Hessen Klingbeil schwört den KSV auf Abstiegskampf bis zum letzten Spieltag ein
René Klingbeil verschrieb sich als Profi den eher erdverbundenen Dingen, sorgte lange Zeit bei Erzgebirge Aue für Ordnung in der Defensive. Als Trainer will er nun mit seinem Sinn fürs Pragmatische Hessen Kassel vor dem Abstieg retten.
Zumindest ans Outfit muss sich René Klingbeil nicht lange gewöhnen. Der Löwe des KSV Hessen Kassel sieht dem Wappentier, das sich noch vor gut zwei Wochen auf seiner Brust räkelte, fast zum Verwechseln ähnlich. 15 Tage vergingen genau zwischen Klingbeils Aus als Trainer des West-Regionalligisten Wuppertaler SV und seiner Vorstellung bei den Kasseler Löwen.
Trotz des kurzen Übergangszeit brauchte Klingbeil kaum Bedenkzeit. "Ich hätte in Wuppertal gerne weiter gearbeitet", sagte der 43-Jährige im Gespräch mit dem hr-sport. "Meine Einstellung war, dass wir da etwas aufbauen mit neuen Spielern. Das kam anders, was man akzeptieren muss. Aber wenn ein Verein wie Hessen Kassel anruft, dann fährst du natürlich hin und hörst dir das an."
Saisonziel war die obere Tabellenhälfte
Schon ging es kopfüber in die neue Aufgabe. Der frühere HSV-Profi übernahm die Geschäfte von Interimscoach André Schubert. Der hatte zumindest die Horrorserie von sechs Niederlagen am Stück mit einem Remis gekappt. Nicht mehr als ein Pflaster auf einen offenen Bruch. Nach 15 von 17 Hinrundenspielen bekam Klingbeil den KSV mit elf Punkten auf einem Abstiegsplatz übergeben.
Vor der Saison hatte Geschäftsführer Sören Gonther auf Nachfrage des hr-sport noch Platz sechs bis neun als Saisonziel als realistisch eingeschätzt. Für Klingbeil aber heute völlig unerheblich. "Alles, was vorher gesagt wurde, ist jetzt egal. Das weiß ich nicht, da war ich noch nicht da", sagt der gebürtige Berliner.
Rätselhaftes Zerwürfnis mit Keeper Franz Langhoff
Die Gegenwart fordert ihn schließlich genug heraus: Zwei Tage, nachdem Klingbeil die Geschäfte übernommen hatte, musste er sich Gedanken über einen neuen Stammtorhüter machen. Franz Langhoff, der bis dahin hauptberuflich in Kassel als Nummer eins zwischen den Pfosten stand, musste gehen. Eine Disziplinlosigkeit, heißt es – sofortige Vertragsauflösung, Stillschweigen. Eine in ihrer Kürze und Schärfe bemerkenswerte Vereinsmitteilung.
Beim Kellerduell bei Eintracht Trier stand am Sonntag dann eben Jonas Weyand im Tor – und hielt als neue Nummer eins die Null. Den Treffer zum 1:0-Sieg in einem umkämpften Kellerduell besorgte Sebastian Schmeer, der eigentlich in der zweiten Mannschaft spielt und im Januar seinen 38. Geburtstag feiert.
"Mit Halbgas haben wir keine Chance"
Klingbeil schwört sein Team auf radikalen Pragmatismus ein. "Wenn ich sagen würde, dass ich gerne Tiki-Taka-Fußball mit Steil-Klatsch sehen würde, wäre das vermessen. Im Moment geht's nur um den Verein. Dass wir in die Spur kommen und die Punkte holen. Mit Halbgas haben wir keine Chance. Wir müssen an unser Limit kommen, dann sind wir konkurrenzfähig."
Dass das bei einem Traditionsverein traditionell etwas schwieriger zu vermitteln ist, spielt für Klingbeil keine Rolle. "Ich weiß nicht, ob dem Umfeld das klar ist", sagt der 43-Jährige. "Wir haben siebenmal in Folge nicht gewonnen, hatten elf Punkte nach 15 Spielen. Klassenerhalt wird das Credo bis zum Saisonende. Wenn wir am letzten Spieltag das Ding sicher haben, haben wir vieles richtig gemacht." Dann bliebe vielleicht sogar für Klingbeil Zeit, mal wieder richtig durchzupusten.