Der Angeklagte Prinz Reuß im Gerichtssaal, umringt von Polizei- und Justizmitarbeitern

Hessen Reichsbürger-Prozess: Weggefährte spricht von "Wesensveränderung" bei Prinz Reuß

Stand: 11.09.2024 16:38 Uhr

Im Frankfurter Reichsbürger-Prozess hat der langjährige Büro-Partner von Heinrich XIII. Prinz Reuß ausgesagt. Laut ihm hat der Angeklagte in den letzten Jahren eine Wesensveränderung durchgemacht und "krude Thesen" vertreten.

Von Danijel Majić

Es war mehr als nur eine Bürogemeinschaft, die Wolf von T. mit Heinrich XIII. Prinz Reuß verband. Gut 30 Jahre lang hat der gelernte Bankkaufmann und Kunsthistoriker Prinz Reuß dabei unterstützt, Kunst und Wertgegenstände, welche nach 1945 enteignet wurden, wieder in den Besitz der Familie zu überführen.

Jahrzehntelang teilten sie sich Büroräume, zuletzt im Frankfurter Westend. Eine Freundschaft sei daraus erwachsen, sagt von T.

Prinz Reuß sei ihm als "liberaler, weltoffener Mensch" begegnet. Zumindest bis vor einigen Jahren. Dann habe sich nach und nach eine "Wesensveränderung" eingestellt.

Jahrzehntelange Partnerschaft

Heute sitzen von T. und Prinz Reuß nicht mehr nur in getrennten Büros, sondern auf verschiedenen Seiten im Frankfurter Reichsbürger-Prozess. Prinz Reuß auf der Anklagebank, weil ihm vorgeworfen wird, zusammen mit den übrigen Angeklagten den gewaltsamen Umsturz der staatlichen Ordnung der Bundesrepublik betrieben zu haben.

Von T. hingegen ist Zeuge. Von ihm erhofft sich das Gericht Hinweise darauf, wie es dazu kommen konnte.

Von T. beschreibt am Mittwoch eine Partnerschaft, von der beide Seiten profitiert haben. Aus seiner Beratung der Familie Reuß in Restitutionsfragen hätten sich für ihn weitere Aufträge ergeben.

Im Gegenzug habe seine Expertise etwa 1996 zu einer gütlichen Einigung zwischen der Stadt Gera (Thüringen) und der Familie Reuß über den Verbleib von Kunstgütern im Museum der Stadt geführt.

"Er hat sich an die Regeln der Gesetzgebung gehalten und sie auch genutzt", fasst von T. das Verhältnis von Prinz Reuß zur Staatsgewalt zusammen. In den Folgejahren habe Prinz Reuß zwar gelegentlich "auf staatliche Institutionen geschimpft", doch sei dies nicht über die üblichen Beschwerden über das Finanzamt oder über die "GEZ" hinausgegangen.

Aus Frust erwächst Abneigung gegen den Staat

Doch nicht in allen Streitfragen mit dem Staat hat der Angeklagte eine gütliche Einigung erzielt. Über Jahrzehnte prozessierte Prinz Reuß, um umfangreiche Ländereien und Güter in Thüringen zurückzuerhalten. Zumeist erfolglos. Ein Umstand, den er selbst in seiner Einlassung vor Gericht beklagt hat.

Irgendwann in all den Jahren scheint aus dem Frust über die verweigerte Restitution eine tiefere Abneigung gegenüber dem Staat gewachsen zu sein. Zeuge von T. spricht von einem "schleichenden Prozess", in dessen Verlauf Prinz Reuß angefangen habe "krude Ideen" zu vertreten.

Etwa, dass die Bundesrepublik nicht souverän sei und kein gültiger Friedensvertrag zwischen Deutschland und den Alliierten bestehe.

Richtig aufgefallen sei ihm dies erstmals bei einer Rede anlässlich des 100. Geburtstags der Mutter von Prinz Reuß. Bei dieser habe er unter anderem davon gesprochen, dass die Abschaffung der Monarchien "von oben geplant" gewesen sei – und er habe über die Kriegschuldfrage fabuliert.

Krude Thesen stadtbekannt

Einige dieser "Ideen" gehören zu den Kernthesen des sogenannten Reichsbürger-Milieus. Beobachter des Prozesses vernehmen sie nicht zum ersten Mal. Sie sind Teil der Anklageschrift, die Prinz Reuß und den übrigen Angeklagten unterstellt, in dieser Gedankenwelt verhaftet gewesen zu sein.

Ein Eindruck, der sich am zurückliegenden 24. Prozesstag verfestigt hat, als verschiedene Videos gezeigt wurden, in den Prinz Reuß selbst diese Thesen ausführt oder referenziert.

Zeuge von T. behauptet, dass er nicht der einzige war, dem die "kruden Ideen" von Prinz Reuß aufgefallen wären: "In Frankfurt war bekannt, dass er solche Ideen vertritt." Er selbst habe zunächst widersprochen, später einfach mit Reuß nicht mehr darüber reden wollen.

Letztlich sei der einst enge Kontakt immer seltener geworden. "Ich hatte das Gefühl, dass er sich abkapselt", so von T. Insbesondere während der Corona-Pandemie habe sich Prinz Reuß immer mehr zurückgezogen.

Gewehre im Safe verwahrt

Abseits der "kruden Ideen" scheint von T. wenig von möglichen Umsturzphantasien des Angeklagten mitbekommen zu haben. Gegen ihn selbst war kurzzeitig ermittelt worden, weil er zeitweise zwei Gewehre für Prinz Reuß in einem Safe verwahrte.

Diese hätte Reuß nach dem Tod seiner Mutter geerbt und ihm zur Verwahrung übergeben – weil Reuß selbst keinen Waffenschein besitzt.

Das Verfahren gegen von T. wurde inzwischen eingestellt. Eine Waffe hatte er an einen Verwandten von Prinz Reuß weitergereicht, der über eine entsprechende Erlaubnis verfügt. Das verbliebene Gewehr hatte er selbst der Polizei übergeben.

Der Reichsbürger-Prozess wird am kommenden Dienstag, 17. September, fortgesetzt.