Hessen Mitarbeiter der Ausländerbehörde des Hochtaunuskreises unter Korruptionsverdacht
Ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde des Hochtaunuskreises soll Schwerkriminellen gegen Geld den Aufenthalt in Deutschland ermöglicht haben. Darunter sind ein verurteilter Mörder sowie eine Großfamilie, auf deren Konto hunderte Straftaten gehen sollen.
Ein leitender Mitarbeiter der Ausländerbehörde des Hochtaunskreises steht unter Korruptionsverdacht. Er soll schwerkriminelle Ausländer gegen Geld vor einer Abschiebung bewahrt haben.
In einem der Fälle soll es sich um einen Mann aus Bangladesch handeln, der in den 1990er Jahren in Dreieich (Offenbach) einen anderen Mann erschossen hat. Er wurde dafür nach hr-Informationen wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
Nach Ende der Strafe wurde der Mann nicht abgeschoben, sondern erhielt im Hochtaunuskreis eine sogenannte Kettenduldung. Sein Duldungsstatus wurde also immer wieder verlängert, ohne dass daraus ein Aufenthaltsstatus entstand.
Möglicherweise vor Abschiebung gewarnt
Der Mitarbeiter soll auch über Jahre die Abschiebung einer 13-köpfigen Großfamilie verhindert haben, die zuletzt in Usingen (Hochtaunus) gelebt hat. Und das, obwohl Angehörigen der Familie hunderte Straftaten zur Last gelegt wurden. Ein Großteil der Familie wurde zwar Anfang September von der Bundespolizei abgeschoben, der Vater der Familie und zwei seiner Söhne seien aber weiter auf der Flucht. Es besteht der Verdacht, dass sie vor der Abschiebung gewarnt wurden.
Vergangene Woche berichtete die Bild-Zeitung von mehreren Fällen, in denen es zu Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Dokumenten an Ausländer gekommen sein soll. Demnach sollen 30 Fälle rechtlich zweifelhaft sein.
Noch keine Strafanzeige gestellt
Der Verdacht der Bestechlichkeit gegen den leitenden Mitarbeiter der Behörde besteht nach hr-Informationen schon länger. Er soll bereits im Sommer suspendiert worden sein. Wie ein Sprecher dem hr am Montag auf Anfrage bestätigte, hat der Kreis bislang keine Strafanzeige wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit eines Amtsträgers erstattet. Weitere Nachfragen wurden nicht beantwortet.
Die Stadt Bad Homburg und der Hochtaunuskreis haben zwei unterschiedliche Ausländerbehörden, die beide ihren Sitz in der Kreisstadt haben. Von den aktuellen Vorwürfen betroffen ist die Kreisbehörde.
Die Ausländerbehörde des Hochtaunuskreises in Bad Homburg soll von einer unabhängigen Stelle überprüft werden. "Es ist zutreffend, dass dem Landrat Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es im Rahmen der Geschäfte der Ausländerbehörde zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein soll", sagte der Sprecher des Kreises am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur.
Der Landrat, Ulrich Krebs (CDU), habe deshalb veranlasst, dass diese Vorwürfe nun "geordnet und unter Beiziehung einer unabhängigen und auf Compliance spezialisierten Kanzlei überprüft werden", hieß es.
Kritik von Anti-Korruption-Experten
Ein Vorgehen, das der Anti-Korruption-Experte Heribert Hirte von Transparency International fragwürdig findet. Bei dem Verdacht einer schweren Straftat sei eine Strafanzeige angebracht - "allein schon, um sich nicht dem Verdacht der Strafvereitelung im Amt auszusetzen". Es sei Aufgabe der Staatsanwaltschaft, im Fall von Korruptionsvorwürfen gegen einen Beamten zu ermitteln.
Norman Diessner von den Grünen im Kreistag hält es für einen Fehler, dass die Staatsanwaltschaft bislang nicht in den Fall eingebunden wurde. "Um allen Spekulationen aus dem Weg zu gehen, dass in der Kreisverwaltung etwas unter den Teppich gekehrt werden soll, sollte der Landrat den Fall in die Hände unabhängiger Ermittler gegeben", sagte er am Montag dem hr.
Abschluss der Überprüfungen steht aus
Politisch zuständig für die Ausländerbehörde des Hochtaunuskreises war bis zum Ende des vergangenen Jahres Katrin Hechler von der SPD, die nun als Staatssekretärin im hessischen Arbeits- und Sozialministerium arbeitet. Sie antwortete dem hr schriftlich: "Als frühere Kreisbeigeordnete war ich in die konkreten Fälle, über die in den Medien berichtet wird, nicht eingebunden und habe demzufolge von Unregelmäßigkeiten keine Kenntnis gehabt." Die aktuelle Kreisbeigeordnete Antje van der Heide hat sich bislang zu den Vorgängen öffentlich nicht geäußert.
Nach Angaben des Kreises steht der Abschluss der Überprüfungen noch aus. Verwaltungsrechtliche und auch sonstige Maßnahmen, die auf der Grundlage etwaiger Feststellungen veranlasst seien, würden "unverzüglich ergriffen und die gebotenen internen disziplinarrechtlichen Schritte eingeleitet", hieß es.