Hessen Ofen aus: RHI Magnesita schließt überraschend Werk in Staufenberg
Noch in diesem Jahr könnte Schluss sein mit der Produktion von feuerfesten Materialien in Staufenberg. Rund 90 Arbeitsplätze fallen weg. Die Entscheidung des Konzerns RHI Magnesita kommt überraschend. Erst kürzlich wurde noch kräftig investiert in den Standort.
Rund 20 Jahre hätte der neue Ofen eigentlich noch brennen sollen - doch schon bald wird er wohl abgeschaltet. Der österreichische Konzern RHI Magnesita wird sein Produktionswerk für feuerfeste Materialien in Staufenberger Stadtteil Mainzlar (Gießen) noch dieses Jahr schließen.
Wie die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) mitteilt, sei die Belegschaft darüber vergangene Woche bei einem "Townhall-Meeting" informiert worden. Betroffen von der Werksschließung sind rund 90 Arbeitsplätze.
Auf hr-Anfrage bestätigte der Konzern die baldige Schließung und begründete sie mit einer "weltweiten Nachfrageschwäche für Feuerfestprodukte". Die Nachfrage sei zu gering, um die Mengen zu produzieren, die nötig seien, das Werk in Mainzlar auszulasten. Erwartungen aus dem Jahr 2022 hätten sich nicht erfüllt.
"Der Beschluss, das Werk in Mainzlar schließen zu wollen, ist uns sehr schwergefallen", so RHI Magnesita. "Mainzlar ist ein Werk mit einer langen Tradition sowie hervorragenden Mitarbeitenden." Man sei in Gesprächen mit der Arbeitnehmervertretung, um einen Interessensausgleich und Sozialplan zu verhandeln.
Gewerkschaft spricht von "Wortbruch"
Die Gewerkschaft sieht in der Entscheidung einen "Wortbruch". Julian Fluder, Betriebsbetreuer der IGBCE, sagte gegenüber dem hr, man fühle sich vom Management belogen. Noch vor knapp zwei Jahren habe die Konzernspitze erklärt, es gäbe keine RHI Magnesita ohne das Werk Mainzlar.
Die Gewerkschaft verweist zudem darauf, dass RHI Magnesita erst vor Kurzem ein Konkurrenzwerk aufgekauft habe. Dadurch sei "interne Konkurrenz" hergestellt worden.
Es habe vorher keine Anzeichen gegeben, wie etwa durch Kurzarbeit oder Ähnliches, sagt Fluder. Der Betriebsratsvorsitzende Michael Schwarz sagte dem hr: Die Belegschaft sei sehr schockiert von der Ankündigung. Der Betriebsrat wolle jetzt dafür kämpfen, eine sehr gute soziale Absicherung zu erreichen, etwa innerhalb einer Transfergesellschaft. "Es ist wichtig, den Leuten Hoffnung zu machen - wenn schon so was direkt vor Weihnachten kommt."
Schließung 2022 noch abgewendet
Nachdem eine Schließung bereits 2022 im Raum stand, aber noch mal abgewendet werden konnte, hatte RHI Magnesita in den vergangenen Jahren noch rund 11,2 Millionen Euro in den Standort Mainzlar investiert.
So waren etwa die Bahngleise nebenan für den Transport reaktiviert und ein alter Tunnelofen modernisiert und wieder in Betrieb genommen worden. Dieser hätte eigentlich die kommenden 20 Jahre durchgängig bei 1.660°C laufen sollen, wie es damals hieß. Der Ofen galt als eine große Investition in die lokale Industrie.
Landrätin will Gespräche führen
Die Gießener Landrätin Anita Schneider (SPD) sagte gegenüber dem hr, sie sei "schockiert" über die Schließung. Dem Kreis sei eine gute Zukunft für das Werk prognostiziert worden, der Standort schien gesichert.
Sie selbst habe am vergangenen Freitag die Nachricht erhalten und habe noch am gleichen Tag vor Ort mit dem Betriebsrat und dem Betriebsstellenleiter gesprochen.
Sie habe bereits ein Telefonat mit dem Europa-Konzernbevollmächtigten geführt und wolle nun gemeinsam mit der Stadt Staufenberg und dem hessischen Wirtschaftsministerium ein Gespräch mit ihm führen, um die Situation zu erörtern und über die vorgesehene Sozialplanung zu sprechen.
Gewerkschaft: Werksschließung unabwendbar
Dass die Werksschließung erneut abgewendet werden kann, hält Gewerkschaftssprecher Fluder für so gut wie ausgeschlossen. Ein Ofen sei bereits abgeschaltet worden. "Und der wird dann auch nicht mehr so einfach hochgefahren", meint Fluder.
Auch die anderen Öfen sollen laut Fluder noch dieses Jahr abgeschaltet werden. "Und wenn so ein Ofen erst mal kalt ist, müsste der erst wieder aufwendig gewartet werden."
Über hundert Jahre lange Geschichte
Das Werk in Staufenberg-Mainzlar hat eine lange Geschichte, die bis ins Jahr 1907 zurückreicht. Nahe gelegene Quarzitvorkommen in der Region waren damals ideales Ausgangsmaterial für feuerfeste Keramik, die unter anderem im Ofenbau und in der Glasherstellung benötigt wurde.
Der langjährige Standort der Didier-Werke wurde in den 1990er Jahren von der österreichischen RHI AG übernommen. Heute gehört der Standort zu RHI Magnesita, einem weltweit führender Anbieter feuerfester Produkte, die für Hochtemperaturanwendungen in der Industrie benötigt werden.