Die Sonne geht auf hinter dem Frankfurter Stadtteil RIedberg. (Luftbild mit einer Drohne)

Hessen Jede vierte hessische Kommune erhöht 2024 die Grundsteuer

Stand: 26.07.2024 13:38 Uhr

Die Grundsteuer ist in mehr als einem Viertel aller Städte und Gemeinden in Hessen gestiegen. Der Steuerbund und Eigentümer schlagen Alarm - auch der Mieterbund. Denn die Mehrkosten tragen oft die Mieter.

Von Sonja Süß

Der Bund der Steuerzahler hat Zahlen zur Höhe der Grundsteuer erhoben: Demnach müssen viele Hessen mehr Grundsteuer als im Vorjahr zahlen, der Landesdurchschnitt sei so stark gestiegen wie seit 2015 nicht mehr. 119 von 421 hessischen Städten und Gemeinden erhöhten die Steuer für das laufende Jahr.

Die Grundsteuer zahlen müssen die Immobilienbesitzer. Meist werden die Kosten auf die Mieter umgelegt, sofern es welche gibt. Am Ende trifft die Erhöhung der Steuer also alle.

"Die diesjährige Steuererhöhungswelle ist mehr als besorgniserregend", kommentiert Jochen Klip vom Steuerzahlerbund das Ergebnis der Erhebung. Es klingt nach massiven Erhöhungen: Zwölf Städte steigerten die Abgabe um 300 Punkte, Spitzenreiter war Biebesheim (Groß-Gerau) mit einer Erhöhung von 380 Punkten. Nur sechs Kommunen reduzierten die Steuer, wie es vom Steuerzahlerbund heißt.

Wie sich die Erhöhung des Hebesatzes auswirkt

Aber was bedeutet eine Steigerung beim sogenannten Hebesatz um mehr als 300 Punkte? In Bad Homburg wurde der Hebesatz 2023 von 345 auf 690 Prozent angehoben, also verdoppelt. Die Interessengemeinschaft der Immobilieneigentümer, Haus und Grund, rechnete dem hr anhand eines Beispiels vor, wie sich das konkret auswirkte:

Bei einem Haus mit sechs Mietparteien stieg die Grundsteuer von 485,90 auf 971,80 Euro im Jahr. Da die Grundsteuer komplett auf die Mieter umgelegt werden kann, musste jede Partei in dem Beispiel von Haus und Grund statt rund 80 nun rund 160 Euro zahlen. Im Monat sind das für die Mieter des Sechsparteienhauses rund 6,70 Euro, die sie allein wegen Grundsteuer mehr zahlen.

Anderes könnte da stärker ins Gewicht fallen: Die Mietpreise in Bad Homburg steigen seit Jahren. Laut Immobilienportal "Immo Scout 24" betrug der Zuwachs bei der Durchschnittsmiete allein zwischen 2023 und 2024 fast sieben Prozent, sie liegt nun bei 13 Euro pro Quadratmeter. Immerhin: In diesem Jahr wurde die Grundsteuer in Bad Homburg nicht erhöht.

Eigentümerverband: "Die Zahlen alarmieren"

"Vermeiden Sie eine weitere Erhöhung der Grundsteuer, denn hier steht das Vertrauen in die Politik auf dem Spiel", sagt Younes Frank Erhardt, der Geschäftsführer von Haus und Grund, mit Blick auf die Zahlen des Steuerbunds: "Die Zahlen alarmieren und lassen uns sorgenvoll auf die Umsetzung der Grundsteuerreform 2025 blicken." Die Grundsteuer wird ab 2025 neu berechnet.

Für Eva-Maria Winckelmann vom Deutschen Mieterbund Hessen ist klar: Am Ende gehe damit nur die soziale Schere weiter auseinander, die höhere Grundsteuer treffe jene, bei denen das Geld eh schon knapp sei. Besitzer von Mietwohnungen gäben die Kosten einfach weiter.

"Die Nebenkosten steigen permanent", sagt Winckelmann: "Mieter haben darauf gar keinen Einfluss." Und sie könnten sich nicht dagegen wehren.

Es seien womöglich nur ein paar Euro im Monat, sagt Winckelmann. Aber etwa im Rhein-Main-Gebiet habe rund die Hälfte der Menschen bereits jetzt Anspruch auf geförderten Wohnraum - der nicht verfügbar sei. Da zähle jeder Euro. Die Besitzer der Immobilien bekämen die Mehrbelastung hingegen nicht zu spüren, sofern sie nicht selbst in dem Haus wohnen.

Biebesheim ist Spitzenreiter

In Biebesheim (Groß-Gerau) wurde der Hebesatz 2024 um 380 Punkte angehoben - und damit laut Steuerbund so stark wie nirgendwo sonst in Hessen. Wer zuletzt 200 Euro zahlte, muss nun nach Auskunft der Stadt 408 Euro im Jahr zahlen.

Fragt man im Rathaus nach den Gründen, kommt die Antwort, man habe sich die Anhebung überhaupt nicht leicht gemacht, aber die Haushaltslage sei extrem angespannt: "Die Erhöhung war notwendig, da trotz aller Sparmaßnahmen die massive Steigerung der Ausgaben und die finanziellen Auswirkungen gewisser Entscheidungen, die auf Bund- und Landesebene getroffen werden, nicht mehr gestemmt werden können", teilt die Stadt dem hr mit.

Erzieherinnen müssen bezahlt werden

In der Vergangenheit habe man sich gegen eine Steuererhöhung entschieden, 2024 sei das nicht mehr gegangen, erläutert die Stadt Biebesheim. Die Gründe seien die Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst, die Anhebung der Kreis- und Schulumlage, die Preisexplosion bei Energie- und Baukosten und die nötigen Mittel, um trotz Fachkräftemangels noch Erzieherinnen und Erzieher anwerben zu können.

Es habe schlicht Geld in der Kasse gefehlt, teilt die Stadt Biebesheim mit. Fürs kommende Jahr wolle man eine weitere Erhöhung "tunlichst vermeiden".

"Niemand hebt die Grundsteuer aus Jux"

David Raube, der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, sagt dem hr, bei schlechter Haushaltslage gehe es nicht ohne Steuererhöhungen: Ein stabiler Haushalt helfe der Allgemeinheit, Kita-Personal könne eingestellt werden, Investitionen würden getätigt.

"Niemand hebt die Grundsteuer aus Jux", sagt Rauber. Es gebe Löcher in den Kassen. Während der Corona-Zeit seien für die Kommunen Finanzpakete geschnürt worden, das habe noch geholfen. Aktuell träfen die Preissteigerungen und Tarifabschlüsse die Kommunen, die Jahre 2022 und 2023 hätten hohe Ausgaben gebracht, sagt Raube. Aber der Städte- und Gemeindebundchef bleibt gelassen: Die finanzielle Lage der Kommunen könne sich auch wieder bessern.