Hessen Tim Pütz: Tennis-Weltmeister auf dem zweiten Bildungsweg
Der Usinger Tim Pütz wollte eigentlich nie Tennis-Profis werden, jetzt ist der 37-Jährige Doppel-Weltmeister. Das Leben auf den Tennis-Courts dieser Welt hat aber auch große Nachteile.
In der kulinarischen Tennis-Weltrangliste des Tim Pütz führt aktuell München vor Wien und Madrid. "Dort gibt es das beste Essen auf der Tour", verriet der in Frankfurt geborene und in Usingen (Hochtaunus) aufgewachsene Doppel-Spezialist am Montagabend im hr-heimspiel!. Ob der 37-Jährige am Büffet landestypisch zu Weißwürsten, Schnitzel und fettigen Tapas greift, blieb zwar offen. So oder so klingt so ein Leben als Tennis-Profi aber wie ein wahrgewordener Traum. Tennis spielen, die Welt sehen, lecker Essen.
Für Pütz, Vater von zwei kleinen Kindern, hat das Leben in der Tennis-Bubble aber auch große Nachteile. Seine Familie, die noch heute in Usingen unweit seines ersten Tennis-Clubs lebt, sieht er nur sehr selten. Auch Freundschaften haben es schwer. "Es gibt im Jahr vielleicht 100 Tage, an denen ich zu Hause aufwache und einschlafe", so Pütz. Der Rest besteht aus Tasche einpacken, Tasche auspacken, Serve and Volley. "Das viele Weg-sein nervt schon. Man stellt sich schon die Sinnfrage."
Pütz wird Doppel-Weltmeister
Zumindest in den vergangenen Wochen hat sich das viele Reisen für Pütz aber richtig gelohnt. Gemeinsam mit seinem Partner Kevin Krawietz gewann er Mitte November als erstes deutsches Duo überhaupt die ATP Finals in Turin und krönte sich damit zum Doppel-Weltmeister. Ein gemeinsames Preisgeld von über 800.000 Euro und viel Anerkennung gab es obendrauf. "Man merkt ja erst hinterher, wie sehr so ein Titel wertgeschätzt wird", so Pütz. "Aber es ist schon schön, wenn dir jeder auf die Schulter klopft und dir sagt, was für ein toller Hecht du bist."
Ein außergewöhnlicher Erfolg, der bei einem Blick auf Pütz‘ Vita sogar noch ein bisschen außergewöhnlicher wird. Denn: Dass der tolle hessische Hecht eines Tages tatsächlich mal Tennis-Profi werden und international für Furore sorgen würde, stand lange nicht auf dem Lebensplan. "Es war nicht Plan A, es war nicht mal Plan B."
Pütz macht Hobby zum Beruf
Pütz spielte zwar schon immer herausragend gut Tennis, er nutzte es in den Anfangsjahren aber eher als Mittel zum Zweck. Dank eines Tennis-Stipendiums konnte er nach dem Abitur in den USA studieren, nach seiner Rückkehr machte es ihm einfach Spaß. "Wenn ich kein Profi wäre, würde ich mich einfach so regelmäßig mit Freunden zum Spielen treffen."
Den entscheidenden Schubser in Richtung Profi-Tennis gab dann – wenn auch unfreiwillig – die Goethe-Universität in Frankfurt. Pütz, der nach seinem Aufenthalt in Auburn, Alabama einen VWL-Bachelor in der Tasche hatte, wollte in Deutschland eigentlich noch einen Master dranhängen. Seine Bewerbungen in Mannheim, München und Berlin gingen durch. Da Pütz jedoch in der Nähe seiner Heimat bleiben wollte, sagte er jeweils ab und wartete auf den Bescheid aus Frankfurt. "Die Goethe-Uni hat mich dann aber nicht angenommen. Ich weiß bis heute nicht warum."
Drei Millionen Dollar Preisgeld
Die viele gewonnene Freizeit füllte Pütz dann mit dem, was er am liebsten tat: Tennis spielen. "Ich hatte nix anders zu tun. Und ja: Ich habe eben ganz passabel gespielt, so ging das los."
Pütz setzte fortan auf die Karte Tennis und fasste schnell im Profizirkus Fuß. Zunächst im Einzel, später und deutlich erfolgreicher im Doppel. Laut der öffentlich einsehbaren Preisgelder hat er in seiner Karriere auf der ATP-Tour mehr als drei Millionen US-Dollar eingespielt, in den heimischen Vitrinen stehen insgesamt zehn Pokale von Turniersiegen. "Für den Master habe ich mich danach nie wieder beworben", so Pütz. Weltmeister auf dem zweiten Bildungsweg.
Tennis bis ins hohe Alter
Und die Familie? Mit 37 Jahren, dafür muss man kein Prophet sein, ist das Ende der nie gewollten Karriere nicht mehr allzu weit entfernt. Platz 7 im Usinger Tennis-Club, auf dem Pütz einst die ersten Schlagversuche unternahm, gibt es heute noch und wartet auf neue Talente. Gut möglich also, dass Pütz schon bald Tennis und Nachwuchs perfekt vereinen kann.