BNahaufnahme eines Stimmzettel für eine Bundestagswahl

Hessen Landeswahlleiter zu rascher Bundestagswahl 2025: "Wir schaffen das"

Stand: 12.11.2024 09:57 Uhr

Neuwahlen im Januar oder erst im März? Hessens oberster Wahlhüter Wilhelm Kanther glaubt: Bei allem Stress ist organisatorisch auch ein früher Bundestagswahl-Termin drin. Aber Kleinparteien fühlen sich benachteiligt.

Es ist die Kernfrage jeder Wahl: Für welche Partei sollte man aus welchen Gründen stimmen? Vor der nächsten Bundestagswahl ist sie ein wenig in den Hintergrund gerückt. Nach dem Bruch der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP läuft der Streit erst einmal darüber, wann überhaupt gewählt werden sollte.

Von Hessen aus drückte Boris Rhein, Ministerpräsident und Landesvorsitzender der CDU, in der Debatte bereits am Sonntag aufs Tempo. "Wir sind doch keine Bananenrepublik!" – so wischte er in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" Bedenken der Bundeswahlleiterin Ruth Brand beiseite.

Eine vor allem von der Union und auch der FDP für Mitte Januar geforderte Neuwahl birgt laut Brand aufgrund der kurzen Frist und der Weihnachtsferien "unabwägbare Risiken". Ihr hessischer Amtskollege Wilhelm Kanther ist weniger alarmiert. "Wenn man optimistisch daran geht und keine Angst hat vor dem Stress, dann kann man das schaffen", sagte der Landeswahlleiter dem hr am Montag.

Wovon hängt der Termin für Neuwahlen ab?

Zuvor hatte Kanther gemeinsam mit der Bundeswahlleiterin und anderen Landeswahlleitern beraten, wie mit der Organisation der Neuwahlen nun umgegangen werden sollte. "Wenn die Verwaltung in Deutschland das nicht kann, welche Verwaltung dann?", setzte er sich anschließend von Brands grundsätzlichen Sorgen ab.

Die Politik lege den Termin fest, die Verwaltung müsse sich daran halten – das ist laut Kanther die Maxime. Die Warnung seiner Kollegin vom Bund, die nötige Menge an Papier für die Stimmzettel könne womöglich bis Januar nicht rechtzeitig kommen, quittierte er mit dem Kommentar: "Das ist natürlich Unsinn." Der Lieferant habe bereits zugesagt, in jedem Fall pünktlich liefern zu können.

Scholz zeigt sich flexibel

Nach dem Platzen der Ampelkoalition hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) zunächst angekündigt, erst Mitte Januar die Vertrauensfrage stellen zu wollen. Mit ihr dokumentiert ein Kanzler per Abstimmung amtlich, ob er noch eine Parlamentsmehrheit hat – was faktisch nach dem Bruch mit der FDP nicht mehr der Fall ist.

Neuwahlen wären dann laut Grundgesetz spätestens im März fällig. In der ARD-Sendung "Caren Miosga" am Sonntag schloss der Kanzler aber nicht mehr aus, noch vor Weihnachten im Bundestag mit einer Vertrauensfrage Neuwahlen einleiten zu wollen.

Unerbetene Papierspende

So oder so: Ganz bei Null fangen die Vorbereitungen laut Landeswahlleiter Kanther ohnehin nicht an. Ursprünglich war die Bundestagswahl für den 28. September 2025 vorgesehen. Da erste Vorbereitungen stets ein Jahr vor einem so großen Ereignis beginnen, habe man bereits vor dem Bruch der Regierungskoalition erste Materialien bestellt.

Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden, Dienstsitz der Bundeswahlleiterin, lehnte eine Papierlieferung am Montag ab. Kein Wunder: Sie kam unerbeten und verfolgte aus parteipolitischen Motiven satirische Zwecke. Der baden-württembergische FDP- Landtagsabgeordnete Christian Jung drängte so auf einen zügigen Wahltermin.

