Eric Lehr hat seine Alkoholsucht besiegt und hat sich privat zum Bodybuilder gemausert. Beruflich stieg er zum Chef der Patisserie in einem Hotel auf.

Hessen Wie der Gießener Eric Lehr vom Säufer zum Bodybuilder wurde

Stand: 19.07.2024 10:12 Uhr

Der Gießener Eric Lehr war dem Tod näher als dem Leben. Mit drei Liter Hochprozentigem am Tag ruinierte er sich systematisch. Im Alkoholentzug entdeckte er seine Leidenschaft für den Kraftsport, der ihm ein zweites Leben ermöglichte.

"Kurz vor tot", so nüchtern beschreibt Eric Lehr heute Eric Lehr, den Jüngeren. Vor vier Jahren brachte ihn seine Alkoholsucht beinahe um. "20-fache Leberwerte, alle Organe kurz vorm Platzen", Nebenwirkungen von vier bis fünf Flaschen Wodka, die der 42-Jährige vor vier Jahren noch täglich trank.

Erst in der Reha entdeckte er den Kraftsport für sich, ein Anker, der ihm ein zweites Leben ermöglicht hat. "Der Sport und auch das Mentale, was damit in Verbindung ist, hat mir den Arsch gerettet", sagt Lehr.

Sterne-Gastronom und "Königsklassen-Alkoholiker"

Als "trockener Alkoholiker aus der Königsklasse" hat er sich vor zwei Jahren bei seinem aktuellen Arbeitgeber vorgestellt. Die Ehrlichkeit kam an. Lehr arbeitet inzwischen als Küchenchef im Burghotel Staufenberg.

Schon vor seinem Entzug fühlte sich der Patissier in der Sterne-Gastronomie zu Hause, gewann Preise, trat im Fernsehen auf. Vor, während, nach den Drehs aber "sind schon ein paar Flachmänner reingeflogen", sagt Lehr heute offen. Lange verbarg er seine Sucht. "Wenn du bei dreieinhalb Promille noch ganz normal bist, glasklar, wie soll das einer merken?"

Sein Umfeld indes nahm Lehrs gesundheitliche Probleme durchaus wahr. Seine Ehe zerbrach. Sein Bruder half ihm auf dem Weg in die Entgiftung. In der Reha probierte der Gießener sich im Kraftraum aus – anfangs noch "körperlich zerfetzt", doch schnell entflammte seine Leidenschaft.

Jeder Tag eine neue Herausforderung

Lehr nutzt den Kraftsport als Hilfslinie, die ihm den Weg aus der Sucht aufzeigt. "Meine erste Amtshandlung nach der Entlassung aus der Entzugsklinik war, dass ich mich im Gym angemeldet habe", sagt Lehr. Seit vier Jahren traininert er nun quasi täglich. Seine Ernährungsplan ist so humorlos und unbeirrbar wie der gelernte Konditor: Reis, Hühnchen, etwas Brokkoli. "Jeden Tag das gleiche", sagt Lehr. Wie ein Mantra.

Jeden Tag gilt es schließlich aufs Neue, nein zu sagen. An der Supermarktkasse, auf der Arbeit, wo er täglich mit Hochprozentigem hantiert. "Alkohol ist die gefährlichste und schlimmste Droge, denn sie ist total akzeptiert und überall erhältlich." "105 Prozent" hat sich Lehr deshalb auf seinen Arm tätowieren lassen. Eine Ermahnung zu mehr als 100 Prozent Achtsamkeit, die ihm sein täglicher Kampf gegen einen Rückfall abverlangt.

Nächstes Ziel: Deutsche Meisterschaft

Nach zweieinhalb Jahren im Gym ging Lehr zum ersten Mal auf die Bühne. Als Natural Bodybuilder – einer Disziplin, die betont auf natürliches Muskelwachstum setzt. Leistungssteigernde Substanzen sind verboten. Damit hat er es weit gebracht. In der Alterklasse Ü40 holte er bereits einen dritten Platz.

Aber Mittelmaß kann Lehr nicht zufriedenstellen. Er will im Herbst Deutscher Meister werden. Ob ihm das gelingt, wisse er nicht. Aber er wird alles dafür geben. 105 Prozent.