Arbeiter auf einer Baustelle für Wohnungen

Hessen Bauwirtschaft fordert weniger Bürokratie beim Wohnungsbau in Hessen

Stand: 05.09.2024 20:14 Uhr

Die Wohnungsnot in Hessen spitzt sich zu. Die Bau- und Immobilienwirtschaft fordert rasche Reformen, damit sie mehr bezahlbare Häuser schaffen können. Sie beklagen insbesondere überlange Genehmigungsverfahren und unsinnige Vorschriften.

Angesichts der angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt fordern Verbände der Bau- und Immobilienwirtschaft in Hessen deutliche Entlastungen. Der Weg von der Planung bis zur fertigen Wohnung sei oft zu lang, zu mühsam und zu teuer, beklagen die Verbände.

"Die Menschen in Hessen benötigen dringend mehr bezahlbaren Wohnraum. Die Zahlen der Baugenehmigungen gehen in besorgniserregendem Maße zurück", sagt der Sprecher der Initiative "Impulse für den Wohnungsbau in Hessen", Gerald Lipka. 

"Hessischer Wohnungsmarkt am Abgrund"

Im ersten Halbjahr 2024 ist die Zahl der Baugenehmigungen in Hessen um 21 Prozent auf 6.365 neue Wohnungen gesunken, wie das Statistische Landesamt mitteilte. Dabei wären mindestens 30.000 bis 40.000 neue Wohnungen pro Jahr nötig, um den Bedarf zu decken, wie der Deutsche Mieterbund Hessen errechnet hat.

"Der hessische Wohnungsmarkt steht am Abgrund", warnt Axel Tausendpfund vom Vorstand des Verbands der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft (VdW südwest). "Zu wenige Baufertigstellungen, zu wenige Genehmigungen und zu wenig Bauland. Das bremst die Schaffung von Wohnraum massiv", so Tausendpfund.

Mehr Unterstützung von der Politik gefordert

Das Land Hessen müsse Forderungen danach stärker in den Bundesrat einbringen. Doch auch auf Landesebene könne man viel tun, findet Tausendpfund. Er schlägt als ersten Schritt ein Zinsverbilligungsprogramm vor, das Bauzinsen auf ein Prozent senkt, um die Baukonjunktur anzukurbeln.

Außerdem müsse die hessische Bauordnung dringend reformiert werden, sagt der Funktionär der Wohnungswirtschaft: "Viele Normen sind unnötig streng und bremsen den Bau aus. Wir brauchen weniger Bürokratie, damit schneller und günstiger gebaut werden kann." Insbesondere die langen Planungs- und Genehmigungsverfahren sorgen demnach für Frust in der Branche. Es sei "zermürbend", wie viel Zeit verloren gehe, bis der Bau beginne. Dadurch stiegen auch die Kosten, betont er.

Südwestdeutsche Wohnungswirtschaft

Der Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft steht für bezahlbaren Wohnraum. Zu den Mitgliedsunternehmen, bei denen insgesamt rund 5.400 Menschen beschäftigt sind, gehören z.B. die Nassauische Heimstätte, die Frankfurter ABG, die GWG Kassel, der Bauverein Darmstadt sowie der VBS Frankfurt und die Vereinigten Wohnstätten 1889 Kassel.

In Hessen gehören den Unternehmen der VdW südwest rund 362.000 Wohnungen. Derzeit leben darin rund 750.000 Mieterinnen und Mieter. 

Kritik an Bauvorschriften

Großes Potenzial liege im Um- und Ausbau bestehender Gebäude. Mit weniger strengen Auflagen bei Lärm- und Brandschutz könnten demnach viele neue Wohnungen geschaffen werden. Auch die Energie- und Klimaschutzvorgaben seien teilweise überzogen und verhinderten schnelleres Bauen, so Tausendpfund.

Kritik äußert auch die Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen. Besonders der Stellplatznachweis, den viele Kommunen weiterhin fordern, sei nicht mehr zeitgemäß: "Wohnen ist wichtiger als Parken am Haus oder gar in der Tiefgarage", sagt das Vorstandsmitglied Tobias Rösinger.

Experten warnen vor steigenden Mieten

Viele Experten warnen derweil, dass die Mieten weiter steigen, wenn der Neubau nicht deutlich beschleunigt werde. "Die Nachfrage nach Wohnraum wächst, während die Zahl der Baugenehmigungen zurückgeht", sagt Max Christopher Krapp vom Institut Wohnen und Umwelt zum hr: "Wenn der Neubau nicht schnell angekurbelt wird, sind steigende Mieten deshalb unvermeidbar."

Solange die Entwicklung beim Neubau so "besorgniserregend" bleibe, würden die Mieten weiter steigen, prognostiziert auch Eva-Maria Winckelmann vom Deutschen Mieterbund Hessen.

Bundesregierung will Bauen beschleunigen

Auch auf Bundesebene wird der Ruf nach mehr Tempo beim Bauen lauter. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) brachte eine Reform des Baugesetzbuchs ins Kabinett ein, die den schleppenden Neubau auf Touren bringen soll, wie sie am Mittwoch mitteilte. Geplant ist unter anderem, die Bauplanung zu vereinfachen und neue Bauflächen schneller freizugeben. "Bauen soll systematischer, effizienter und moderner werden", versprach Geywitz.

Vor allem in Städten, wo es zu wenige Wohnungen gibt, sollen Baupläne weniger kompliziert und schneller genehmigt werden, wie die Ministerin ausführte. Außerdem sollen Aufstockungen und der Bau in zweiter Reihe auf Grundstücken erleichtert werden, um die Wohnungsnot zu lindern.

Die Reform könnte den Bauherren aber auch zusätzliche Auflagen zum Klimaschutz machen. Das wiederum kritisieren CDU/CSU. Sie schlagen vor, dass der Wohnungsbau grundsätzlich Vorrang vor anderen Interessen haben sollte. Das Gesetzgebungsverfahren soll im Bundestag bis Ende 2024 abgeschlossen sein. Zustimmungspflichtig im Bundesrat ist es nicht.