Auch Kanther ist nicht sorgenfrei

Auch ohne Papierproblem sind die Wahlvorbereitungen laut Landeswahlleiter Kanther nicht von Pappe. "Das ist eine erhebliche Anstrengung. Daraus entstehen auch immer Risiken“, betont er.  

Gesetzlich vorgeschriebene Fristen müssten gegenüber Wahlen, die regulär am Ende einer Legislaturperiode über die Bühne gehen, verkürzt werden. Dies gilt laut Kanther auch für die Briefwahl. Er wünscht sich wegen des höheren Aufwands für die Briefwahl schon jetzt von den Bürgerinnen und Bürgern, dass viele von der Urnenwahl Gebrauch machen.

Wo kommen die Wahlhelfer her?

Eine der großen Herausforderungen für den im hessischen Innenministerium angesiedelten Landeswahlleiter ist es demnach, jedem der rund 5.500 Wahllokale in den 299 Bundestagswahlbezirken die richtigen Stimmzettel zuzuordnen. Die Städte und Gemeinden müssen nun auf die Schnelle die Räumen für die Wahllokale finden und reservieren.

Noch schwieriger wird es wohl, die Wahllokale personell mit dem nötigen Personal auszustatten. "Wir müssen um die 4.600 ehrenamtliche Wahlhelfer finden und die Wahlvorstände schulen", gibt die Frankfurt Stadträtin und Wahl-Dezernentin Eileen O'Sullivan (Volt) zu bedenken. Dieter Scheer, Kreiswahlleiter von Hersfeld-Rotenburg, sieht es ähnlich: "Damit haben die Gemeinden in der Kürze der Zeit die Hauptarbeit."

Verzagen gilt aber auch laut Scheer nicht, wenn man nur schon den Wahltermin kennen würde. "Sobald der feststeht, kriegen wir das auch hin."

Kleinparteien fühlen sich schwer benachteiligt

Das sehen eine ganze Reihe unmittelbar Beteiligter nicht so optimistisch. Wo Wahlleiter in Stress versetzt wurden, haben sie Panikschübe. Denn sie gehören Klein- und Kleinstparteien an. Für sie ist die Teilnahme an einer Bundestagswahl schon beim normalen Gang der Dinge ein schwieriger Hürdenlauf.

"Das ist eine eklatante Benachteiligung aller kleinen Parteien", sagt Markus Hutter, Landeschef der Ökologisch-Demokratischen-Partei (ÖDP), zu Plänen für eine besonders schnell herbeigeführte Neuwahl. Er fordert angesichts des Zeitdruckes für Parteien wie seine ein Entgegenkommen.

Klage angedroht

Zwar ist auch für die politische Konkurrenz, die dem Bundestag oder einem Landtag angehören, Eile geboten. Die meisten haben bisher noch keine Kandidatenlisten für die Bundestagswahl aufgestellt. Aber sie haben längst einen Plan B und große Apparate und einen Stab hauptamtlicher Mitarbeiter, um Wahlvoraussetzungen zu erfüllen und einen Wahlkampf auf die Beine zu stellen.

Parteien ohne Bundestags- oder Landtagsmandate müssen nun jeweils 2.000 Unterschriften von Wahlberechtigten sammeln, damit ihre Landesliste genehmigt wird. Man werde schon alle Ressourcen mobilisieren müssen, um es am Ende auf den Stimmzettel zu schaffen, sagt ÖDP-Politiker Hutter.

Kleinparteien wie ÖDP und Tierschutzpartei stehen schon miteinander im Kontakt, um möglicherweise gemeinsam die von ihnen vermisste Chancengleichheit gerichtlich einzuklagen. Dass ihnen Unrecht geschieht, kann Hessens Landeswahlleiter Kanther bei allen Problemen bisher nicht erkennen. Er sagt: "Ich gehe als ausführendes Organ davon aus, dass die Chancengleichheit gewahrt ist."