ihr bekommt Unterstützung in unserem Land. Überlegt doch einmal, ob Ihr nicht unserem Land etwas zurückgeben könnt", sagte Hofmann. Im Sommer 2023 hätten mehr als die Hälfte von ukrainischen Befragten die Absicht geäußert, für immer oder noch einige Jahre in Deutschland bleiben zu wollen.

Besonderer Status und Bürgergeld

Ukrainische Kriegsflüchtlinge genießen einen besonderen Status. Sie erhalten deshalb bei Bedarf auch Bürgergeld und nicht Sozialeistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Das Bürgergeld, auf das sie Anspruch haben, wenn sie kein Einkommen erzielen und arbeitssuchend gemeldet sind, liegt bei Alleinstehenden bei 563 Euro.

Das sind gut 100 Euro mehr als nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Dazu kommt noch das Geld für die Wohnung und möglicherweise auch noch für unterschiedliche Mehrbedarfe, etwa für Schulmittel.

Wie die hessische Arbeitsagentur dem hr auf Anfrage mitteilte, sind derzeit rund 67.400 Ukrainer im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 65 Jahren in Hessen registriert. 41.700 von ihnen beziehen Bürgergeld. Insgesamt beziehen 59.700 Ukrainer Bürgergeld (Stand März 2024).

Viele Frauen mit Kindern

Der Monitor zeigt, dass viele Ukrainer höhere Bildungsabschlüsse im Vergleich zu anderen Gruppen von Zuwanderern haben. Allerdings ist der Anteil von Frauen mit 63,5 Prozent hoch. Sie kümmern sich häufig um Kinder, viele von ihnen sind Alleinerziehende. Deshalb müsse mehr Kinderbetreuung angeboten werden, sagte Hofmann.

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges 2022 haben die hessischen Schulen einen deutlichen Anstieg ukrainischer Kinder und Jugendlicher verzeichnet. Die Zahl stieg bis Mai dieses Jahres auf mehr als 19.000.

Trendwende gefordert

Sozialministerien Hofmann sieht auch den Staat in der Verantwortung, seine Politik zu ändern. Die SPD-Politikern sprach von einer "Trendumkehr", die bereits von der weitgehend zuständigen Ampel-Bundesregierung eingeleitet worden sei.

Neben möglichen Sanktionen beim Bürgergeld-Bezug gehöre dazu auch, nicht wie bisher vor einer Vermittlung in Arbeit das Erlernen der deutschen Sprache in den Mittelpunkt zu rücken. Vielmehr könnten Deutsch-Kenntnisse und Zusatzqualifikationen begleitend zu einer Beschäftigung erworben werden.

Bürokratische Verfahren, etwa zur Anerkennung beruflicher Kenntnisse, müssten beschleunigt werden – vor allem durch die Zuständigkeit einer zentralen Stelle und den Einsatz von KI.

Hessens Sozialministerin Heike Hofmann

Hessens Sozialministerin Heike Hofmann

Ministerin: Vieles gelingt schon

In Hessen gelinge an vielen Stellen Integration schon, betonte Hofmann. So gäben 54 Prozent der Migrantinnen und Migranten im Jahr 2022 an, sich dazugehörig zu fühlen. Die Zahlen zeigten aber auch auf, "dass wir im Bereich der Bildung und des Arbeitsmarktes noch besser werden müssen", sagte Hofmann. Unter anderem müssten Kita-Kinder frühestmöglich Deutsch lernen.

Einige weitere Daten aus dem Integrationsmonitor.

  • Knapp jeder fünfte Mensch in Hessen hat keine deutsche Staatsbürgerschaft (19 Prozent).
  • 2,4 Millionen Menschen (38 Prozent) haben einen Migrationshintergrund. 2005 war es noch eine Million Menschen weniger.
  • Die Hälfte der Hessen mit Migrationshintergrund hat die deutsche Staatsangehörigkeit.
  • Zwei Drittel der Menschen mit Migrationshintergrund kamen ins Land, das andere Drittel ist hier geboren.
  • Bei Kindern und Jugendlichen ist der Anteil derjenigen mit Migrationshintergrund deutlich größer und beträgt mehr als die Hälfte.
  • Kinder mit Migrationshintergrund schneiden bei Bildung schlechter ab. 31 Prozent der Viertklässler mit zwei zugewanderten Elternteilen erreichen zum Beispiel den Mindeststandard in Deutsch nicht. Bei Kindern ohne Migrationshintergrund sind es lediglich neun 9 Prozent. 
  • Nur 19 Prozent der Jugendlichen mit Migrationshintergrund verlassen die Schule mit Abitur. Der Anteil bei denjenigen ohne Migrationshintergrund liegt mit 37 Prozent fast doppelt so hoch.
  • Neun von zehn Hessen – ob mit oder ohne Migrationshintergrund – haben eigenen Angaben zufolge Sorge vor wachsendem Rassismus (Stand 2021). Das ist ein deutlicher Anstieg innerhalb von einem Jahrzehnt.
  • Zwei Drittel derer mit Migrationshintergrund gaben an, in den vergangenen fünf Jahren keinen Rassismus gegen sich erlebt zu haben. Ein Viertel berichtete, "eher wenig Rassismus" erlebt zu haben. 12 Prozent widerfuhr das jedoch "stark" oder "sehr stark".
Hessischer Integrationsmonitor

Der hessische Integrationsmonitor soll der Landesregierung eine fundierte Datenbasis für ihre Integrationspolitik liefern. Dafür werden Daten für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund auf Gebieten wie Bildung, Arbeit, Einkommen, Wohnen, Gesundheit, religiöses Leben oder Zugehörigkeitsgefühl verglichen. Der Bericht umfasst unter anderem Statistiken zu Flüchtlingen, Kita-Kindern oder auch zur Arbeitslosenquote. Er erscheint alle zwei bis drei Jahre. Der aktuelle Bericht von 2024 ist der siebte seiner Art.