Straßen sind stark beschädigt, Menschen räumen Schutt mithilfe von Baggern weg.

Hessen Keine Pause in Trendelburg-Gottsbüren: Aufräumen nach dem Unwetter

Stand: 04.08.2024 17:49 Uhr

An ein normales Ferienwochenende war im nordhessischen Trendelburg nach dem verheerenden Unwetter nicht zu denken. Einsatzkräfte und Anwohner im Ortsteil Gottsbüren entfernten Schlamm von den Straßen und aus den Häusern. Im ebenfalls betroffenen Gieselwerder floss derweil neues Wasser nach.

Nach dem schweren Unwetter mit Starkregen und Überflutung in der Region nördlich von Kassel dauert das Aufräumen an Tag drei an. Vor allem den Trendelburger Ortsteil Gottsbüren hatte es stark getroffen - er glich am Samstag einer Trümmerlandschaft. Straßen, die große Krater und Wellen geworfen haben, umgeknickte Zäune, kaputte Autos - und überall der Schlamm, der allmählich verkrustet und sich in Staub verwandelt.

Am Sonntag sagte die Vizelandrätin des Kreises, Silke Engler (SPD) dem hr, alle Straßen seien wieder befahrbar. Die Aufräumarbeiten seien gut vorangegangen - auch dank der vielen Ehrenamtlichen, die angepackt hätten. Viele Häuser müssen allerdings noch immer von Schlamm befreit werden.

150 Einsatzkräfte am Samstagmorgen

Helferinnen und Helfer von THW und Feuerwehr waren auch am Sonntag wieder in Gottsbüren im Einsatz. Rund 150 Einsatzkräfte arbeiteten schon am Samstag daran, zunächst die Infrastruktur vom Schutt zu befreien. Radlader und Bagger schoben ihn beiseite. Am Freitag waren in Nordhessen insgesamt rund 700 Einsatzkräfte mit der Beseitigung der Schäden beschäftigt.

Zwei Brücken, die bei dem Unwetter beschädigt wurden, müssen erst repariert werden, bevor sich die Gottsbürener wieder halbwegs frei durch ihren Ort bewegen können. Die Beurteilung von Gebäudestatiken war bereits am Freitagabend abgeschlossen.

Das kleine Gottsbüren liegt in einer Art Tal, mit vielen Feldern rundherum. Von dort seien Schlamm und Geröll in den Ort gespült worden, berichten Anwohner. Zeitweise stand das Wasser im Ort zwei Meter hoch.

Zuletzt hatte es in dem Ort 2019 und 2021 Schlammlawinen und vollgelaufene Keller nach starken Regenfällen gegeben. "Die Gottsbürener kennen Hochwasser, aber so hatten wir es noch nie", sagte eine Anwohnerin dem hr am Freitag.

Notfallseelsorger vor Ort

Um die Berge von Trümmern zu entsorgen, haben der Kreis Kassel und die Kommune Container aufstellen lassen. Dort hinein werfen die Anwohner nun ihren Sperrmüll.

Zu Tode gekommen ist bei dem schweren Unwetter niemand. Trotzdem hat es nicht nur Sachschäden hinterlassen. Notfallseelsorger waren am Samstagmorgen in Gottsbüren unterwegs, mit denen die Menschen nach der Katastrophe über das Erlebte sprechen konnten.

Anwohnerin Christina Wiesmann-Günter steht nach einem Unwetter in dem Trendelburger Stadtteil Gottsbüren an einer zerstörten Fahrbahndecke.

Anwohnerin Christina Wiesmann-Günter steht nach einem Unwetter in dem Trendelburger Stadtteil Gottsbüren an einer zerstörten Fahrbahndecke.

Neuer Alarm in Wesertal-Gieselwerder

Im ebenfalls stark betroffenen Wesertal-Gieselwerder wurde in der Nacht zum Samstag bis um drei Uhr gearbeitet. Dort war das Aufräumen zunächst so gut vorangegangen, dass der Kreis schon hoffte, man könne am Freitag fertig werden. Doch dann der Schreck am Samstagmorgen kurz vor neun: eine neue Alarmierung.

Der Wasserstrom, der sich vom Berg herunter seinen Weg gebahnt hatte, sei nicht abgerissen, sagte Einsatzleiter Björn Husemann. Es drückte wieder Wasser in die Häuser, ein Keller wurde erneut geflutet. Grund war ein verstopfter Durchfluss, wie Vizelandrätin Engler sagte.

Am Sonntag musste die B80, die im Süden einmal durch den Ort führt, deshalb gesperrt werden. 60 Einsatzkräfte arbeiteten daran, das Problem noch im Laufe des Tages zu beheben, wie Engler hoffte. Die Bewohner des Ortsteils wurden durch das Rote Kreuz versorgt.

Land lässt Frage nach Unterstützung offen

Eine erste Schätzung, wie teuer die Unwetterschäden werden, soll es nach Angaben des Kreises Anfang der kommenden Woche geben. Der Schaden werde aber sicher bei etlichen Millionen Euro liegen, sagte die Sprecherin.

Ob es vom Land Hessen Entschädigungen für die Betroffenen geben wird, ließ Innenminister Roman Poseck (CDU) am Freitagabend offen. Er sagte im hessenschau-Interview, man werde sich zunächst die Gesamtlage anschauen. "Dann wird gegebenenfalls auch über Unterstützung zu beraten sein", so Poseck. "Aber im Moment geht es um die Beseitigung der verheerenden Schäden dieses Unwetters."

Am Montag will Poseck den nördlichen Landkreis Kassel besuchen und sich vor Ort ein Bild von der Lage machen. Es seien Gespräche mit Politikern und Einwohnern der betroffenen Gemeinden vorgesehen, teilte das Ministerium mit.

Unwetter mit Rekord-Regenmengen

Schwere Unwetter hatten von Donnerstag auf Freitag stundenlang über Nordhessen gehangen und eine Rekordmenge Regen mit sich gebracht. Fünf Kommunen waren laut Vizelandrätin Engler besonders betroffen: Hofgeismar, Bad Karlshafen, Reinhardshagen Trendelburg und Wesertal.

Unwetter sorgt für Verwüstungen in Nordhessen

Das Gleiche hätte auch in Frankfurt, Darmstadt oder irgendeinem hessischen Ort stattfinden können. Thomas Ranft, hr-Wetter-Experte

Am schwersten traf es jedoch Wesertal-Gieselwerder und den Trendelburger Ortsteil Gottsbüren. Allein dort kamen 170 Liter Regen pro Quadratmeter innerhalb von 24 Stunden herunter. Sonst fallen im August durchschnittlichen 69 Liter - im gesamten Monat.

So einmalig das Ereignis erscheint: In Zukunft müssen sich die Menschen überall in Hessen häufiger auf solche Unwetterlagen einstellen, sagt hr-Wetter-Experte Thomas Ranft: "Wir müssen uns alle mehr wappnen, denn das gleiche hätte auch in Frankfurt, Darmstadt oder irgendeinem hessischen Ort stattfinden können."

Starkregen in Trendelburg rekordverdächtig - aber immer normaler

Klimawandel bringt mehr Extremwetter

Durch den Klimawandel könnten schwere Unwetter wie dieses das neue Normal werden. "Klimawandel bedeutet, Extreme nehmen extrem zu", erklärte Ranft. "Wir haben eine sehr feuchte warme Luftmasse, das heißt, Gewitter können durch den Klimawandel faktisch heftiger sein – und das erleben wir zurzeit."