Die TU in Darmstadt

Hessen Weniger Geld für Hochschulen: Proteste am Donnerstag in Darmstadt, Frankfurt und Kassel

Stand: 17.07.2024 20:38 Uhr

Rund 34 Millionen Euro weniger Geld für die Hochschulen – das war eines der Ergebnisse des Nachtragshaushalts 2024. Beschäftigte und Studierende fürchten weitere Einschnitte in den kommenden Jahren und haben in mehreren Städten zu Protesten aufgerufen.

Von Uwe Gerritz

Ob Wissenschaftsminister Timon Gremmels (SPD) am Donnerstag auf seiner Sommertour in Darmstadt nach seinem Rundgang im Prinz-Georg-Garten auch einen Abstecher zum Friedensplatz nahe der TU Darmstadt macht, bleibt abzuwarten. Dort könnte er nämlich Stellung beziehen – zu den Kürzungen der hessischen Hochschuletats.

Kundgebungen in Darmstadt, Frankfurt, Marburg, Kassel und Gießen

Genau dagegen wollen nämlich mehrere hundert Studierende und Hochschul-Beschäftigte demonstrieren. Vom Karolinenplatz, wo sie sich um 12 Uhr versammeln, wollen sie zum Friedensplatz marschieren. Von dort geht es nach einer Kundgebung weiter zum Ludwigsplatz.

Die Demonstration ist Teil einer landesweiten Protestaktion der Gewerkschaften GEW und Verdi. Außer in Darmstadt findet sie zeitgleich vor der Uni-Mensa in Kassel, vor der alten Uni-Bibliothek in Marburg und vor dem PEG-Gebäude in Frankfurt statt. Eine weitere Demonstration ist für Freitag (12.30 Uhr) in Gießen geplant.

34 Millionen Euro weniger für Hochschulen

Vergangenen Donnerstag hatte der Landtag mit den Stimmen der schwarz-roten Regierungskoalition den Nachtragshaushalt 2024 von Finanzminister Alexander Lorz (CDU) in dritter Lesung verabschiedet. Der neue Etat sieht deutlich weniger Geld für Hessens Hochschulen vor als der ursprüngliche Haushalt. Die Konferenz Hessischer Universitätspräsidien (KHU) beziffert die Differenz auf 34 Millionen Euro.

Das Ministerium verwies auf Anfrage darauf, dass der Etat gegenüber der ursprünglichen Planung zwar um diesen Betrag gekürzt wurde, dass den Hochschulen dennoch 72,4 Millionen Euro mehr an Landesmitteln zur Verfügung stünden als im Vorjahr. Dem stünden Tarifsteigerungen in Höhe von nur 60 Millionen gegenüber.

Regierung: Konsolidierung in allen Bereichen

"Die finanzielle Lage des Landes ist schlechter als bei der Aufstellung des Doppelhaushaltes 2023/2024 im Frühjahr von der damaligen Regierung angenommen", teilte das Ministerium am Mittwoch mit. Konsolidierungen seien in allen Bereichen notwendig. Aber auch mit dem Nachtragshaushalt würden alle verbindlich zugesagten Mittelsteigerungen umgesetzt.

Verdi-Gewerkschaftssekretar Gabriel Nyc wirft allerdings ein, dass der gegenüber dem Vorjahr höhere Etat nicht nur für höhere Gehälter vorgesehen war. Er hält es für möglich, dass die Kürzungen im Nachtragshaushalt in diesem Jahr gerade noch verschmerzbar seien. "Das ist jetzt politisch sowieso durch. Aber wir wissen nicht, was 2025 kommt."

Im kommenden Jahr 100 Millionen Euro Mehrkosten

Denn was den Hochschulen und Gewerkschaften wirklich Sorge macht, sind die kommenden Haushalte. "Allein die Tarifsteigerungen bringen ab 2025 Mehrkosten von 100 Millionen Euro im Jahr", heißt es in einer Pressemitteilung der Uni-Präsidien. "Diese Summe entspricht etwa 1.250 Stellen, die bislang nicht finanziert sind."

Dabei fehlt den Hochschulen und Universitäten das Geld an allen Ecken und Enden. Dass im Dezember 2023 an der Uni Marburg ein Hörsaal einstürzte, sei sinnbildlich für die maroden Finanzen, sagte Hessens Studierendensprecher in der GEW, Niklas Beick. Glücklicherweise war bei dem Unglück niemand verletzt worden.

