Mutter mit Kind vor der Kita

Hessen Heusenstamm erhöht Gebühren für Kinderbetreuung

Stand: 10.07.2024 21:27 Uhr

In Heusenstamm müssen Eltern jetzt höhere Gebühren für die Betreuung ihrer Kinder zahlen. Im zweiten Schritt sollen sie nach Einkommen gestaffelt werden, was vor allem Gutverdiener träfe. Das sorgt für Protest. Der Bürgermeister versteht die Aufregung nicht.

Von Ursula Mayer

In Heusenstamm (Offenbach) steigen die Gebühren für Kinderbetreuung deutlich. Das haben die Stadtverordneten am Mittwochabend beschlossen. Ab September zahlen Eltern für Kinder unter drei Jahren künftig 317 Euro pro Monat für einen Ganztagsplatz statt aktuell rund 285 Euro.

Für die Betreuung der Schulkinder im Hort werden bei maximaler Nutzung statt bisher 115 Euro dann 145 Euro fällig. Auch für die Betreuung von Kindern ab drei Jahren führt die Stadt erstmals Gebühren ein, und zwar monatlich bis zu 102 Euro.

Bei der Abstimmung stimmten 24 Abgeordnete von CDU, Grünen, FDP und Freien Wählern für die Erhöhung. Sieben Abgeordnete der SPD stimmten dagegen, während sich zwei Abgeordnete von Volt enthielten. Die beiden Stadtverordneten der AfD waren nicht anwesend.

Gebühren könnten abhängig vom Einkommen steigen

Über die genannte Gebührenerhöhung hinaus beraten die Stadtverordneten über eine zweite Variante, bei der die Gebühren abhängig von der Betreuungsdauer und vom Einkommen der Eltern berechnet werden. Eine Entscheidung dazu soll erst Anfang Oktober fallen.

Dieses Berechnungsmodell könnte 2025 zum Tragen kommen. Fallen Eltern dann in die höchste der insgesamt 13 Einkommensstufen, müssten sie für die Betreuung ihres Kindes bis zu 952 Euro im Monat zahlen.

Bürgermeister: Eltern stärker an Kosten beteiligen

Heusenstamms Bürgermeister Steffen Ball (CDU) verteidigt die geplante Gebührenerhöhung. "Es geht darum, dass wir die Eltern stärker an den Kosten für die Betreuung beteiligen, gerade im Kindergartenbereich." Entsprechend dem Einkommen die Gebühren proportional zu erhöhen, hält der Bürgermeister für eine faire und soziale Vorgehensweise.

Die Stadt gebe für die Betreuung jährlich 18 Millionen Euro aus und nehme über die Gebühren 4 Millionen Euro ein. Das sei problematisch, auch angesichts des defizitären Haushalts. Im laufenden Haushaltsjahr kämpft Heusenstamm mit einem Minus von 3,5 Millionen Euro.

Elterninitiative warnt vor finanziellen Belastungen

Eine Elterninitiative aus Heusenstamm warnt, die Gebührenerhöhung könne viele Familien in finanzielle Bedrängnis bringen. In Folge könnten sie weniger Betreuung in Anspruch nehmen.

Dann müssten die Eltern ihre Arbeitszeiten reduzieren, meint Tim Jäger, einer der Initiatoren: "Wir gehen davon aus, dass sich vor allem Mütter überlegen, ob sie sich die Betreuung in Heusenstamm noch leisten können und wollen."

Betroffene: "Es lohnt sich kaum noch zu arbeiten"

Seit mehr als einem Monat läuft gegen die Gebührenerhöhung eine Online-Petition, an der sich bisher mehr als 1.500 Menschen beteiligt haben. Unterzeichnet hat zum Beispiel Wiebke Kuhnert aus Heusenstamm. Ihrer Rechnung zufolge könnten sich die Betreuungskosten für ihre drei Kinder im Schulhort und Kindergarten langfristig verdreifachen. Dann müsste die Familie monatlich über 900 Euro zahlen.

Für die Familie sei das viel Geld, sagt die 35-Jährige, die als Lehrerin in Teilzeit arbeitet. "Da wir wie viele aus Heusenstamm zu unseren Jobs im Rhein-Main-Gebiet pendeln, ist es auch keine Option, kürzere Betreuungszeiten in Anspruch zu nehmen."

Anders ist das bei Monique Weidner und ihrer Familie. Die 49-Jährige arbeitet in Teilzeit. Für ihre zwei Schulkinder wären möglicherweise künftig 249 Euro monatlich zu zahlen. Das wären mehr als 100 Euro mehr als bisher, rechnet Weidner vor. "Deshalb dürfte es sich für mich kaum noch lohnen, zu arbeiten und die Nachmittagsbetreuung für die Kinder in Anspruch zu nehmen, denn so hoch ist mein Gehalt nicht."

Bürgermeister kann Frust nicht nachvollziehen

Bei vielen Eltern ist der Frust mittlerweile groß. Den Ärger kann Bürgermeister Ball allerdings nicht nachvollziehen. In Heusenstamm gebe es mehr als 1.600 Betreuungsplätze für Krippenkinder, Kindergartenkinder und Schulkinder, doch die müssten auch bezahlt werden.

Dass nun reihenweise Plätze frei werden, glaubt der Bürgermeister nicht. Und wenn doch, könne man sie an Eltern aus Nachbargemeinden vergeben: "Teilweise gibt es dort Wartelisten mit mehreren hundert Interessierten, die liebend gern einen Platz in Heusenstamm hätten."

Pfungstadt hat Gebühren etwa verdoppelt

Ähnlich wie in Heusenstamm hat die Stadtverordnetenversammlung in Pfungstadt (Darmstadt-Dieburg) am Montagabend eine Gebührenerhöhung beschlossen. Damit haben sich die Gebühren für Ganztagsplätze im Kindergarten und in der Krippe in etwa verdoppelt. So werden für einen Kindergartenplatz statt bisher 90 Euro ab Anfang August 180 Euro fällig.

Und in den nächsten zwei Jahren seien weitere Gebührenerhöhungen geplant, erklärt Elternbeirat Kai Arnold. Es sei zu befürchten, dass in vielen Fällen ein Elternteil beruflich kürzertreten dürfte, um die Kinder mehr zu betreuen. Auch in Pfungstadt hatte es im Vorfeld eine Online-Petition gegen die Gebührenerhöhung gegeben.

Große Unterschiede bei Gebühren

Generell fallen die Betreuungsgebühren in Hessen sehr unterschiedlich aus, wie eine Auswertung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zeigt. Grundsätzlich ist in Hessen zwar geregelt, dass für Kita-Kinder ab dem dritten Geburtstag die Betreuung kostenlos ist, aber nur für sechs Stunden am Tag.

Für längere Betreuung können Gebühren fällig werden. Während in Frankfurt auch für acht Stunden Betreuung nichts zu zahlen ist, werden dafür in Offenbach 56,60 Euro monatlich fällig.

Gebühren je nach Einkommen bisher die Ausnahme

Eine Differenzierung nach dem Einkommen sehe man zumindest in den hessischen Großstädten nicht, heißt es in der Auswertung des IW. Zumindest die Stadt Langen hat das Berechnungsmodell nach dem Einkommen nach eigenen Angaben 2015 eingeführt und zwei Jahre später wieder verworfen.

Diese Entscheidung begründete die Stadtverordnetenversammlung damals unter anderem damit, dass der bürokratische Aufwand zu hoch sei.