Mustafa Zeyrek (re.) und Beata Bayram (Mitte) stehen mit anderen Bewohnern vor dem Hochhaus Nummer 46.

Hessen Mieter wütend: "Menschenunwürdige" Zustände in Hochhäusern in Darmstadt

Stand: 14.01.2025 17:21 Uhr

Mehrere Wochen waren hunderte Bewohner eines Hochhauskomplexes ohne Warmwasser, teilweise blieben die Heizungen kalt. Weil auch die Aufzüge nicht fuhren, konnten viele das Haus nicht verlassen. Noch immer sind nicht alle Probleme behoben. Nun hat sich der Oberbürgermeister eingeschaltet.

Von Julian Moering

Aus dem Hahn fließt lauwarmes Wasser. Immerhin. Und auch einer der beiden Aufzüge fährt wieder, wenn auch nur der kleine. "Seit ein paar Tagen ist es etwas besser geworden", sagt Sibille Christmann. Gut ist es aber noch lange nicht.

Christmann wohnt im 18. Stock von Hochhaus Nummer 46 im Darmstädter Pfannmüllerweg. Die vergangenen Wochen waren für sie und die anderen Bewohnerinnen und Bewohner des Wohnkomplexes im Stadtteil Kranichstein eine Tortur. "Kurz vor Weihnachten gab es kein warmes Wasser mehr", berichtet Christmann. In manchen Wohnungen habe auch die Heizung nicht funktioniert. Am 23. Dezember fielen zudem beide Aufzüge aus.

Seitdem musste die Seniorin 18 Stockwerke durch das Treppenhaus laufen, wenn sie das Haus verlassen wollte – 288 Stufen runter und wieder hoch. "Für mich ist das gerade noch machbar", sagt Christmann. Für andere Bewohner waren die Treppen ein unüberwindbares Hindernis.

Missstände in Darmstädter Hochhaus

"Im 17. Stock wohnt ein Mann mit einem Rollator", berichtet Mustafa Zeyrek, der seit 17 Jahren in dem Haus wohnt. Der Mann habe seine Wohnung fast drei Wochen lang nicht verlassen können. "Der war eingesperrt wie im Knast, das war menschenunwürdig", schimpft Zeyrek.

Die hochschwangere Yasmin musste in ein Hotel umziehen, weil die 23-Jährige die Treppen aus dem elften Stock nicht laufen konnte. Ein Familienvater aus dem 17. Stockwerk berichtet, er und seine Familie hätten immer fast eine halbe Stunde benötigt, um die Einkäufe in die Wohnung zu schleppen.

Hinzu kam die Sache mit dem kalten Wasser. "Wir mussten uns mit Lappen waschen, weil das Wasser viel zu kalt zum Duschen war", erzählt seine Tochter. Die Hygiene habe arg gelitten. Frau Christmann aus Stock 18 klagt zudem wie viele andere Bewohnerinnen und Bewohner über Hautausschlag. Sie vermutet, das komme vom Wasser. Sie hat bereits das Gesundheitsamt eingeschaltet.

"Sie haben uns im Stich gelassen"

Der Frust bei den Menschen ist groß, bei vielen ist er bereits in Wut umgeschlagen. Sie fühlen sich vom Vermieter, der Wohngesellschaft GWH, nicht ernst genommen. "Ich habe viele Mails geschrieben", sagt Mieterin Beata Bayram, die sich mit Zeyrek und rund 50 anderen Betroffenen in einer Chat-Gruppe organisiert hat. Bis heute habe sie keine Antwort erhalten. Ein anderer Bewohner erzählt, er habe bei der Notfall-Hotline der GWH angerufen, dort habe man aber einfach aufgelegt.

Schon seit einigen Jahren laufe es in den vier baulich zusammenhängenden Häusern des Wohnkomplexes nicht rund, immer wieder fielen Aufzüge oder Heizungen aus. "Die vergangenen Wochen haben das Fass aber zum Überlaufen gebracht", sagt Bayram. "Sie haben uns im Stich gelassen."

