Ministerpräsident Rhein übergibt Patricia Lips ein Trikot mit der Aufschrift "1".

Hessen Patricia Lips führt CDU Hessen in die Bundestagswahl 2025

Stand: 15.01.2025 08:13 Uhr

Die Parole heißt Macht- und Politikwechsel: Erstmals geht die hessische CDU mit einer Frau an der Spitze in eine Bundestagswahl. Die Hauptrolle bei der Aufstellung der Landesliste spielte aber ein Mann.

Von Wolfgang Türk

Keine Streitdebatten, keine Kampfkandidaturen, nicht einmal Fragen an einen der Kandidaten: Bei der Wahl ihrer Landesliste für die Bundestagswahl am 23. Februar hat die hessische CDU am Dienstagabend in Alsfeld (Vogelsberg) eine Geschlossenheit demonstriert, die sie bei solchen Anlässen traditionell von manch anderer Partei unterscheidet.

Zu einem gewissen Traditionsbruch kam es aber doch. Erstmals geht die CDU Hessen mit einer Frau als Spitzenkandidatin in eine Bundestagswahl, um nach dreieinhalb Jahren in der Opposition wieder zu regieren und nach dem Bruch der Ampel-Koalition einen "Politikwechsel" einzuleiten, wie es in allen Reden hieß.

Auf Platz eins steht die 61 Jahre alte Bundestagsabgeordnete Patricia Lips aus Rödermark (Offenbach). Lips erhielt die Zustimmung von 94 Prozent der Delegierten. Sie gehört seit 2002 dem Bundestag an. Weder in der Bundes- noch in der Landespolitik stand sie bislang im Rampenlicht. In Fraktion und Partei hatte und hat sie jedoch bedeutende Posten.

CDU kürt Kandidaten für Bundestagswahl

Hessen-CDU als Vorbild

Seit Ende 2021 ist Lips eine der Vize-Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die gelernte Groß- und Außenhandelskauffrau war lange Vize-Bundesvorsitzende der einflussreichen Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Union. Als CDU-Bundeschef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz sich 2020 zunächst vergeblich und später erfolgreich um den Parteivorsitz bewarb, leitete die Frau aus Hessen sein Team.

Im Mittelpunkt stand Lips aber auch an diesem Abend nicht. In einer Video-Botschaft überhäufte Merz den hessischen CDU-Landeschef und Ministerpräsidenten Boris Rhein mit Lob, hob den Fuldaer Bundestagsabgeordneten Michael Brand als Chef der CDU-Landesgruppe hervor - und erwähnte Lips nicht.

Merz schwor die hessische CDU auf harte Wochen ein. "Dieser Wahlkampf ist kälter und kürzer und wird uns noch einiges abverlangen", sagte er.  Ziel sei ein Politikwechsel. Der Wahlsieger werde mehr als in den vergangenen Jahrzehnten in der Verantwortung stehen. Der Herausforderer von SPD-Kanzler Olaf Scholz machte deutlich: Seine Partei will den "spektakulären Wahlsieg" nachmachen, der Rhein und der Hessen-CDU bei der Landtagswahl 2023 gelungen sei.

Liste für den gewünschten Richtungswechsel: CDU-Ministerpräsident Boris Rhein, Spitzenkandidatin Patricia Lips (l.) und Astrid Wallmann

Liste für den gewünschten Richtungswechsel: CDU-Ministerpräsident Boris Rhein, Spitzenkandidatin Patricia Lips (l.) und Astrid Wallmann

Rhein spricht von Schicksalsjahr

An das Lob aus Berlin knüpfte Rhein selbst als umjubelter Hauptdarsteller der dreistündigen Abendveranstaltung an. In einer Rede, die von den Delegierten mit Applaus im Stehen quittiert wurde, empfahl der CDU-Landeschef seine Politik zur Nachahmung in Berlin. Nun sei für ganz Deutschland möglich, was er in Hessen erfolgreich angestoßen habe. Dabei griff er auf Slogans aus dem Landtagswahlkampf wie "Kurs statt Chaos", "Freiheit statt Verbote" oder "Renaissance der Realpolitik" zurück, die sich vor allem gegen die Grünen richten.

"Die Ampel ist endlich fertig", sagte er. 2025 werde zum echten Schicksalsjahr, weil ein kompletter Kurswechsel von der Asylpolitik über die innere Sicherheit bis zur Wirtschaftspolitik nötig sei.

