Cornelia Koppetsch spricht auf einer Bühne in ein Mikrofon

Hessen Plagiatsvorwürfe: TU Darmstadt stellt Bestseller-Professorin Koppetsch vorerst kalt

Stand: 15.01.2025 12:19 Uhr

Die Darmstädter Universität entbindet Soziologin Cornelia Koppetsch bis auf Weiteres von ihren Aufgaben. Zuvor war ihre Habilitation zurückgenommen worden, weil die Wissenschaftlerin an vielen Stellen abgeschrieben haben soll - wie bereits in ihren Bestseller-Büchern. Es droht der Verlust der Professur.

Von Julian Moering

Es ist noch nicht so lange her, da war Cornelia Koppetsch so etwas wie das frische Gesicht der deutschen Soziologie. Die Wissenschaftlerin galt als AfD-Erklärerin, saß in vielen Talkshows, redete über den Aufstieg des Rechtspopulismus und schrieb vielbeachtete Bestseller. 2019 wurde ihr nachgewiesen, dass sie in ihren Büchern massiv von Kollegen abgeschrieben hatte, die Werke wurden vom Markt genommen, ihr Ruf war ruiniert. Jetzt droht der 57-Jährigen sogar der Verlust ihrer Professur an der TU Darmstadt.

Denn Koppetsch soll auch in ihrer Habilitation abgeschrieben haben, und das nicht in geringem Maße. In der Schrift lägen "gravierende Verstöße gegen die wissenschaftliche Redlichkeit" vor, teilte die Lüneburger Leuphana Universität mit. Dort hatte Koppetsch ihre Habilitation mit dem Titel "Das Ethos der Kreativen" im Jahr 2006 eingereicht.

Lüneburger Universität zieht Habilitation zurück

Die Schrift enthalte Übernahmen aus Texten anderer Autoren, die nicht als solche kenntlich gemacht wurden, führt die Universität in einer Mitteilung aus. Das habe eine Überprüfung ergeben. Die Verstöße "prägen insgesamt die vorgelegte Arbeit".

Als Konsequenz nahm die Universität die Habilitation zurück. Das bedeutet, dass Koppetsch auch ihre Lehrbefugnis für Soziologie verliert. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, wie die Universität betonte.

TU entbindet Koppetsch von Aufgaben

Die TU Darmstadt, an der die Soziologin seit 2009 eine Professur inne hat, reagierte umgehend und entband Koppetsch bis auf Weiteres von ihren Tätigkeiten in Lehre und Forschung. Darüber hinaus will die Universität prüfen, ob Voraussetzungen für den Entzug der Professur vorliegen und gegebenenfalls rechtliche Schritte einleiten.

"Die Habilitation und die damit verbundene wissenschaftliche Arbeit wurden seinerzeit als wesentliche Qualifikation im Berufungsverfahren der TU Darmstadt berücksichtigt", schreibt die TU in einer Mitteilung.

Im laufenden Semester soll Koppetsch demnach von Kolleginnen und Kollegen vertreten werden, sodass Studierende trotz der Situation Leistungsnachweise für die Lehrveranstaltungen erwerben können.

Koppetsch klagt gegen Entscheidungen

Koppetsch streitet die Vorwürfe ab. "Sie treffen nicht zu", sagte sie dem hr auf Anfrage. Gegen die Entscheidung der Leuphana Universität hat Koppetsch Klage eingereicht, wie ihr Anwalt dem hr bestätigte. "Der Bescheid der Universität Lüneburg weist schwerwiegende Rechtsfehler auf", schreibt der Jurist.

Auch für die Entscheidung der TU Darmstadt sehe er keine Rechtsgrundlage. "Offenbar sollen hier vor einer gerichtlichen Klärung vollendete Tatsachen geschaffen werden." Solange das Verfahren läuft, behält Koppetsch ihre Lehrbefugnis.

Von anderen Autoren abgeschrieben

Mit ihrem Buch "Die Gesellschaft des Zorns" war Koppetsch 2019 für mehrere Buchpreise nominiert, der Feuilleton lobte des Werk teils überschwänglich. Die FAZ sprach sogar vom "großen Wurf". Die Plagiatsvorwürfe ließen die Lobeshymnen abrupt verstummen, sie soll sich an zahlreichen Stellen bei Gedanken und Formulierungen anderer Autoren bedient haben.

Die TU Darmstadt setzte damals eine Untersuchungskommission ein, die auch in Koppetschs anderen Büchern wissenschaftliches Fehlverhalten nachwies. Koppetsch räumte die Fehler ein und gab sich reumütig. "Ich möchte mich in aller Form bei den betroffenen Autoren und der Öffentlichkeit entschuldigen", schrieb sie in einer Stellungnahme.

Beziehung zu AfD-Politiker

Zuletzt sorgte Koppetsch für Schlagzeilen, weil sie als vielbezeichnete AfD-Erklärerin eine Beziehung mit dem wegen Rassismus verurteilten AfD-Politiker Kai Borrmann aus Berlin führt. Borrmann hatte 2021 eine schwarze Frau geschlagen und gebissen und das N-Wort benutzt. Dafür wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt. Im Strafprozess sagte Koppetsch für ihren Partner aus.