Auf graublauem Hintergrund ein Kartenausschnitt der oberen Hälfte Hessens. Darin markiert "Kassel" mit Ortspunkt. Vor dem Ortspunkt ein großes Smiley-Icon mit kleinen Menschen, die es freudig tragen.

Hessen Warum Kassel den Titel "Glückshauptstadt" verdient hat

Stand: 01.01.2025 07:01 Uhr

Kassel ist laut einem Ranking die glücklichste Großstadt Deutschlands. Wir haben Menschen von Polizei, Paketdienst, Straßenreinigung und Verkehrsbetrieb gefragt, warum das so ist.

Von Stefanie Küster

"Wie zufrieden sind Sie zurzeit - alles in allem - mit ihrem Leben?" Diese Frage beantworteten die Menschen in Kassel bei einer Studie im Auftrag der Süddeutschen Klassenlotterie (SKL) durchschnittlich positiv.  

Auf einer Skala von 1 bis 10 erreichte die 205.000-Einwohner-Stadt in Nordhessen einen Wert von 7,38 Punkten. Damit sicherten die Befragten "ihrem Kassel" den Platz an der Spitze der 40 deutschen Großstädte.

hessenschau.de hat mit Menschen gesprochen, die viel in Kassel unterwegs sind. Sie kommen hier zu Wort.

Lebenszufriedenheit ein komplexer Indikator

Doch lässt sich die Lebenszufriedenheit so einfach abfragen? "Die Lebenszufriedenheit ist ein sehr komplexer Indikator", sagt Carsten Keller und werde vor allem von individuellen Faktoren wie Arbeit, soziale Beziehungen oder Gesundheit beeinflusst. Äußere Faktoren wie die Nachbarschaft oder eine ganze Stadt spielen gegenüber solchen individuellen Faktoren eine untergeordnete Rolle.

Diese Komplexität bei einer Stichprobe von etwa 300 Befragten pro Stadt statistisch zu kontrollieren sei "höchst anspruchsvoll", so der Stadt- und Regionalsoziologe der Universität Kassel.

Experte sieht "Hype der Großstädte" am Ende

Dass Städte wie Kassel, Aachen und Kiel im Ranking weiter oben auftauchen, hält Keller für plausibel. Der Hype der Großstädte sei weitgehend vorbei. Angesichts der angespannten Wohnungsmarktsituation habe sich der Fokus eher auf die kleineren Städte verschoben. Auch deshalb verzeichne man in kleineren Großstädten eine höhere Lebenszufriedenheit.

Dazu komme eine geringere Dichte. Persönliche Beziehungen seien weniger anonym, erklärt Keller, "in Städten wie Kassel sagt man eher 'Hallo' als in einer Stadt wie Frankfurt - auch wenn man sich nicht kennt".

Julia Stumpf

... ist Polizeioberkommissarin und seit 2020 im Norden Kassels Schutzfrau vor Ort. Sie findet: Kassel ist unglaublich vielfältig.

Eine Polizistin steht vor ihrem Streifenwagen. Sie hat mittellange Haar und Locken. Hinter ihr sieht man eine Stadt im Tal liegen.

Polizeioberkommissarin Julia Stumpf hat von ihrem Bezirk aus einen sensationellen Blick auf die Stadt.

"Kassel ist Glückshauptstadt? Das hat mich im ersten Moment ein bisschen verwundert. Weil man sich über die eigene Stadt meist gar keine Gedanken macht. Wenn ich länger darüber nachdenke, kann ich das schon nachvollziehen. Kassel ist unglaublich vielseitig und hat für jeden was zu bieten. Wer Erholung sucht, der kann die Ruhe am Fulda-Ufer genießen - oder in einer der zahlreichen Grünanlagen. Man ist innerhalb weniger Minuten im Bergpark oder draußen in den ländlicheren Gebieten. Genauso schnell ist man wieder im Stadtgebiet, wo man Geschäfte, sportliche Möglichkeiten und kulturelle Angebote hat. Ich denke, dass gerade Familien diese Vielfältigkeit schätzen, die Kassel zu bieten hat.