Im aktuellen Streit innerhalb von CDU und CSU über mögliche Koalitionspartner legte sich Rhein zwar anders als sein bayerischer CSU-Amtskollege Markus Söder nicht ausdrücklich gegen die Grünen fest. Ziel müsse erst einmal sein, selbst möglichst stark zu werden. Dann zählte Rhein allerdings von Verschärfungen in der Asylpolitik bis zum Genderverbot in der Landesverwaltung wesentliche Maßnahmen der CDU/SPD-Landesregierung auf, um zu folgern: "Nichts davon hätten wir mit den Grünen durchgesetzt."

Nach zehn Jahren schwarz-grüner Regierung in Hessen hatte Rhein vor genau einem Jahr den Juniorpartner gewechselt und die SPD zum neuen Koalitionspartner gemacht.

Lips: Nur noch diese eine Chance

Rhein bezeichnete Lips, die im Wahlkreis Odenwald antritt, als Kämpferin mit Kompetenz und versprach: "Du bist jetzt unsere Nummer eins. Wir stehen wie eine Frau, wie ein Mann hinter Dir." Wie der Ministerpräsident bezeichnete Lips die Bundestagswahl als Chance für eine Wende, die wieder die Lebenswirklichkeit der Menschen in den Blick nehme. Es genüge angesichts des Vertrauensverlusts in die Politik nicht, auf die bisherige Regierung zu schimpfen.

"Es ist Teil unserer Aufgabe, nach vorne zu blicken und wieder Vertrauen aufzubauen", sagte Lips. Die Menschen müssten erkennen, dass ihre Probleme erkannt und gelöst würden. "Die Erwartungshaltung ist enorm hoch", sagte sie. Es gebe nur noch diese eine Chance, sagte sie mit Blick auf das Erstarken der AfD und die übernächste Bundestagswahl 2029.

Junge Union stark vertreten

Der Gießener Helge Braun, einst Kanzleramtschef von Angela Merkel, hatte die hessische CDU bei der vorigen Bundestagswahl angeführt. Der Mediziner tritt nicht mehr an und wird Uni-Präsident in Lübeck. Auf die Listenplätze zwei und drei wählten die Delegierten in Alsfeld zwei Kollegen Lips' aus der Bundestagsfraktion: CDU-Landesgruppenchef Brand sowie Michael Meister aus Bensheim, ehemaliger Parlamentarischer Staatssekretär in Merkel-Regierungen.

Neulinge wären dagegen auf Platz vier Hessen-CDU-Generalsekretärin Anna-Maria Bischof und hinter ihr auf Platz fünf Lepold Born, Landeschef der Jungen Union. Aus dieser U35-Organisation der CDU schafften es insgesamt acht Frauen und Männer unter die Top 20 der Liste.

Mit Olympiasiegerin und Kohl-Enkel

Unter den Listenkandidaten finden sich auch einige prominente Namen. Ex-Dressur-Olympiasiegerin Ann Kathrin Linsenhoff, Schatzmeisterin der hessischen CDU, ist auf Platz 10 dabei. Außerdem Frederik Bouffier, Sohn von Ex-Ministerpräsident Volker Bouffier auf Platz 17, sowie Johannes Volkmann, Enkel von Ex-Kanzler Helmut Kohl, auf Platz 18.

Allerdings ist nicht die Liste allein ausschlaggebend für einen Einzug in den Bundestag. Von den 12 Mitgliedern der derzeitigen CDU-Landesgruppe in Berlin errangen fünf auf diesem Weg ihren Sitz. Sieben gewannen das Direktmandat in ihrem jeweiligen hessischen Wahlkreis.

Zur Zeit klar führend

Die meisten CDU-Politker auf den vorderen Listenplätzen machen sich Hoffnungen auf ein solches Direktmandat. Andererseits garantiert nach der umstrittenen Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestags nicht mehr unbedingt jeder Erfolg im Wahlkreis automatisch ein Mandat. Rhein kritisierte das scharf.

2021 landete die bis dahin regierungsführende CDU bei der Bundestagswahl hinter der SPD nur auf Platz zwei. In Hessen kam die Union auf 22,8 Prozent, bundesweit auf 24,2 Prozent. Nach dem Bruch der Ampelkoalition vergangenen Dezember liegt die Union in aktuellen Umfragen mit Werten über 30 Prozent dagegen deutlich vorne.