SPD-Werbefähnchen

Mecklenburg-Vorpommern Bundestagswahl: Landes-SPD streitet um Spitzenkandidatur

Stand: 19.12.2024 14:41 Uhr

Der SPD-Landesvorstand will mit der Staatsministerin im Bundeskanzleramt, Alabali-Radovan, als Spitzenkandidatin in den Wahlkampf ziehen. Der Wismarer Bundestagsabgeordnete Junge will das verhindern.

Von Stefan Ludmann

Show-Down bei der SPD: Am Sonnabend kommt es bei der SPD-Landesvertreterversammlung im Bürgerhaus in Güstrow zu einem Zweikampf auf offener Bühne. Frank Junge, Chef der Ost-Landesgruppe der Bundestags-SPD und Mitglied im wichtigen Haushaltsausschuss, begehrt gegen die Parteispitze auf. Der 57-Jährige tritt gegen die Integrations-Staatsministerin im Bundeskanzleramt, Reem Alabali-Radovan, an und reklamiert die Spitzenkandidatur für sich. Den 95 Delegierten wird ein spektakuläres Beispiel für innerparteiliche Demokratie geliefert.

Wahlumfragen lassen Nerven blank liegen

Der Zweikampf um Listenplatz 1 zeigt auch, dass die Nerven in der Landespartei blank liegen. Die SPD-Abgeordneten stehen massiv unter Druck. Nach den aktuellen Wahl-Umfragen wird die Partei es nicht wieder schaffen, mit wie bisher sechs Abgeordneten in den Bundestag einzuziehen - möglicherweise werden es nur zwei. In der Lage garantiert nur ein Listenplatz ganz vorn ein Weitermachen als Abgeordneter. Junges Kampfkandidatur gilt als mutig. Denn seine Kontrahentin, die erst seit knapp vier Jahren SPD-Mitglied ist, hat die Rückendeckung von ganz oben.

Schwesig für Alabali-Radovan

Die 34-jährige Alabali-Radovan ist das politisches Ziehkind der Landesvorsitzenden, Ministerpräsidentin Manuela Schwesig. Auf ihr Geheiß hat sich der Landesvorstand gestern am sehr späten Mittwochabend in Güstrow dafür ausgesprochen, die Genossin auf Listenplatz 1 zu setzen - vor drei Jahren schaffte sie es nur auf Platz 6, machte dann nach der Wahl Karriere in Berlin. Alabali-Radovan gilt allerdings nicht unbedingt als Schwerstarbeiterin in ihrem Wahlkreis. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, sie instrumentalisiere ihren Migrationshintergrund für persönliche Ziele.

Junge mit Verdiensten

Schwesigs Vertrauter, Generalsekretär Julian Barlen, erklärte gestern gegen Mitternacht zur Begründung eher lakonisch und ohne Hinweise auf mögliche politische Leistungen: "Reem Alabali-Radovan ist Staatsministerin im Kanzleramt und stellvertretende Landesvorsitzende und wird daher als Spitzenkandidatin vorgeschlagen." Was nach "Basta" klingt, wird im Lager der Junge-Befürworter als Affront gesehen. Sie sehen in dem Listenplatz 4 für ihren Kandidaten eine bewusste Zurücksetzung. Junge hatte 2021 das beste Erststimmen-Ergebnis der SPD in ganz Ost-Deutschland. Erst gestern fuhr er die Ernte von monatelangen Bemühungen ein: Der Bund machte im Haushaltsausschuss knapp fünf Milliarden Euro für den U-Boot-Bau auch auf der Werft in Junges Wahlkreis Wismar locker.

Besonderer Dank des neuen Wirtschaftsministers

Das brachte ihm auch die Anerkennung von jemanden ein, der unverdächtig ist, sich in SPD-Interna einzumischen: Der neue Wirtschaftsminister Wolfgang Blank ist parteilos und erklärte nach der Entscheidung zum U-Boot-Bau: "Mein besonderer Dank gilt dem Wismarer Bundestagsabgeordneten Frank Junge, der im Haushaltsausschuss engagiert dafür gearbeitet hat, dass diese wichtigen Aufträge auch Mecklenburg-Vorpommern zugutekommen."

Junge gibt sich zurückhaltend

Beim SPD-Landesvorstand in Güstrow fiel das offenbar nicht ins Gewicht: Junge scheiterte bei dem Versuch, Alabali-Radovan von Platz 1 des Listenvorschlags zu verdrängen. Zwölf Spitzengenossen sprachen sich für die Staatsministerin aus, nur vier für Junge. Am Tag nach seiner Niederlage sagte Junge, "am Ende wird die Landesvertreterversammlung entscheiden, dort wird die Frage geklärt". Junge bekräftigte damit seine Entscheidung, am Sonnabend bei der Landesvertreterversammlung für die Spitzenkandidatur anzutreten. Er wolle aber auch alles dafür tun, seinen Wahlkreis direkt zu gewinnen - vor drei Jahren schaffte er das mit 35,2 Prozent der Erststimmen.

Von Malottki noch vor Junge

Bitter für Junge ist außerdem, dass die SPD-Spitze den Greifswalder Bundestagsabgeordneten Erik von Malottki noch vor ihm auf Platz 2 vorgeschlagen hat. Von Malottki gilt wegen unabgestimmter Alleingänge als kompliziert. Es soll Stimmen in der Parteiführung in Schwerin geben, die ihn mit einem sicheren Listenplatz erneut nach Berlin schicken wollen, um ihn als "Unruhestifter" im Landesverband zu verhindern. Von Malottki hatte noch am Montag erklärt, er gehe davon aus, dass der Landesvorstand eine "kluge Entscheidung" treffen werde.

Stimmungstest für Schwesig

In der Parteispitze wird auch darauf hingewiesen, dass die Liste den regionalen Proporz berücksichtigen müsse. Alabali-Radovan stehe für Westmecklenburg, von Malottki auf Platz 2 für Vorpommern. Im Junge-Lager erscheinen die Argumente als vorgeschoben. Die Entscheidung über die Spitzenkandidatur am Sonnabend in Güstrow ist indirekt auch eine Abstimmung über die Landesvorsitzende. Scheitert Schwesigs Kandidatin, dann konnte sich die Landesvorsitzende in einer wichtigen Frage nicht durchsetzen. Viele Delegierte sind allerdings Abgeordnete oder Mitarbeiter - sie gelten als loyal.

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 19.12.2024 | 12:00 Uhr