Hessen Ukraine-Krieg: Verteidigungsminister Pistorius übergibt neue Radhaubitze in Kassel
Das Rüstungsunternehmen KNDS hat ein neues fernbedienbares Artilleriesystem vorgestellt. Es soll der Ukraine bei der Verteidigung gegen Russland helfen. Zur symbolischen Übergabe kam Bundesverteidigungsminister Pistorius nach Kassel.
Zur Verstärkung der Artillerie hat Verteidigungsminister Boris Pistorius der Ukraine die erste neue Radhaubitze vom Typ RCH 155 übergeben. Dies sei ein starkes Signal, sagte der SPD-Politiker bei dem Termin in Kassel am Montag. "Die Ukraine kann auf uns zählen. Und Deutschland steht bereit, Verantwortung in Europa zu übernehmen." Das Waffensystem wird vom Panzerbauer KNDS in Kassel produziert.
Ausbildung ukrainischer Soldaten auch in Kassel
Der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev nahm die erste von insgesamt geplanten 54 Radhaubitzen symbolisch in Empfang. Er bedankte sich in seiner Rede für das neue Waffensystem - bei Deutschland und bei den Mitarbeitenden des Rüstungskonzerns KNDS.
Die ersten sechs dieser Systeme sollen zunächst in Deutschland bleiben. Schon ab Mitte März werden ukrainische Soldatinnen und Soldaten in Kassel und auf dem Truppenübungsplatz in Idar-Oberstein (Rheinland-Pfalz) zwei Monate lang an dem neuen Waffensystem ausgebildet werden.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit Ralf Ketzel, dem Leiter der Deutschland-Sparte von KNDS (rechts).
54 Haubitzen für 890 Millionen Euro
Das Unternehmen KNDS bezeichnet seine Entwicklung als "weltweit modernste Radhaubitze". Ralf Ketzel, Leiter der Deutschland-Sparte von KNDS, sieht die Erfindung aus Kassel als "Meilenstein der Ingenieurskunst".
Das Besondere an der in Kassel vorgestellten vierachsigen Radhaubitze RCH 155 ist die Fähigkeit, während der Fahrt zu schießen. Dazu kann der Geschützturm aus der Ferne bedient werden, die beiden Soldaten sitzen im gepanzerten Fahrzeug. Durch die acht Räder könnten die Fahrzeuge schneller bei Gegenangriffen entkommen und auf Ziele in mehr als 50 Kilometern feuern.
Bis 2027 sollen alle 54 Haubitzen ausgeliefert werden. Der Auftrag hat einen Umfang von 890 Millionen Euro.
Radhaubitze laut Pistorius "ein Sprung nach vorn"
Ist diese neu entwickelte Radhaubitze ein "Game-Changer" für die Ukraine? Diese Formulierung wollten weder Pistorius noch der ukrainische Botschafter im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg hören. Die Radhaubitze ist laut Pistorius "ein Sprung nach vorn". Sie sei im Vergleich zu anderen Waffensystemen automatisierter, vielseitiger einsetzbar und verbrauche weniger Munition.
"Krieg ist kein Spiel, kein Game", so der Botschafter, dennoch sei die Ukraine "mit unseren Erfahrungen, Kenntnissen und guter und ausgereifter Technik" den Russen weit überlegen.
Kassel "ein bedeutendes Zentrum der deutschen Rüstungsindustrie"
Hessen stehe weiter an der Seite der Ukraine, sagte Innen- und Heimatschutzminister Roman Poseck (CDU) bei der Übergabe. Der Minister betonte zudem den Stellenwert Kassels als "ein bedeutendes Zentrum der deutschen Rüstungsindustrie".
Der Standort sei eine "entscheidende Basis für die Leistungsfähigkeit der Bundeswehr sowie anderer europäischer Armeen". Die Landesregierung setze sich für eine Stärkung des Rüstungsstandortes in Nordhessen ein. Neben KNDS ist auch Rheinmetall in Kassel angesiedelt. Hier werden großkalibrige Waffensysteme und Munition produziert.
Poseck verwies zudem auf das erst kürzlich aufgestellte Heimatschutzregiment, das zu einem großen Teil aus Freiwilligen besteht. Es ist eins von insgesamt sechs Heimatschutzregimenten der Bundeswehr. Hessen erfülle damit "eine elementare Rolle im Heimatschutz".
Oberbürgermeister Sven Schoeller (Grüne, rechts) im Gespräch mit Stadtkämmerer Matthias Nölke (FDP) und dem Ukrainischen Botschafter Oleksii Makeiev (Mitte).
Wehrtechnik als Ausgleich für rückläufige Beschäftigungszahlen in der Automobilbranche?
Oberbürgermeister Sven Schoeller (Grüne) glaubt, dass Kassel als Produktionsstandort vor dem Hintergrund einer unsicheren weltpolitischen Lage künftig an Bedeutung gewinnen wird. Es sei wichtig, die Ukraine nachhaltig zu unterstützen - "um unsere eigenen Werte hier in Europa zu schützen", so Schoeller.
Der Grünen-Politiker zeigte sich zuversichtlich, was die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Nordhessen betrifft - auch dank der Wehrtechnik. Die industrielle Vielfalt sei "ein Glücksfall für Kassel und Nordhessen" und bedeute Stabilität für die Region. Durch Branchen wie die Rüstungsindustrie könnten rückläufige Beschäftigungszahlen beispielsweise in der Automobilbranche aufgefangen werden.