Hessen KfW-Studienkredite: Wenn das Studium zur Schuldenfalle wird
Studierende, die kein BAföG bekommen, müssen sich Alternativen überlegen. Eine Möglichkeit ist der Studienkredit der staatlichen Förderbank KfW. Doch die Zinsen sind in die Höhe geschnellt - mit fatalen Folgen für viele Studierende.
Mit schwarzem Hemd steht Medizin-Student Oliver Mende hinter dem Tresen einer Tanzschule. Er spült Gläser, brüht Kaffee und mixt Getränke. Während sich seine Kommilitonen über die Anatomie-Bücher beugen, kellnert er. Und während andere am Wochenende ausgehen oder sich erholen, arbeitet er in der Krankenpflege.
Denn das Geld ist knapp geworden, seit er sich gegen eine weitere Auszahlung seines Studienkredits bei der KfW entschieden hat. Zu groß war seine Angst, dass der Schuldenberg durch diesen Kredit immer größer wird. "Ich habe dann erst mal geschaut, wo ich Geld einsparen kann und mir zusätzliche Verdienstmöglichkeiten gesucht, damit ich ohne diesen Kredit klar komme", so der 30-Jährige.
Zinsen mehr als verdoppelt
Als ausgebildeter Krankenpfleger hatte Oliver Mende kein Anrecht auf BAföG, auch weil er zuvor schon in der Pflege Geld verdiente. Deshalb hat er sich vor dreieinhalb Jahren für den Studienkredit der staatlichen KfW-Bank entschieden. Diese zahlt Studierenden monatlich Geld aus – ähnlich wie beim BAföG, nur mit Zinsen. Er beantragte den Höchstsatz von 650 Euro, damals lag der Zinssatz bei 3,9 Prozent.
Kellnern statt KfW-Kredit: Oliver Mende hat inzwischen zwei Nebenjobs, um sein Studium zu finanzieren.
Doch dann kam die große Überraschung: "Plötzlich gingen die Zinsen hoch auf 6,5 Prozent, sieben Prozent, acht Prozent", erzählt er. "Das war dann schon ein Schlag in die Magengrube. Offenbar können sich die Zinsen innerhalb von einem Jahr verdoppeln und verdreifachen."
Oliver Mende wusste, dass die Zinsen variabel sind und halbjährlich angepasst werden. Doch damit hat er nicht gerechnet: Der effektive Jahreszins für den KfW-Studienkredit erreichte im Oktober vergangenen Jahres sogar einen Höchststand von neun Prozent. Mittlerweile sind die Zinsen zwar wieder etwas gesunken, liegen aber immer noch bei 6,8 Prozent.
Studienabbrüche und Privatinsolvenzen
Fast 170.000 Menschen zahlen derzeit einen KfW-Studienkredit ab, einige mussten auf Grund der hohen Zinsen sogar ihr Studium abbrechen und Privatinsolvenz anmelden. "Das ist ein sozialpolitischer Skandal", meint Matthias Anbuhl, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Studierendenwerks.
"Wir haben derzeit einen Effektivzinssatz von knapp sieben Prozent. Das ist das Doppelte von einem Immobilienkredit", so Anbuhl. Das treibe Studierende in die Schuldenfalle. Er rät allen Studierenden daher dringend davon ab, einen solchen Kredit abzuschließen.
53.000 Euro Schulden nach dem Studium
Auch Bianka-Isabell Scharmann hat sich dadurch hoch verschuldet. Sie schloss den Studienkredit zu Beginn ihres Theater-, Film- und Medienwissenschaften-Studiums an der Uni Frankfurt ab – das war im Jahr 2011. Auch sie erhielt kein BAföG und hielt das Angebot der staatlichen KfW-Bank damals für eine gute Alternative. Mit Anfang 20 habe sie wenig finanzökonomisches Wissen gehabt, um die Tragweite dieser Entscheidung vorauszusehen, erklärt sie heute.
Zunächst ließ sie sich 400 Euro auszahlen. Doch das Besondere bei diesem Studienkredit: Die KfW zieht schon während der Auszahlung dieses Geldes direkt Zinsen ab – jeden Monat etwas mehr. So kam auch bei Scharmann am Ende des Monats immer weniger Geld auf dem Konto an. "Ich war ziemlich wütend und habe mich aber auch ein bisschen gefangen gefühlt", erzählt die 33-Jährige. "Ich war irgendwann gezwungen, einen höheren Betrag zu beantragen, um meinen Lebensstandard noch zu halten."
Bianka-Isabell Scharmann muss bis 2042 53.000 Euro an die KfW-Bank zurückzahlen
Und ihr Schuldenberg wuchs. Nach acht Jahren schloss Scharmann ihr Studium ab - mit knapp 53.000 Euro Schulden ohne Zinsen bei der KfW-Bank. Bis 2042 muss sie das Geld abbezahlen: Laut ihrem Tilgungsplan muss sie monatlich 355 Euro zurückzahlen. 222 Euro davon sind derzeit nur Zinsen.
KfW: Wollen keine Gewinne erwirtschaften
"Ich frage mich, warum solche hohen Zinssätze überhaupt von Nöten sind - bei einem Kredit, der sich explizit an Studierende richtet, die in der Phase sind, wo sie nochmal ausgebildet werden, um dann ins Berufsleben zu starten", sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin. "Eigentlich werden einem da nur Steine in den Weg gelegt."
Laut KfW-Bank orientiert sich die Höhe der Zinsen an dem 6-Monats-Euribor - dem Preis, zu dem sich Banken untereinander Geld leihen. Unter anderem hängt die Entwicklung von der wirtschaftlichen Gesamtlage, der Inflation oder der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank ab.
"Wir betonen, dass die KfW mit diesem Kreditangebot nicht das Ziel verfolgt, Gewinne zu erwirtschaften, sondern wir lediglich unsere Kosten inklusive der Risikokosten abdecken", sagt die Pressesprecherin der Bank.
180 Euro Zinsen monatlich
Medizinstudent Oliver Mende sagt, durch den Kredit habe er genau das Gegenteil von dem erreicht, was er erreichen wollte: "Dass ich jetzt noch weniger Freiheiten habe." Er hat insgesamt 28.000 Schulden bei der KfW-Bank, nach einer Karenzphase von einem Jahr beginnt er mit der Rückzahlung. Bis dahin zahlt er trotzdem schon jeden Monat Geld an die Bank: 180 Euro - nur Zinsen.