Ein Feld mit niedrig wachsenden grünen Pflanzen liegt unter schwadenartigem Nebel. Durch den Nebel zu erkennen sind im Hintergrund hohe Bäume.

Hessen Nach mutmaßlichem Betrug im AEEV: Ried-Entwässerung wird für viele Landwirte teurer

Stand: 18.12.2024 15:03 Uhr

Einem Entwässerungsverband im südhessischen Ried fehlen rund zwei Millionen Euro. Die langjährige Geschäftsführerin soll auf Kosten des Verbands heimlich Kredite aufgenommen haben. Um wieder zahlungsfähig zu werden, hat der Verband die Beiträge für hunderte Mitglieder mehr als verdoppelt.

Von Volker Siefert

Dank Vater Rhein ist das Ried um Groß-Gerau reichlich mit Wasser gesegnet. Um die Wassermassen in dem ehemaligen Sumpfland zu regulieren, wurde vor über hundert Jahren der Astheim-Erfelder Entwässerungsverband (AEEV) mit Sitz in Trebur gegründet. 

Seine Mitglieder müssen ab sofort mehr als das Doppelte für ihre Entwässerung zahlen. Das entschied der Verbandsausschuss am Dienstagabend. Denn nach einem mutmaßlichen Millionenbetrug steht dem auch für den Hochwasserschutz zuständigen Verband finanziell das Wasser bis zum Hals.

Der Verband hat rund 750 Mitglieder im Ried. Dabei handelt es sich um Landwirte, Erbengemeinschaften, Kleingartenbesitzer sowie Kirchen und Kommunen.

Beiträge in Trebur steigen stark

Hintergrund für die existenzbedrohende wirtschaftliche Schieflage ist der vor genau einem Jahr bekannt gewordene Betrugsverdacht im AEEV. Der Vorstand gab damals bekannt, dass er seiner langjährigen Geschäftsführerin fristlos gekündigt habe. Sie soll im Namen des Verbandes Darlehen bei Banken aufgenommen haben, ohne dass die rund zwei Millionen Schulden dem AEEV zugutekamen. 

Die Verbandsmitglieder müssen deshalb nun tiefer in die Tasche greifen. Die Beiträge wurden um bis zu 125 Prozent erhöht. Die Gemeinde Trebur kommt das besonders teuer zu stehen. Hat sie bislang rund 80.000 Euro im Jahr für die Entwässerung ihrer Kläranlage über den AEEV bezahlt, kommen ab 2025 nochmal 100.000 Euro jährlich obendrauf. 

Groß-Gerau zahlt demnach 21.000 Euro mehr als bisher. Wie viele Bürger innerhalb der Kommunen wegen ihrer Gartenentwässerung höhere Beiträge zahlen müssen, hat der AEEV dem hr bislang nicht beantwortet. Seine Website ist seit einem Jahr stillgelegt.

Keine finanzielle Hilfe für Verband

Die Verbindlichkeiten bei den Banken drückten den Verband an den Rand der Zahlungsfähigkeit. "Seit Mitte des dritten Quartals 2024 verfügte der AEEV nicht mehr über liquide Mittel", erklärte Tobias Flach von der AEEV-Betriebsleitung auf hr-Anfrage.

Eine Alternative zu der Beitragserhöhung gab es offenbar nicht. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist der Verband nicht insolvenzfähig. Aber das Land Hessen und der Kreis Groß-Gerau hatten Anfragen des Verbandes auf finanzielle Unterstützung eine Absage erteilt. 

Man sei für die Aufsicht über Verbände wie den AEEV zuständig. "Dagegen ist es keine Aufgabe der Verbandsaufsicht, finanzielle Hilfen an die Verbände zu gewähren", erklärte eine Sprecherin des Kreises Groß-Gerau.

Ermittlungen gegen Geschäftsführerin laufen noch

Die Staatsanwaltschaft Darmstadt ermittelt seit rund einem Jahr gegen die ehemalige Geschäftsführerin. Der Entwässerungsverband hatte sie angezeigt.

Was genau die Beschuldigte mit dem Geld gemacht hat, ist laut einem Sprecher der Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt. Es geht bei den Ermittlungen um den Verdacht auf Untreue, Betrug und Urkundenfälschung. Teilweise liegen die Kredite über zehn Jahren zurück.

Im Vorstand sei die Frage einer Schadensersatzklage "andiskutiert, aber noch nicht entschieden", erklärte Tobias Flach von der AEEV-Betriebsleitung. Wegen der laufenden strafrechtlichen Ermittlungen seien dem Verband die Hände gebunden. 

"In einer zivilrechtlichen Klage müssen nämlich die Forderungen im Einzelnen genau beziffert sein und in einer entsprechenden Klageschrift beim zuständigen Gericht differenziert begründet werden", sagte Flach. Wann und mit welchem Ergebnis die Staatsanwaltschaft Darmstadt ihre Ermittlungen abschließen wird, ist noch offen.