Mecklenburg-Vorpommern Stadtvertreter von Malchin lehnen Agri-Photovoltaik-Park ab
Die sogenannte Agri-PV-Anlage sollte ein großes Projekt im Kreis Mecklenburgische Seenplatte werden: Auf 157 Hektar hatte die Firma Vattenfall einen großen Solarpark in Malchin geplant. Die Stadtvertreter haben das Bauvorhaben nun überraschend abgelehnt.
Der geplante Bau eines Solarparks in Malchin (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) ist am Mittwochabend von den Stadtvertretern abgelehnt worden. Bürgermeister Axel Müller (CDU) sagte, das habe sich in den Ausschüssen nicht angedeutet. "Das hat mich auch überrascht, weil in den Ausschüssen davor immer eine Mehrheit dafür war." Geplant war eine sogenannte Agri-PV-Anlage auf einer Fläche von 157 Hektar. Das Besondere Konzept gilt als zukunftsweisend. Denn Agri-PV ist eine Kombination aus einer Photovoltaik-Anlage, unter der aufgrund ihrer höhergelegten Bauweise dennoch Landwirtschaft betrieben werden kann.
Agri-Photovoltaik setzt sich aus den Begriffen Agrikultur (also Landwirtschaft) und Photovoltaik (zur Stromerzeugung) zusammen. Unter großen Solarpaneelen wird also Landwirtschaft betrieben. Je nach Bodenbeschaffenheit können Nutzpflanzen, zum Beispiel Kräuter, Kartoffeln, Obst oder sogar Wein angebaut werden. Die Flächen sind aber auch für die Viehwirtschaft nutzbar. In Frage kommen beispielsweise Schafe oder Rinder. Den hohen Anschaffungskosten stehen in sonnenreichen Monaten Verkaufserlöse für den nachhaltig erzeugten Strom gegenüber.
Vorteile von Agri-PV-Anlagen liegen in der Doppelnutzung des Landes. Landwirte können also auf ein und derselben Fläche doppelt ernten. Demnach wird nachhaltiger Sonnenstrom erzeugt, ohne, dass die Fläche für die landwirtschaftliche Nutzung verloren geht. Durch den Schatten, den die Paneele werfen, trocknet der Boden auch in Hitze- und Dürreperioden weniger aus, heißt es. Obst, Beeren und Wein müssen außerdem bei konventionellem Anbau auch oft vor Hagel, Starkregen, Frost und Sonnenbrand geschützt werden. Auch hier können die Photovoltaik-Anlagen nach gemeinsamen Angaben des Fraunhofer-Instituts und des Deutschen Bauernverbands über landwirtschaftlichen Flächen einen doppelten Zweck erfüllen und Hagelschutzsysteme oder Folientunnel ersetzen. Bodennahe Systeme mit landwirtschaftlicher Bewirtschaftung zwischen den Reihen beugen zudem bei Winderosion vor.
Als ein Nachteil von Agri-Photovoltaik-Anlagen werden häufig die hohen Anschaffungskosten genannt. Diese liegen in etwa doppelt so hoch, wie bei konventionellen Photovoltaikanlagen. Umweltschützer kritisieren zudem, dass Lebensräume von Wildtieren zerschnitten würden, weil die Areale meist umzäunt sind, andere stören sich an den Auswirkungen auf das Landschaftsbild.
Die Förderung von Agri-PV-Anlagen ist im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG-2023) geregelt. Demnach sind sie auf allen Ackerflächen, Flächen mit Dauerkulturen und Grünlandflächen förderfähig. Ausgenommen sind laut Bundeslandwirtschaftsministerium Moorböden und Naturschutzgebiete. Vorrang bei der Förderung von Agri-PV-Anlagen hat die Landwirtschaft. Stromerzeugung mit Agri-PV beansprucht demnach maximal 15 Prozent der Fläche, sodass 85 Prozent der Fläche für die Landwirtschaft nutzbar sind. Im Gegenzug gibt es allerdings auch Vorgaben für Landwirte gegenüber den Netzbetreibern. So muss für die Förderfähigkeit nach dem EEG der Nachweis gegenüber dem Netzbetreiber erbracht werden, dass beispielsweise auf Herbizide verzichtet wird. Andere Formen der besonderen Photovoltaik-Anlagen, z.B. über Parkplätzen oder auf Binnengewässern wie Baggerseen werden gesondert gefördert.