Inflation und Tarifsteigerungen

Neben den notwendigen Tarifsteigerungen sorgen insbesondere galoppierende Preise für leere Kassen. Mit der hohen Inflation habe vor einigen Jahren niemand gerechnet, sagt Nyc. "Aber an Bildung spart man nicht, gerade in der jetzigen Situation", sagt er und meint damit auch die zunehmend unter Druck geratende Demokratie im Lande.

Tobias Cepok, Referent der GEW für Hochschule und Forschung beim Landesverband Hessen, warnt auch vor den wirtschaftlichen Folgen eines unterfinanzierten Hochschulwesens. "Wenn die Hochschulen weniger Geld ausgeben können, hat das auch Auswirkungen auf die Standorte."

GEW fürchtet Verschärfung des Fachkräftemangels

Angesichts des Fachkräftemangels sei es das falsche Signal, bei denen zu kürzen, die diese Fachkräfte ausbildeten, seien es nun Ärzte oder Lehrkräfte. "Wenn die Qualität der Ausbildung sich verschlechtert oder weniger Leute studieren, trägt das zum Fachkräftemangel bei", so Cepok.

Auch dürfe man nicht vergessen, dass Studierende künftig mehr Geld für ihr Studium aufbringen müssten. "Die Studierendenwerke müssen die Beiträge und Mensa-Preise anheben." Zwei Drittel dieser Kosten würden durch die Studierenden getragen, die das Geld dann nicht mehr anderswo ausgeben könnten. Auch das sei ein Wirtschaftsfaktor.

Werden Studiengänge gestrichen?

Die KHU fürchtet, dass künftig Professorenstellen gekürzt und Studienangebote gestrichen werden könnten. "Das sowieso schon ambitionierte Ziel, mit dem neuen Tarifvertrag die kompetentesten und schlauesten Köpfe an die hessischen Hochschulen zu bringen, wird damit Makulatur. So lassen sich weder bessere Betreuungsquoten, noch exzellente Forschung, noch gute und verlässliche Arbeitsbedingungen herstellen."

Das sieht auch Studierendensprecher Beick so. "Wenn es weniger Lehrende und weniger studentische Hilfskräfte gibt, dann werden die Seminare voller oder sie werden qualitativ schlechter." Wissen und Wissenschaft stellten ja auch einen Wert an sich dar, findet Beick. Eine breite Bildung sei eine wichtige Voraussetzung für die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen.

Weichen für Zukunft jetzt stellen

"Die jetzige Krise der Demokratie und auch andere Krisen – dafür braucht man Leute in der Wissenschaft", sagt Beick. Er fürchtet außerdem, dass Studieren wieder ein Luxusgut für diejenigen werden könnte, die es sich leisten können. Sozial Schwache blieben dann auf der Strecke.

Den Studierenden und Hochschul-Beschäftigten geht es darum, jetzt die Weichen für den richtungsweisenden Hochschulpakt 2026-2030 zu stellen, über den demnächst zwischen den Hochschulen und der Landesregierung verhandelt wird. Dafür wollen sie mit ihrem Protest ein klares Zeichen setzen.

"Unsere Erwartung wäre, dass in Zukunft ein bisschen mehr Flexibilität reinkommt, dass zumindest die Lohnsteigerungen abgedeckt sind.", sagte Verdi-Mann Nyc. Mit dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst sei der Aufbau unbefristeter Beschäftigungen aufgebaut worden. "Das wollen wir auch im Hochschulpakt wiederfinden."

Minister Gremmels: "Setze mich für Hochschulstandort ein"

Der für die Hochschulen zuständige Wissenschaftsminister Gremmels betonte am Mittwoch, er nehme die angekündtigten Proteste sehr ernst. "Ich empfinde sie als Rückenwind und setze mich für den Hochschulstandort Hessen weiter mit aller Kraft ein, auch in schwierigen Zeiten."

Ob er solche Lippenbekenntnisse am Donnerstag während seiner Sommertour in Darmstadt wiederholt, ist ungewiss. Fest steht: Sie reichen weder den Gewerkschaften noch den Studierenden aus.

Student Beick formuliert es so: "Wir haben die Erwartung an den Wissenschaftsminister, dass er sich deutlich vor die Hochschulen stellt und sich gegen den Finanzminister durchsetzt."