Wir führen immer wieder Gruppen von Vorschulkindern durch unser Polizeirevier. Die gucken sich natürlich auch den Funkwagen an. Diese Kinder sind die kleinen, glücklichen Menschen von morgen. Das sind Momente, die mir wirklich Spaß machen. Wenn Kinder so fasziniert sind und wenn man sieht, dass sie so glücklich sind.

Zur Person
Die 43-Jährige ist in Kassels Stadtteilen Jungfernkopf, Warteberg, Philippinenhof, Hasenhecke und Wolfsanger unterwegs. In ihrer Funktion versteht sie sich als Bindeglied zwischen den Menschen in den Stadtteilen, Einrichtungen wie Schulen und Geschäften und der Polizei. Sie geht viel zu Fuß und kann bei Problemen jederzeit angesprochen werden. Im Austausch versucht sie dann, für die Anliegen Lösungen zu finden.

Nebojsa Pejic

... ist seit elf Jahren Paketzusteller und sagt: "Die Leute hier sind einfach toll!"

Ein Paketbote steht vor seinem Zustellfahrzeug. Im Hintergrund ist ein Hochhaus zu sehen

Nebojsa Pejic vor seinem Zustellfahrzeug: "Kassel hat super Menschen!"

"Ich bin jeden Tag in Kassel. Meine kleine Pause mache ich am Altenheim im Druseltal, in der größeren Pause fahre ich in Richtung Herkules. Da ist Ruhe und die vielen Berge erinnern mich an Sarajevo in meiner Heimat Bosnien.

Kassel vereint Geschichte, Kultur und Natur auf besondere Weise. In der Stadt herrscht ein angenehmes Gleichgewicht zwischen Leben und Erholung. Dazu gibt es eine hohe Lebensqualität durch viele Grünflächen, ein starkes Gemeinschaftsgefühl und Raum für Entfaltung, ohne den Stress einer Großstadt.

Außerdem sind die Leute hier einfach toll. Die Menschen in Kassel sind offen, freundlich und bodenständig. Es fällt leicht, Kontakte zu knüpfen und der Zusammenhalt in der Gemeinschaft ist spürbar."

Zur Person
In seinem Bezirk, dem Kasseler Stadtteil Bad Wilhelmshöhe, ist Nebojsa Pejic äußerst beliebt. Immer wieder bekommt der 49-Jährige Kaffee oder Wasser angeboten. Seiner vorwiegend älteren Kundschaft bietet er einen besonderen Service: Wurde ein Paket oder ein Päckchen nicht zugestellt, weil die Haustür nicht schnell genug geöffnet werden konnten, holt er ihr Paket am nächsten Tag mit der Abholkarte beim Kiosk ab und bringt es auf seiner Tour vorbei. Die Stadt am Rande des Bergparks macht den Mann, der seit elf Jahren in Deutschland lebt, immer wieder glücklich.

Markus Rimbach

... ist Verkehrsmeister bei der Kasseler Verkehrs-Gesellschaft (KVG). Er meint: Kassel ist zu Recht Glückshauptstadt!

Ein Mann in gelber Sicherheitskleidung steht vor einem blauen Einsatzwagen der KVG. Im Hintergrund ist ein Bus und eine Straßenbahn zu sehen.

Verkehrsmeister Markus Rimbach ist für die KVG viel in seiner Heimatstadt unterwegs.

"Als ich gehört habe, dass Kassel Deutschland Glückshauptstadt ist, habe ich gedacht: zu Recht! Ich bin Kasseläner, meine Verwandtschaft lebt schon immer in Kassel und ich verbinde daher sehr viel mit der Stadt. Ganz besonders schön finde ich es im Bergpark, weil ich naturverbunden bin. Da sieht man viel, es ist halt einfach wunderschön und Weltkulturerbe.