Ablehnung für Agri-PV-Anlage aus der AfD und dem BSW
Gegen den Bau der Solaranlage gestimmt hatten Stadtvertreter der AfD-Fraktion und der BSW-Fraktion. Erstaunlich fand Bürgermeister Müller vor allem die Position von AfD-Mitglied Christian Skotnik. Dieser begründete die Ablehnung der Agri-PV-Anlage mit der Sorge, dass durch die Solaranlage die Landwirtschaft in und um Malchin zurückgedrängt werde. Die Landwirtschaft "sterbe als Folge des riesigen Solarparks", hieß es von der AfD. Außerdem würde, so Skotnik, die Natur im Peenetal durch eine solche Anlage belastet. Auch Vertreter des BSW lehnten das Projekt ab. Ein Stadtvertreter sprach ungeachtet der Doppelnutzung von "Unverständnis, wenn durch den geplanten Solarpark die Landwirtschaft die Versorgung der Bevölkerung nicht mehr leisten könne."
Bürgermeister hofft auf neuen Anlauf
Ob es in den nächsten Monaten einen neuen Anlauf mit veränderter Größe für den Photovoltaik-Park geben werde, sei vollkommen unklar, so Bürgermeister Müller. Nach jetzigem Stand werde das Projekt vermutlich gar nicht kommen. "Sie haben abgelehnt und damit ist das Vorhaben im Grunde tot. Es sei denn, wir nehmen es noch mal auf die Tagesordnung und diskutieren es vielleicht in veränderter Form, in verkleinerter Form," so Müller. Zunächst werde er Vattenfall über die neue Lage informieren.
Agri-Photovoltaik-Projekte in MV kein Neuland
Ein wenig Hoffnung bleibe noch, so Müller. Es gebe andere Regionen in Mecklenburg-Vorpommern, wo derartigen Projekten zugestimmt wurde, sagt der Bürgermeister. Er hegt die Hoffnung, die Stadtvertretung mit erfolgreichen Beispielen aus MV umstimmen zu können und will das Projekt erneut vorschlagen.
Beispiele in Mecklenburg-Vorpommern sind die jüngsten Beschlüsse in Friedland (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) und Demen (Landkreis Ludwigslust-Parchim). In beiden Fällen stimmten die Gemeindevertretungen den Vorhaben zu. In Demen erhoffen sich die Gemeindevertreter außerdem auch jährliche Pacht-Einnahmen in sechsstelliger Höhe für die Gemeindekasse. In Friedland würde die Anlage durch die Gewerbesteuer zusätzliche Einnahmen für die Stadt erwirtschaften. Dazu käme in Friedland auch eine Beteiligung an dem Gewinn aus dem erzeugten Strom.
Größte Agri-PV-Anlage bald in MV?
Die laut Vattenfall bisher größte Agri-PV-Anlage in Deutschland wird aktuell nördlich von Neubrandenburg gebaut. In Tützpatz (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) entstehen in Zusammenarbeit mit Vattenfall drei Agri-PV-Anlagen auf einer Fläche von insgesamt 93 Hektar. Die erste Anlage wird aktuell auf 50 Hektar fertiggestellt. Hier sollen bald die ersten 4.000 Hühner einziehen. Nach der Fertigstellung sollen die Anlagen in Tützpatz eine installierte Leistung von mehr als 70 Megawatt haben.
DVP Solar aus Spanien plant derzeit einen Agri-Photovoltaik-Park mit 71 Hektar Fläche in den Gemeinden Bobitz und Metelsdorf nördlich von Schwerin (Landkreis Nordwestmecklenburg). Diese Anlage könnte einmal über 66.000 Megawatt Strom pro Jahr liefern - eine Strommenge, mit der rund 33.000 Menschen für ein Jahr versorgt wären. Die Anlage, die jetzt in Malchin auf Eis gelegt wurde, wäre mit 157 Hektar Fläche mehr als doppelt so groß.
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NDR 1 Radio MV | Regionalnachrichten aus Neubrandenburg | 12.12.2024 | 12:00 Uhr