Rechenzentrum in Hattersheim - ein hohes graues Gebäude von außen

Hessen Abwärme von Rechenzentren nutzen: Mehrere Projekte in Frankfurt, Hanau und Hattersheim

Stand: 20.06.2024 09:52 Uhr

Im Rhein-Main-Gebiet schießen die Rechenzentren wie Pilze aus dem Boden. Sie verbrauchen große Mengen Strom und erzeugen viel Abwärme. Lange ein Abfallprodukt, das mittlerweile zunehmend zum Heizen genutzt wird.

Von Ursula Mayer

Ein Beispiel findet sich in Hattersheim (Main-Taunus): Dort soll ein Rechenzentrum von NTT Data künftig 600 Haushalte in benachbarten Wohngebieten mit Abwärme für Heizung und Warmwasser beliefern - die ersten davon schon im kommenden Winter.

In der Serverfarm erzeugen tausende Rechner Abwärme, die ein Wasserkreislauf zu einem blauen Kasten im oberen Stockwerk des Gebäudes leitet. "Das ist ein Wärmetauscher", erklärt der Pressesprecher des Rechenzentrums, Günter Eggers: "Hier übergeben wir die Abwärme aus den Serverräumen an die Mainova." Anfangs betrage die Temperatur 30 Grad, die der Frankfurter Energieversorger mittels Wärmepumpen auf bis zu 75 Grad anreichern müsse, um sie für sein Wärmenetz nutzbar zu machen.

Mehrere Projekte für Heizen mit Abwärme

Bis Ende des Jahres könnten die ersten Haushalte mit der Abwärme aus diesem Hattersheimer Rechenzentrum versorgt werden, sagt Mainova-Vorstandsmitglied Diana Rauhut: "Das ist für uns ein zentraler Bestandteil der Energiewende, weil wir hier Energie, die bereits da ist, nutzen können." Zum Aufheizen der Abwärme muss Mainova allerdings einiges an Energie aufwenden.

Wie viel die Mainova in das Hattersheimer Heizprojekt gesteckt hat, darüber schweigt sich Rauhut aus. Sie sagt, dass die Kunden einen Teil der Investitionskosten über den Endpreis mittragen.

Wärmetauscher - ein blauer Kasten mit dicken Rohren darum herum - im Rechenzentrum in Hattersheim

Der Wärmetauscher im Hattersheimer Rechenzentrum.

Ähnliche Projekte treibt der regionale Energieversorger in Frankfurt voran: in einem Wohnquartier namens "Franky" und beim Club Batschkapp. Man gehe davon aus, dass dort die Abwärme noch zu Beginn der kommenden Heizperiode genutzt werden könne, heißt es bei der Mainova. Auch in Langen (Offenbach) sollen Wohnungen und Häuser künftig auf nachhaltigere Weise warm werden. Dort haben die Bauarbeiten laut Mainova allerdings noch nicht einmal angefangen.

Nicht nur Neubaugebiete profitieren

Oft können solche Heizprojekte umgesetzt werden, indem die dafür nötige Technik in Neubaugebieten von Anfang an integriert wird. Anders ist das in Hanau, wo sich ebenfalls mehrere Rechenzentren angesiedelt haben oder es noch vorhaben. Hier soll zum Beispiel in zwei Jahren das Großrechenzentrum DATA4 entstehen. Dessen Abwärme wollen die Stadtwerke nutzen.

Wie die Geschäftsführerin der Stadtwerke Hanau, Martina Butz, berichtet, ist das zwar schon beschlossen, doch die Finanzierung sei noch nicht geklärt. "Das Besondere ist bei uns, dass diese Abwärme nicht nur die Wohngebiete neben den Rechenzentren heizen soll, sondern sie ins allgemeine Fernwärmenetz gespeist wird", sagt Butz. Damit komme sie mehr Hanauer Bürgern zugute. Wie sich das preislich auswirke, sei offen.

Die Sache mit der Nachhaltigkeit

Beim Branchenverband Bitkom heißt es, die Rechenzentren bezögen nicht nur konventionellen Strom, sondern häufig auch Ökostrom. "Manche werden direkt damit betrieben, bei anderen werden entsprechende Zertifikate eingekauft", sagt Kilian Wagner, bei Bitkom Experte für Rechenzentren.

Trotzdem sind die Rechenzentren einer Schätzung von Bitkom zufolge allein in Hessen jedes Jahr für Treibhausemissionen in Höhe von rund 2,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten verantwortlich. Deren Klimabilanz wäre besser, würde deren Abwärme konsequent zum Heizen genutzt, sagt Wagner: "Die Abwärme fällt ohnehin an. Wenn dieses Abfallprodukt genutzt wird, entsteht kein zusätzliches CO2."

Rechenzentren-Zentrum Frankfurt

Hotspot ist deutschlandweit Frankfurt. Hier haben sich in unmittelbarer Nähe zum Internetknotenpunkt De-Cix 82 Rechenzentren angesiedelt. Weitere sind genehmigt oder befinden sich im Bau. Nach Auskunft der Mainova verbrauchten sie allein im vorigen Jahr 1.600 Gigawattstunden Strom. Das seien 20 Prozent des gesamten Strombedarfs in Frankfurt. Damit seien die Rechenzentren mittlerweile Hauptstromabnehmer.

"Das könnte das Frankfurter Stromnetz an seine Grenzen bringen", fürchtet Bitkom-Experte Wagner. Der Frankfurter Energieversorger Mainova entgegnet, dieses Netz werde permanent ausgebaut. Wenn es neue Anmeldungen für Rechenzentren gebe, könne es allerdings passieren, dass man den Betreibern weniger Stromkapazitäten bieten könne als erwünscht.

Der Energiehunger steigt und steigt

So entsteht eine neue Branche, die die städtische Infrastruktur fordert, aber im Vergleich zu anderen Branchen wenige neue Arbeitsplätze und Steuereinnahmen bringt. Frankfurt nahm nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr rund drei Milliarden Euro an Gewerbesteuer ein. Der Anteil der Rechenzentren habe dabei weniger als ein Prozent betragen.

Trotzdem sieht das hessische Digitalministerium großes Potenzial in der Branche als Rückgrat einer zunehmend digitalisierten Wirtschaft. Allerdings dürfte ihr Energiehunger noch lang nicht gestillt sein. Nach Schätzungen des Ministeriums steigt der Energiebedarf der Rechenzentren in Hessen bis zum Jahr 2030 um 44 Prozent: auf 6.200 Gigawattstunden im Jahr.

Deshalb empfiehlt das Ministerium den Kommunen, die Abwärme der Rechenzentren auf jeden Fall bei ihrer Wärmeplanung zu berücksichtigen. Oft müssten sie dafür allerdings ihre Wärmenetze überarbeiten, damit sie sie aufgrund der vergleichsweise niedrigen Temperaturen tatsächlich für Heizungen und Warmwasser nutzen können.