Wir haben ringsum Berge und sind ja quasi eingekesselt. Dazu gibt es viele Seen, Auen und Wälder. Außerdem hat Kassel Großstadtflair - nicht zuletzt wegen der documenta. Trotzdem ist Kassel klein. Alles ist überschaubar und schnell erreichbar, was ich grandios finde. Es gibt nur wenige Städte, die das bieten. Und das meine ich ganz ernst."

Die Menschen in Kassel nehme ich als zufrieden wahr. Vielleicht wirken sie auf den ersten Blick kühl, aber wenn man warm geworden ist, sind es ganz herzliche Menschen. Als Straßenbahnfahrer liebe ich die Linie 1. Sie ist eine Traditionslinie und dazu besonders schön lang. Sie führt durch tolle Bezirke und es gibt immer was zu sehen. Außerdem fährt man auf einer sechs Kilometer langen Geraden auf den Herkules zu. Das ist ein Träumchen."

Zur Person
Der 54-Jährige sitzt in der Betriebsleitstelle nahe dem Bergpark Wilhelmshöhe. Er ist dafür zuständig, dass der ÖPNV in Kassel und Umgebung läuft. Sein Job umfasst Tätigkeiten als Fahrdienstleiter in der Leitstelle, dort koordiniert er Züge, Straßenbahnen und Busse und hat deren Fahrwege im Blick. Er fährt auch mit dem KVG-Einsatzwagen raus und kümmert sich um Unfälle und Störungen. Vorher ist er selbst Bus und Bahn gefahren.

Felipe Rodriguez-Ledesma

... hält für die Stadtreiniger die Straßen und Gehwege zu jeder Jahreszeit sauber und ist Fan der documenta.

Ein Mann mit Bart steht in orangener Arbeitskleidung vor einer Kehrmaschine. Im Hintergrund fährt ein Auto eine Straße herunter.

Felipe Rodriguez-Ledesma ist mit seinem Team für die Sauberkeit in der Stadt verantwortlich.

"Es hat mich echt überrascht, dass Kassel Glückshauptstadt ist. Wenn man guckt, wie die Leute so unterwegs sind, glaubt man gar nicht, dass sie relativ glücklich sind. Aber es freut mich, dass es offenbar so ist.

Unsere Begegnungen mit älteren Herrschaften finde ich schön. Sie freuen sich, uns zu sehen und bejubeln uns fast schon. Dazu verwöhnen sie uns mit kleinen Aufmerksamkeiten wie einer Tafel Schokolade oder einem warmen Kaffee. Das sind die schönsten Begegnungen - wenn die Leute sich freuen, uns zu sehen. 

Ich bin in Kassel groß geworden. Kassel ist eine schöne Stadt. Und wir sind documenta-Stadt. Als Straßenreiniger mag ich die documenta nicht. Sie bedeutet viel Arbeit für uns. Privat gefällt mir, was die Künstler sich einfallen lassen und es dann zeigen.

Kassel ist meine Glückshauptstadt, weil ich hier groß geworden bin und ich mich hier wohl fühle. Ich selbst bin in Kirchditmold groß geworden und hatte eine wunderschöne Kindheit. Als Vorarbeiter in der Straßenreinigung möchte ich Kirchditmold was wiedergeben und dort für die Sauberkeit sorgen."

Zur Person
Der Mann mit dem markanten Kinnbart ist Vorarbeiter eines Teams der Stadtreiniger und im Bereich Kirchditmold Harleshausen und Jungfernkopf unterwegs. Gemeinsam reinigen sie Nebenstraßen, Hauptverkehrsstraßen und alles, was dazu gehört. Er ist in Kassel aufgewachsen.
Elf Menschen in orangener Arbeitskleidung stehen vor einer kleinen und einer großen Kehrmaschine.

Felipe Rodriguez-Ledesma mit seinem Team.