GWH: "Sämtliche Aufzüge werden erneuert"

GWH-Geschäftsstellenleiter Michael Back versucht, die Wogen zu glätten. "Ich kann den Unmut der Leute verstehen und bitte um Entschuldigung", sagte er dem hr am Montag. In 30 Jahren Berufstätigkeit habe er eine solche Häufung von Ausfällen noch nicht erlebt. Die GWH arbeite unter Hochdruck daran, die Probleme zu beheben, allerdings seien einige Ersatzteile über die Feiertage und den Jahreswechsel nicht lieferbar gewesen. "Da müssen wir uns in Zukunft besser vorbereiten", so Back.

Damit kurzfristig in jedem Haus zumindest ein Aufzug läuft, habe man jetzt Teile aus funktionierenden Aufzügen ausgebaut und zur Reparatur der kaputten verwendet. "Bis Ende der Woche funktionieren alle Aufzüge wieder", verspricht Back. Im Laufe des Jahres würden zudem sämtliche Aufzüge in allen Häusern erneuert. Für die entstandenen Unannehmlichkeiten werde die Wohngesellschaft allen Betroffenen Mietminderung gewähren. Rund 250 Wohnungen befinden sich in dem Hochhauskomplex, Probleme habe es in allen vier Häusern gegeben, wie Betroffene berichten.

Warum hat das so lange gedauert?

Tatsächlich fährt seit einigen Tagen in allen Häusern wieder mindestens ein Aufzug. Die Situation mit dem Wasser und den Heizungen habe sich ebenfalls gebessert, so Back, auch wenn viele Betroffene weiterhin über nur lauwarmes Wasser und schlecht funktionierende Heizungen klagen. Hier habe es komplexe technische Probleme geben, unter anderem habe man eine neue Pumpe einbauen müssen.

Was viele Mieterinnen und Mieter aber nicht verstehen: Warum hat es so lange gedauert, bis überhaupt etwas passiert? Fast drei Wochen liefen die Aufzüge nicht, das Wasser war noch länger kalt. Eine Frage, die auch Back nicht beantworten kann. "Ich habe erst am 6. Januar von den Problemen erfahren", sagt er. Dass zahlreiche Anfragen und Hilferufe seit der Zeit vor Weihnachten unbeantwortet blieben, kann er sich nicht erklären. "Wir werden aber Termine anbieten, bei denen wir alle Probleme einzeln aufnehmen." Auch die Kommunikation mit den Mietern wolle die GWH künftig verbessern.

Die Vermutung einiger Bewohner, dass ihre Hautausschläge durch das Leitungswasser entstanden sind, weist die GWH entschieden zurück. Man nehme die Sorgfaltspflicht aber ernst und habe eine chemische Analyse in Auftrag gegeben.

Oberbürgermeister schaltet sich in Konflikt ein

Dass jetzt Bewegung in die Sache kommt und die GWH begonnen hat, die Probleme zu beheben, liegt nach Ansicht von Mieter Zeyrek aber nur daran, dass sich neben der Presse auch der Oberbürgermeister in den Konflikt eingeschaltet hat. Auf Einladung der Mieterinnen und Mieter stattete Hanno Benz (SPD) dem Wohnkomplex am Montagnachmittag einen persönlichen Besuch ab, um sich ein Bild zu machen.

Oberbürgermeister Benz und GWH-Geschäftsstellenleiter Back im Gespräch mit Mieterinnen und Mietern.

Oberbürgermeister Benz (2.v.li.) und GWH-Geschäftsstellenleiter Back (li.) im Gespräch mit Mieterinnen und Mietern.

"Diese Zustände sind nicht haltbar", sagte Benz in einem Gespräch mit rund einem Dutzend Bewohnerinnen und Bewohnern im Foyer des Hochhauses 44. Der Oberbürgermeister sieht den Vermieter in der Pflicht, schnell Abhilfe zu leisten. "Mir ist daran gelegen, dass alle Menschen in unserer Stadt gut wohnen können." Das Treffen, bei dem auch GWH-Geschäftsstellenleiter Back anwesend war, wertete Benz als guten Anfang für eine bessere Zukunft. Eine anberaumte Mieterversammlung möchte der Oberbürgermeister selbst moderieren.

Dass nun vieles besser wird, hofft auch die schwangere Yasmin. Seit einigen Tagen wohnt sie mit ihrem Partner wieder in ihrer Wohnung im elften Stock und möchte sie auch so schnell nicht wieder verlassen. "Das ist mein Zuhause, ich lebe hier sehr gerne."